Behandelter Abschnitt 2Thes 3,1-5
Von den Gebetswünschen für seine geliebten Thessalonicher wendet sich der Apostel ab, um ihre Fürbitte für das Zeugnis des Herrn im Allgemeinen und besonders für sich und seine Mitarbeiter in ihrer ständigen Gefährdung durch den Widersacher zu erbitten.
Im Übrigen, Brüder, betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und verherrlicht werde, wie auch bei euch, und dass wir errettet werden von den schlechten und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht aller Teil. Der Herr aber ist treu, der euch befestigen und vor dem Bösen bewahren wird. Wir haben aber im Herrn das Vertrauen zu euch, dass ihr, was wir gebieten, sowohl tut als auch tun werdet. Der Herr aber richte eure Herzen zu der Liebe Gottes und zu dem Ausharren des Christus! (3,1‒5).
Es ist schön zu sehen, wie die Gnade alle gläubigen Herzen durch Christus miteinander verbindet. Der Apostel war der begabteste und tatkräftigste Diener, den der Herr je einsetzte, um die Erkenntnis seiner selbst in der Welt zu verbreiten. In ihm fand der Ruf der souveränen Gnade, nicht nur als Gläubiger, sondern als Apostel, seinen höchsten Ausdruck: „nicht von Menschen noch durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus und Gott, den Vater, der ihn aus den Toten auferweckt hat“ (Gal 1,1). Er hat das Evangelium weder von Menschen empfangen noch wurde es ihm beigebracht, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi. Und als es Ihm, der ihn von Mutterschoß an abgesondert und durch seine Gnade berufen hat, gefiel, seinen Sohn in ihm zu offenbaren, damit er ihn unter den Völkern verkündige, „da ging ich sogleich nicht,“ sagt er, „mit Fleisch und Blut zu Rate“ (Gal 1,16). Und doch wirbt derselbe Mann, der auf diese Weise von Gott geformt und geführt wurde, um offensichtlich den Anschein einer Nachfolgekette sowohl in der offiziellen Stellung als auch in der Offenbarung der Wahrheit zu durchbrechen, ernsthaft um das betende Interesse der jüngsten Brüder, seiner eigenen neugeborenen Kinder im Glauben, an weltweiter Arbeit, sowohl im Evangelium als auch in der Versammlung, die mit schweren und häufigen Gefahren verbunden ist. Auf der einen Seite darf nichts und niemand zwischen den auferstandenen Christus und seinen Diener treten, der mit der Mission seiner Gnade ausgesandt wurde, auf der anderen Seite ist er (der in seiner Mission am stärksten von den Menschen unabhängig ist, damit kein Nebel den Ruf Christi oder die Botschaft seiner Liebe verdunkelt) von allen Menschen am meisten von der göttlichen Führung und Unterstützung abhängig und daher am meisten auf die unterstützenden Gebete der Gläubigen angewiesen.
Was für eine gnädige Weisheit darin lag, dass Gott es so geordnet hat, muss jedem geistlichen Gemüt einleuchten. Waren es Paulus und seine Gefährten, die allein den Segen ernteten, dass die Gläubigen, so jung sie auch im Glauben waren, so beteten? Könnte irgendetwas für die Gläubigen selbst stärker, erhebender oder reinigender sein, wenn nicht die direkte Beschäftigung mit Christus selbst, die in der Tat in nicht geringem Maß durch eben diese Identifikation des Herzens mit dem, was seinem Herzen so nahe ist, gefördert wurde? Was auch immer die Zuneigung zum Herrn in dem bewirkt, was Ihn und sein Wort verherrlicht, ist ein so viel reinerer Gewinn für seine und unsere Schatzkammer, wie es die Befreiung von sich selbst und den gegenwärtigen Dingen ist, in die Satan leicht verstrickt. Und da sein Wort bei den Thessalonichern lief und verherrlicht wurde, konnten sie umso mehr wirklich und einfach beten, dass es auch anderswo so sein möge. Sie waren nicht niedergeschlagen oder abgelenkt durch innere und demütigende, komplizierte Dinge, die den Geist beschäftigen und das Bemühen des Herzens weit und breit zum Segen anderer schwächen und zu seinem Lob verhindern. Paulus konnte frei bitten, und sie konnten ohne Zögern oder Anstrengung ihre Gebete ausführen. Das Wort des Herrn mag schnelle Fortschritte machen, ohne ein tiefes Ergebnis im Menschen und ohne Ehre für Ihn, der seine Quelle ist; der Apostel möchte, dass sie beten, dass es verherrlicht wird, so wie es auch bei ihnen selbst der Fall war, deshalb konnten sie dies umso wahrhaftiger und herzlicher von Gott anderswo wünschen.
Außerdem versagen viele Widersacher nicht, so sicher wie die Gnade eine offene und wirksame Tür für das Zeugnis Christi gibt. Niemals rühmt sich der Apostel, niemals rühmt sich ein geistlicher Mensch der Zahl oder der Stellung, des Reichtums oder der Einsicht seiner Unterstützer. Es gibt kein sichereres Zeichen für die Welt, noch der Schlinge des Satans unter denen, die den Boden des Glaubens einnehmen.
Der Apostel bittet zwar um ihr Gebet, „und dass wir errettet werden von den schlechten und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht aller Teil“ (V. 2). Das Wort, das hier mit „schlechten“ übersetzt wird, ἄτοποι, bedeutete ursprünglich „abwegig“ und daher seltsam, verwunderlich und in einem moralischen Sinne wertlos, da jemand etwas Unpassendes und Abwegiges sagte und tat. Ich weiß nicht, warum „der Glaube“ dem abstrakten „Glauben“ vorgezogen werden sollte: Das Griechische enthält beides. Auch meinen diese Widersacher nicht nur Juden, obwohl diese im bitteren Unglauben prominent und aktiv waren. Der Glaube ist für das Herz eines Sünders nicht natürlich; er ist immer eine Gnade.
Es gibt jedoch ein gesegnetes Mittel, wie ihnen von jemandem gesagt wird, der sehr wohl wusste, wie weit Parteihass und persönliche Verleumdung gehen können: „Der Herr aber ist treu, der euch befestigen und vor dem Bösen bewahren wird“ (V. 3). Seine Treue entspricht dem Glauben der Seinen, sei er auch noch so schwach: „Die Augen des Herrn sind auf die Gerechten gerichtet und seine Ohren auf ihr Schreien“ (Ps 34,16). Daher die Zuversicht, dass Er die Gläubigen in Thessalonich stärken und vor dem Bösen bewahren würde. So hat der Glaube Gründe und ist immer berechtigt, Gründe zu haben. Auch kann kein Grund stärker sein; denn er ist von Gott zu den Menschen, nicht von den Menschen zu Gott, wie die Menschen zu ihrer Enttäuschung, Schande und Trauer zu begründen geneigt sind. Denn wie unser Herr selbst die Seinen gewarnt hat: „Der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach“ (Mt 26,41). Sie schlafen, wenn sie beten sollten, und können fliehen oder sogar verleugnen, wo sie stehen und bekennen sollten. Wie anders ist die andere Seite! „Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist. Viel mehr nun, da wir jetzt durch sein Blut gerechtfertigt sind, werden wir durch ihn gerettet werden vom Zorn. Denn wenn wir, da wir Feinde waren, mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, so werden wir viel mehr, da wir versöhnt sind, durch sein Leben gerettet werden“ (Röm 5,8-10). Hier steht also das Argument der Gnade des Herrn vor dem Apostel, der die Jünger in Ihm und in der Kraft seiner Macht befähigt haben mochte, das Geheimnis des Sieges im Glauben.
Wenn aber das Ziel so sicher ist, dann ebnet die Gnade den Weg, denn das Joch ist sanft und die Last leicht (Mt 11,30). Der Gehorsam Christi ist das Gesetz der Freiheit (Jak 2,12). Für ein einfältiges Auge ist sein Weg allein die Frage. Deshalb zweifelt der Apostel nicht daran, dass die angesprochenen Gläubigen ebenso sehr den Willen des Herrn tun wollen, wie er ihn ordnungsgemäß kundtun will. „Wir haben aber im Herrn das Vertrauen zu euch, dass ihr, was wir gebieten, sowohl tut als auch tun werdet“ (V. 4). Denn es gibt einen Unterschied zwischen dem, dass Christus uns Ruhe gibt, und dem, dass wir Ruhe für unsere Seelen finden. Die erste ist von souveräner Gnade, wie mühsam oder belastet wir auch sein mögen, und das Geschenk ist frei und gilt dem Sünder völlig gemäß der Herrlichkeit seiner Person und der Güte des Auftrags, mit dem er kam und litt; die andere ist die göttliche Regierung, und wir als Kinder Gottes finden Tag für Tag Ruhe für unsere Seelen, und zwar nicht im Eigenwillen, der unsere Gefahr ist, sondern in der einfältigen Unterwerfung unter Ihn und im Vertrauen auf Ihn, so wie Er selbst immer das getan hat, was dem Vater, der Ihn gesandt hat, gefiel, und sagen konnte, dass es seine Speise war, sein Werk zu vollenden und dass Er die Gebote seines Vaters hielt und in seiner Liebe ruhte. Nur darin, Ihm zu gehorchen, findet der Gläubige Ruhe für seine Seele; und so vertraut der Apostel hier den Thessalonichern.
Vers 5 schließt den Abschnitt wunderbar ab: „Der Herr aber richte eure Herzen zu der Liebe Gottes und zu dem Ausharren des Christus!“ Könnte etwas wirksamer die Gläubigen im Gehorsam stärken oder bewahren? Wir brauchen denen nicht zu folgen, die in alten oder modernen Zeiten behaupten, dass der Heilige Geist hier objektiv vor uns steht: Es gibt keinen ausreichenden Grund, den Gebrauch der Schrift aufzugeben. Mit „dem Herrn“ ist wie anderswo Jesus, der Sohn Gottes, gemeint, zu dem er sie aufrechterhalten will, und zwar, indem er ihre Zuneigung zu der Liebe Gottes und dem Ausharren des Christus richtet und festhält.
Aber auch hier und in beiderlei Hinsicht haben wir es mit den Zweifeln der Gelehrten zu tun und mit ihren Schwierigkeiten, sich der Wahrheit zu unterwerfen. Es wird uns mit hinreichender Sicherheit gesagt, dass die erste, aus der Tatsache, dass er wünscht, dass ihre Herzen darauf gerichtet werden, subjektiv sein muss, die Liebe des Menschen zu Gott. Die objektive Bedeutung, die Liebe Gottes, soll nicht in Frage kommen. Das mag „natürlich“ erscheinen, doch es zerstört gerade die Kraft der Wahrheit. Die einfache Bedeutung ist auch die tiefste und einzig wahre. Der Apostel möchte, dass unsere Herzen in die Liebe Gottes hineingeführt werden, in die Liebe, in der Er sein Wesen hat, seine Ratschlüsse formt und handelt sowie sich offenbart. Auch das allein bringt unsere Liebe zu Ihm hervor, die bestenfalls winzig ist, verglichen mit jener unerschöpflichen Quelle und unendlichen Fülle, die Christus persönlich und in seinem Werk für uns offenbart hat und die der Heilige Geist in unsere Herzen ausgegossen hat. Es ist, zugegeben, sehr natürlich, an unsere Liebe zu Ihm zu denken; aber der Anblick Christi durch den Glauben gibt dem Wort lebendige Kraft und führt uns in die Liebe Gottes ein, wie sie sich in Christus offenbart hat, der allein (und nicht wir) ein passender Gegenstand sein konnte, um die Zuneigung Gottes und seine moralische Herrlichkeit hervorzulocken und zu entfalten. Und so lernen wir, selbst Gegenstand seiner Liebe zu sein, in einer Weise und in einem Ausmaß, die sonst unmöglich gewesen wären, denn Er gibt den Seinen zu erkennen, dass „wie er ist, auch wir sind in dieser Welt“ (1Joh 4,17), und dass die Liebe, mit der der Vater den Sohn geliebt hat, in ihnen ist und Er selbst in ihnen (Joh 17,26).
Eine solche Liebe wie diese allein befreit praktisch von sich selbst, während sie in uns ohne Anstrengung oder Gedanken darüber ihr Gleiches hervorbringt. Es gibt auch kein anderes Mittel, das damit vergleichbar wäre, denn es ist sein Weg; besonders, wenn unsere Herzen auch „zu dem Ausharren des Christus“ gelenkt werden, nicht, wie ich meine, das Ausharren, das Er zeigte, als Er hier war, wie wahr und gesegnet das auch für uns sein mag, diese zu pflegen, sondern sein geduldiges Warten auf die glückselige Begegnung mit den Seinen, die dann bei seinem Kommen in sein herrliches Bild verwandelt werden. Darauf wartet Er mit Ausharren im Himmel, wie wir jetzt auf der Erde auf Ihn warten. In die Gemeinschaft seines Ausharrens, wie auch der Liebe Gottes, möchte Er unsere Herzen führen.
Am Anfang des ersten Briefes hieß es, die Thessalonicher hätten sich bekehrt, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen, und sie warteten auf seinen Sohn aus den Himmeln (1,9.10). Hier, fast am Ende des zweiten Briefes, haben wir im Wesentlichen dieselben Elemente, mit der jedem Fall eigenen Nuance des Unterschieds. Der Apostel suchte das Wohlergehen, die Freude und den Fortschritt der Gläubigen; und was kann dies so gut bewirken, als ihre Herzen zu der Liebe Gottes und dem Ausharren des Christus zu richten? Der Gott, dessen Liebe wir kennen, ist sein Vater und unser Vater, sein Gott und unser Gott; die Worte, die der Vater Ihm gegeben hat, hat Er uns gegeben; und Er kommt, um uns in die Herrlichkeit einzuführen, die die Welt erkennen lassen wird, dass der Vater Ihn gesandt und uns geliebt hat, wie Er geliebt wurde. Wir sollten nicht auf eine solche Entfaltung warten, sondern in seiner vollkommenen Liebe ruhen, während wir geduldig auf Christus warten. Offenbarung 3,10 ist ein deutliches Beispiel dafür, dass ὑπομονή (Ausharren, Geduld) diese Bedeutung hat; und ebenso in 1. Thessalonicher 1,3. Andere Vorkommen im Sinn von „Ausharren“ können es nicht widerlegen. Wir müssen den Unterschieden der Sprache durch den Zusammenhang jeweils Raum lassen, am meisten in einem Buch, das so unübertrefflich reich und tief ist wie die Bibel. Einseitigkeit, immer ein Hindernis und eine Gefahr, ist nirgends so schädlich wie in der Auslegung der Schrift: doch wo ist sie so üblich? Mögen wir gewarnt und wachsam sein.