Behandelter Abschnitt 1Tim 6,6-8
Das selbstsüchtige Übel, die Gottseligkeit zu einem Mittel zum Gewinn zu machen, wurde vollständig entlarvt. Es bedeutet wirklich, den Namen Christi auf die Rechnung gegenwärtiger und weltlicher Interessen zu stellen. Es ist ein Missbrauch der Gnade, ein Verlassen der Wahrheit, außer im Bekenntnis, und auch eine Rücksichtnahme auf das Fleisch, um dessen Begierden zu befriedigen; es ist so fremd, wie man es sich nur vorstellen kann, von allem, was der Heilige Geist jetzt auf der Erde zur Ehre Gottes des Vaters wirkt.
Die Gottseligkeit mit Genügsamkeit aber ist ein großer Gewinn; denn wir haben nichts in die Welt hereingebracht, [so ist es offenbar,] dass wir auch nichts hinausbringen können. Wenn wir aber Nahrung und Bedeckung haben, so wollen wir uns daran genügen lassen (6,6–8).
Gottseligkeit als Deckmantel der Begehrlichkeit, Gottseligkeit, die vorgeführt wird, um in der Welt emporzukommen und Reichtum zu erwerben, ist eine Umkehrung dessen, was überall in der Schrift als eine echt christliche Erwartung gezeigt wird. Als die Korinther den Wunsch verrieten, auf diese Weise das Beste aus beiden Welten zu machen, tadelte der Apostel sie mit scharfer Ironie: „Schon seid ihr gesättigt, schon seid ihr reich geworden; ihr habt ohne uns geherrscht, und ich wollte wohl, dass ihr herrschtet, damit auch wir mit euch herrschen möchten. Denn ich denke, dass Gott uns, die Apostel, als die Letzten dargestellt hat, wie zum Tod bestimmt; denn wir sind der Welt ein Schauspiel geworden, sowohl Engeln als auch Menschen. Wir sind Toren um Christi willen, ihr aber seid klug in Christus; wir schwach, ihr aber stark; ihr herrlich, wir aber verachtet. Bis zur jetzigen Stunde leiden wir sowohl Hunger als auch Durst und sind nackt und werden mit Fäusten geschlagen und haben keine bestimmte Wohnung und mühen uns ab, mit unseren eigenen Händen arbeitend. Geschmäht, segnen wir; verfolgt, dulden wir; gelästert, bitten wir; wie der Kehricht der Welt sind wir geworden, ein Abschaum aller bis jetzt“ (1Kor 4,8-13). Diese seine Rede war in der Gnade, aber sie war unverkennbar mit Salz gewürzt. Er konnte nicht anders, als zu tadeln, aber es war eine liebevolle Ermahnung, damit sie im Glauben gesund seien und vor verderblichen Praktiken bewahrt würden, die aus falschen Grundsätzen erwachsen.
Der richtige Weg ist der, den der Apostel später in 1. Korinther 7,29-31 anmahnt: „Dies aber sage ich, Brüder: Die Zeit ist gedrängt. Im Übrigen, dass auch die, die Frauen haben, seien, als hätten sie keine, und die Weinenden als nicht Weinende und die sich Freuenden als sich nicht Freuende und die Kaufenden als nicht Besitzende und die die Welt Gebrauchenden als sie nicht als Eigentum Gebrauchende; denn die Gestalt dieser Welt vergeht.“ Wir sind nur Fremde und Beisassen, die durch eine Welt ziehen, der wir nicht mehr angehören; wir das Geschenk des Vaters an Christus, dessen Zeugen wir jetzt sein sollen, während wir auf sein Kommen warten, um bei Ihm zu sein und das herrliche Erbe mit Ihm zu teilen. Es ist sein Wille, uns in der Zwischenzeit unser Los zuzuteilen; und die Gottseligkeit würde mit Dankbarkeit seine Verfügung über uns anerkennen, sei es als eine Prüfung der Unterwürfigkeit unserer Herzen oder als eine Sphäre des Dienstes an Ihm von Tag zu Tag. Denn es gibt nichts Rechtes für uns, wo Er nicht seinen Platz hat. Es ist nicht genug, dass es „Zufriedenheit“ gibt. Dies allein wäre nur ein heidnisches Gefühl; denn in der Tat haben es nicht wenige heidnische Autoren schön ausgedrückt, obwohl es (wie zu befürchten ist) eher das war, was sie zum Menschen werden sahen, als das, was sie in ihrem täglichen Gespräch wirklich gut machten. Die Stoiker, die eine solche Sprache am meisten prägten, waren eher harte als glückliche Menschen. Selbst wenn sie in der Praxis erfolgreich gewesen wären, wie weit war ihre selbstzufriedene Genügsamkeit von Christus entfernt!
Was hier als ein großes Mittel zum Gewinn erklärt wird, ist „Gottseligkeit“ mit Genügsamkeit. Dies ist ein Zustand, der dem heidnischen Selbstvertrauen, das Gott und die Abhängigkeit von Ihm ausklammert, völlig entgegengesetzt ist. „Gottseligkeit“ bewirkt Vertrauen zu Ihm und blickt gewohnheitsmäßig zu Ihm auf, als zu jemandem, der nicht versagt und nicht versagen kann in seiner gnädigen Rücksicht auf jede Not, Schwierigkeit und Gefahr, da alles bloß und aufgedeckt vor seinen Augen liegt, mit denen wir zu tun haben. Bei der Gottseligkeit ist „Genügsamkeit“10 die Frucht des Wissens um seine Liebe und die Gewissheit, dass sein Wille gut, annehmbar und vollkommen ist. So sagte derselbe Apostel zu den christlichen Hebräern: „Der Wandel sei ohne Geldliebe; begnügt euch mit dem, was vorhanden ist, denn er hat gesagt: „Ich will dich nicht versäumen und dich nicht verlassen“; so dass wir kühn sagen können: „Der Herr ist mein Helfer, und ich will mich nicht fürchten; was wird mir ein Mensch tun?“ (Heb 13,5.6). Es ist im Grunde derselbe Grundsatz; aber hier ist es der Schaden für den eigenen Geist, vor dem der Apostel warnt, und nicht die Befürchtung von Unheil durch andere, vor denen er die Gläubigen der Beschneidung warnen möchte. Gottseligkeit mit Genügsamkeit ist ein großer Gewinn.
Dies veranschaulicht und verstärkt er durch die unscheinbaren, aber umso eindrücklicheren Tatsachen des Anfangs und des Endes des Menschen hier auf der Erde, die alle sehen können, nach denen aber nur Menschen des Glaubens handeln: „wir haben nichts in die Welt hereingebracht, so ist es offenbar, dass wir auch nichts hinausbringen können“ (V. 7). Dies wird in so charakteristischer Kürze und komprimierter Deutlichkeit vorgestellt, dass man sich nicht wundern muss, wenn sich in den Text nicht weniger Handschriften einmal zur Erklärung eingebrachte Worte eingeschlichen haben. Diese scheinbaren Interpolationen sind unterschiedlich. In einer der frühesten (D. oder die Clermont MS.), die einen im Westen verbreiteten Zusatz enthält, erscheint „[es ist] wahr“; und so steht es im Wesentlichen in der Vulgata, dem Gotischen und anderen. Bei den frühen griechischen Schreibern wie in einigen späten Unzialen und der Masse der Kursiven ist „[es ist] offensichtlich“ das Wort („bekannt“ im Syr. ist vielleicht ziemlich gleichwertig). Die ältesten Autoritäten lassen καί oder ἀλλά für ὅτι nicht zu, sondern geben als Text das an, was hier übersetzt ist; was den Eintritt des Menschen in die Welt mit nichts in die ernste Mahnung verwandelt, dass es am Ende auch so sein wird, damit die zweifache Wahrheit auf den Gläubigen während seines ganzen Weges einwirken kann. Vergleiche Hiob 1,21, das ist ein altertümlich ausgedrückter Gedanke, und so einfach wie sicher. Aber die Gottseligkeit mit „Genügsamkeit“ allein macht ihr Gewicht spürbar und formt den Wandel in Übereinstimmung mit der Wahrheit. „Wenn wir aber Nahrung und Bedeckung haben, so wollen wir uns daran genügen lassen“ (V. 8). Die Worte, die mit „Nahrung“ und „Bedeckung“ übersetzt werden, stehen beide im Plural, was auf die jeweils von Gott bereitgestellte Vielfalt hinweisen kann. Auch die „Bedeckung“ ist nicht auf die Kleidung beschränkt und sollte nicht so übersetzt werden, da sie auch die Behausung einschließt. Das Futur erscheint zwingender als die mahnende Zeitform und passt besser zum Passiv. Selbst auf die ältesten und besten MSS. ist wenig Verlass, da sie zu oft die langen mit den kurzen Vokalen vertauschen, wie in diesem Fall. Die Kritiker neigen in letzter Zeit allgemein zum Futur.
10 Der Peschito Syr. scheint αὐταρκείας im objektiven Sinn von „unsere Genügsamkeit“ oder den Gebrauch davon zu nehmen, ein Sinn, der zweifellos möglich und wie in 2. Korinther 9,8 legitim ist, aber hier mit dem Rahmen dieser Stelle unvereinbar ist.↩︎