Behandelter Abschnitt Phil 2,1-2
Wir haben in Kapitel 1 gesehen, wie erfrischend der Zustand der Philipper für den Apostel war, wenn man ihn als Ganzes betrachtet; denn zweifellos gab es in bestimmten Fällen etwas, das der Korrektur bedurfte. Dennoch zog ihr praktischer Zustand, und vor allem, wie er sich in der Gemeinschaft des Evangeliums zeigte, seine Zuneigung zu ihnen stark an, wie auch ihre eigenen Zuneigungen angezogen wurden. Nun zeugte gerade diese Gemeinschaft von ihrem dem gesunden und glühenden Zustand gegenüber dem Herrn, seinen Arbeitern und seinem Werk. Denn die Gemeinschaft mit dem Evangelium ist viel mehr als nur die Hilfe bei der Bekehrung von Menschen. Kinder, die gerade erst aus Gott geboren sind, die erst kleine Fortschritte in der Wahrheit gemacht haben, sind fähig, starkes Mitempfinden beim der Rettung der Verlorenen zu empfinden, mit der frohen Botschaft, die zu den Menschen ausgeht, mit der Freude über neue Bekehrte und begnadigte Menschen, die zur Erkenntnis Christi gebracht wurden. Aber die Gemeinschaft mit dem Evangelium umfasste bei den Philippern noch weit mehr. Es ist klar, dass die Philipper Menschen waren, die sich im Auf und Ab ihres Lebens völlig mit dessen Schwierigkeiten und Sorgen, aber auch mit dessen Freuden einsmachten. Es gab nichts in ihnen, was den Geist Gottes zurückhielt und beschäftigte, so dass sie in völliger Übereinstimmung mit Ihm selbst sein konnten, in der Verherrlichung Christi und im Segen für Menschen.
Und so war es ihnen vergönnt, mit dem Apostel selbst Gemeinschaft zu haben.
Wenn es nun irgendeine Ermunterung gibt in Christus, wenn irgendeinen Trost der Liebe, wenn irgendeine Gemeinschaft des Geistes, wenn irgend innerliche Gefühle und Erbarmungen, so erfüllt meine Freude, dass ihr gleich gesinnt seid, dieselbe Liebe habend, einmütig, eines Sinnes (2,1.2).
Alle diese Dinge waren bei ihnen vorhanden, und der Apostel, der um des Evangeliums willen im Gefängnis war, betrachtete jede kleine Gabe an ihn im Licht der heiligen, geistlichen Zuneigung Christi, die sie geleitet hatte. Im Fall der Philipper scheint es, dass es nicht nur die Art und Weise war, in der die Gnade Gottes den Dienst der Gläubigen schätzt. Er legte ihn nicht nach den Gedanken der Gläubigen aus, sondern nach seinen eigenen, und sah deshalb einen viel tieferen Wert darin, als der menschliche Geist, der vom Heiligen Geist in dem Dienst geleitet worden war.
Nimm zum Beispiel Maria in den Evangelien und die Art und Weise, wie der gepriesene Erlöser ihre Handlung der Hingabe betrachtete, als sie das Fläschchen mit dem kostbaren Salböl, das sie für diese Zeit aufbewahrt hatte, für seine Person ausgab. Wo das Auge einfältig ist, da ist der, der die Gläubigen führt, auch wenn sie es nicht genau erkennen. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass Maria deutlich erkannte, dass sie den Herrn für sein Begräbnis salbte; aber seine göttliche Gnade gab ihr diesen Wert. Die Liebe, die in ihrem Herzen war, fühlte instinktiv, dass Ihm eine schreckliche Gefahr drohte; dass sich eine schwere dunkle Wolke über Ihm zusammenzog, die andere nur schwach, wenn überhaupt, wahrnahmen. In Wahrheit bewirkte Gott diese göttliche Zuneigung.
Aber vielleicht sehen wir etwas Ähnliches in der Vorsehung, die Gott zuweilen ausübt; und es gibt sogar mehr als Vorsehung in der Fürsorge eines christlichen Elternteils für ein Kind. Es gibt ein Empfinden unbestimmter, aber echter Unruhe – der Geist Gottes gibt ein gewisses Bewusstsein der Gefahr – und das ruft oft die Zuneigung der Eltern zu dem Kind in einer Weise hervor, die die drohende Gefahr abwendet oder die Leiden in höchstem Maß mildert. In einem noch höheren Sinn galt dies für den Umgang Gottes mit Maria. Ach, die Jünger waren in der Tat wenig in das Geheimnis eingeweiht, obwohl sie mehr als alle anderen hätten wissen müssen, was bevorstand, wenn es sich um einen vertrauten Umgang und Wissen gehandelt hätte.
Gewiss hatten sie größere Möglichkeiten, als Maria je hatte; aber es ist bei weitem nicht dieses Wissen, das die tiefste Einsicht gibt – bei weitem nicht sind es irdische Umstände, die die Einsicht der Liebe begründen. Es gibt eine Ursache, die noch tiefer liegt – die Kraft des Geistes Gottes, die in einem einfachen, aufrechten, liebenden Herzen wirkt, das intensiv für den Gegenstand seiner Verehrung, für Christus selbst, empfindet. Wenn unser Blick auf unseren Herrn gerichtet ist, können wir sicher sein, dass Er mit und in uns sowie für uns wirkt. Er wird es nicht versäumen, uns die Gelegenheit zu geben, Ihm auf die passendste Weise und im richtigen Moment zu dienen. Wir wissen, wie lange Maria dieses Fläschchen schon hatte; aber es gab jemanden, der Maria liebte und der ihr das gewünschte Vorrecht gewähren wollte, ihre Liebe zu seinem Sohn zu zeigen. Er war es, der Maria (die von ihrer gläubigen, aber eifrigen Schwester als gleichgültig verachtet wurde) genau zu diesem Zeitpunkt dazu führte, ihre Liebe zu zeigen. So kann es neben der gewöhnlichen einsichtigen Führung auch eine Führung unter den geschickten Händen dessen geben, der sich um uns kümmert und jetzt noch inniger durch seinen Geist, der in uns wohnt, handelt.
Im Fall der Philipper gab es die bewusste Gemeinschaft des Geistes; es gab eine bemerkenswerte Hingabe und geistliche Empfindungen unter ihnen, so dass Gott ihnen besondere Ehre erweisen konnte. In dieser Hinsicht stehen sie in auffälligem Gegensatz nicht nur zu den Galatern, sondern auch zu den Korinthern. Nicht, dass die Galater und Korinther nicht aus Gott geboren waren; darin gab es keinen Unterschied. Es wird uns ausdrücklich gesagt, dass die Korinther in die Gemeinschaft des Sohnes Gottes berufen waren; das waren sie ebenso wahrhaftig wie die Philipper. Von ihnen sagt der Heilige Geist: „Gott ist treu, durch den ihr berufen worden seid in die Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn“ (1Kor 1,9). Aber hier gab es einen gewaltigen Unterschied. Unter den Korinthern gab es nicht dieselbe Gemeinschaft mit dem Evangelium, und deshalb mag es sein, dass der Apostel wünscht, dass „die Gemeinschaft des Heiligen Geistes“ mit ihnen sei (2Kor 13,13). Sicherlich hatten sie diese bis dahin nur spärlich genossen (vgl. 1Kor 3; 4 usw.).
Aber im Blick auf die Philipper konnte er sagen: „Wenn es nun irgendeine Ermunterung gibt in Christus, wenn irgendeinen Trost der Liebe, wenn irgendeine Gemeinschaft des Geistes“ und so weiter. Da war diese ganze praktische Darstellung Christi so vollständig unter ihnen am Werk; eine solche Zärtlichkeit in ihrem Denken, ein solches Eingehen auf die Gedanken Gottes, die den gewaltigen Kampf betrafen, in den der Apostel verwickelt war, dass sie sich von ganzem Herzen mit dem Apostel identifizierten. Er sagt also: Wenn das alles da ist ‒ was er nicht bezweifelte, sondern annahm ‒, „so erfüllt meine Freude, dass ihr gleich gesinnt seid, dieselbe Liebe habend, einmütig, eines Sinnes“ (V. 2).
Hier war ihr Versagen; sie waren nicht genügend einmütig; noch übten sie, wie sie sollten, dieselbe Liebe. Daher gab es zu dieser Zeit ein gewisses Maß an Uneinigkeit unter ihnen. Es mag zwar so aussehen, als ginge es um das Werk des Herrn, in dem sie wirklich eifrig waren. So traurig das an sich war, so war ihre Uneinigkeit doch nicht so niedrig und unwürdig wie ein bloßes Zanken untereinander, wie wir es bei den Korinthern sehen. Nicht, dass ihr Fall leichtfertig behandelt werden sollte, sondern gerade das Versagen und die Ursache dafür bewiesen, dass sie in einem geistlicheren Zustand waren als die Korinther.
Auf dieselbe Weise kann man jetzt unter den Kindern Gottes das finden, was der Prüfung Abrahams oder Lots entspricht. Gerade Lot, der unter den Bösen in den Städten der Ebene wohnte, wurde von Tag zu Tag durch ihre ungerechten und gottlosen Taten geplagt. Welche ungezügelte Schlechtigkeit erfüllte die Szene, die seine allzu begehrlichen Augen zuerst anzogen! Seltsam, dass ein Gläubiger dort eine Zeit lang seine Heimat finden konnte! Abraham scheiterte, kein Zweifel; aber welch ein Gegensatz selbst zwischen dem Versagen Abrahams und Lots! Als Letzterer durch Unachtsamkeit in eine Sünde fiel, die den Weg zu Schlimmerem ebnete, war das nicht nur ein schmerzlicher Makel, sondern die Folgen davon blieben dem Volk Gottes auf ewig als Widersacher. Aus den traurigen Umständen, in denen sein Leben endete, sehen wir ein schändliches Ergebnis und eine beständige Bedrängnis. In der Tat wird das Israel Gottes dies noch in den letzten Tagen beweisen. Andererseits hatte Abraham seine Prüfungen und Versäumnisse, und sicherlich hat der Herr sie in seiner gerechten Regierung bemerkt und zurechtgewiesen. Aber obwohl dies zeigt, dass es im Menschen nichts gibt, was Gottes würdig ist, dass nichts Gutes im natürlichen Menschen wohnt, auch nicht in einem Gläubigen, dass das Fleisch fleischlich ist, bei wem auch immer, so sagt uns doch der Charakter von Abrahams Ausrutschern und Untreue, dass er in einem ganz anderen geistlichen Zustand war als sein Neffe Lot.
Genauso war es in gewisser Weise bei den Korinthern und den Philippern. Bei Letzteren fehlte es an Einheit, an Urteilskraft und Einsicht, aber sie waren vom Eifer des Geistes erfüllt; sie wünschten ernsthaft die Verbreitung des Evangeliums und das Wohl des Volkes Gottes. So gibt es auch dort, wo der Dienst des Herrn der herausragende Gedanke ist, immer Raum für das Wirken des Fleisches. Es gibt nichts Besseres, als Christus selbst zum Ziel zu haben. Paulus kannte das und lebte darin und er wünschte, dass sie es besser wüssten. Der Dienst lässt Raum für den menschlichen Verstand, die Gefühle und die Energie. Es besteht die Gefahr, dass wir uns zu sehr mit dem beschäftigen, was wir tun oder was wir erleiden. Dahinter lauern auch die Gefahren des Vergleichens und damit des Neids, der Selbstsucht und des Streits.
Wie eindrucksvoll der Apostel in Philipper 1 sein Empfinden angesichts einer viel tieferen, umfassenderen und schmerzlicheren Erfahrung vor Augen stellte, haben wir bereits gesehen. Es scheint, dass etwas von dieser Art bei den Philippern vorhanden war. Dementsprechend deutet er ihnen hier an, dass es etwas gab, das notwendig war, um seine Freude zu vervollständigen. Er möchte, dass sie eines Sinnes sind, und zwar nicht in den gleichen Vorstellungen, sondern in der gleichen Liebe, in der Einheit der Seele, die eine Sache im Sinn hat. Sein eigener Geist erfreute sich zunehmend an Christus. Die Erde und die Menschen auf ihr waren eine sehr kleine Sache vor seinen Augen; die Gedanken des Himmels waren alles für ihn, so dass er sagen konnte: „Denn das Leben ist für mich Christus.“ Das machte sein Herz empfindsam für sie, denn es gab etwas, was ihnen an Christus fehlte, einige Dinge in ihnen außer Ihm. Er wünscht sich völlige Freude bei ihnen.