Der Geist Gottes gibt den Herzen, die durch den Glauben geläutert sind, einen gemeinsamen Gegenstand, eben Christus. Was er in ihnen erkannt hatte, machte ihn umso einfühlsamer für das, was in diesen Gläubigen mangelhaft war. Deshalb wendet er in seinem Brief viel auf, was er vielleicht zurückgehalten hätte, wenn er an andere geschrieben hätte. In einer Versammlung, in der es vieles gab, was Gott entehrte, wäre es nutzlos, jede Einzelheit zu beachten. Die Weisheit würde die Gnade Christi auf die überwältigenden Übel anwenden, die ins Auge fielen; geringere Dinge würden übrigbleiben, um später durch dieselbe Kraft beseitigt zu werden. Aber wenn man an Gläubige schreibt, die sich in einem verhältnismäßig guten Zustand befinden, gewinnt sogar ein kleiner Fleck in den Gedanken des Geistes an Bedeutung. Es gab etwas, das sie tun oder beheben konnten, um den Kelch der Freude des Apostels zu füllen. Wie gern würde er hören, dass sie in der Einheit des Geistes leuchteten! Er besaß und empfand ihre Liebe; wenn sie doch gegenseitig diese pflegten! Wie könnten sie darin zunehmen, noch mehr gleichgesinnt zu sein? Wenn der Sinn auf eine Sache gerichtet wäre, würden sie alle gleichgesinnt sein. Gott hat ein Ziel für seine Heiligen, und dieses Ziel ist Christus. Bei Paulus war jedes Ziel, jede Pflicht Ihm untergeordnet; wie es im nächsten Kapitel heißt, „eins aber tue ich“; so wollte er hier diesen einen, gemeinsamen Geist in den Gläubigen in Philippi bewirken.
Dann berührt er das, wovor sie sich hüten mussten.
... nichts aus Streitsucht oder eitlem Ruhm tuend (2,3a),
Es ist demütigend, aber nur zu wahr, dass das Prinzip des gröbsten Übels draußen wirkt, sogar unter den Heiligen Gottes. Die Spuren mögen so schwach sein, dass niemand außer dem Auge eines Apostels sie wahrnehmen könnte. Aber Gott befähigte seinen Diener, in ihnen zu erkennen, was nicht von Christus war. Daher stellt er ihnen die Gefahren vor Augen, die darin bestehen, sich gegenseitig zu bekämpfen und sich selbst zu verherrlichen. Oh, wie leicht schleichen sich Streit und Eitelkeit ein und besudeln den Dienst Gottes! Das Kapitel zuvor hatte gezeigt, wie einige an anderer Stelle die Fesseln des Apostels ausnutzten, um Christus aus Neid und Streit zu predigen. Und dort hatte er durch den Glauben triumphiert und konnte sich freuen, dass trotzdem Christus gepredigt wurde. Nun warnt er die geliebten Philipper vor etwas Ähnlichem in ihrer Mitte. Das Prinzip war da, und er versäumt nicht, es ihnen ans Herz zu legen.
Wie ist der Geist der Opposition und der Selbsterhöhung zu überwinden? sondern in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst (2,3b);
Was für ein erhebender Gedanke! Und wie offensichtlich göttlich! Wie könnte Streit oder Eitelkeit daneben bestehen? Wenn man an sich selbst denkt, möchte Gott, dass man unsere eigenen erstaunlichen Unzulänglichkeiten empfindet. Solche schönen und himmlischen Vorrechte in Christus zu haben, von ihm geliebt zu werden, und dennoch so armselige Gegenleistungen zu erbringen, von denen sogar unser Herz weiß, dass sie seiner völlig unwürdig sind, ist unsere bittere Erfahrung in Bezug auf uns selbst. Wenn wir dagegen auf den anderen sehen, können wir nicht nur leicht fühlen, wie gesegnet Christus für ihn ist und wie treu seine Güte ist, sondern die Liebe führt uns dazu, Fehler zuzudecken, das zu sehen und vor Augen zu halten, was an den Gläubigen lieblich und gut ist – wenn es irgendeine Tugend und irgendein Lob gibt, an diese Dinge zu denken. Dies scheint der Ermahnung zugrundezuliegen, und es ist offensichtlich, dass sie dadurch zu einer einfachen und glücklichen Pflicht wird. „Sondern in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst“ (V. 3).
Kurz gesagt, sie wird einerseits durch das Bewusstsein unseres eigenen Segens durch die Gnade in Gegenwart unserer armseligen Antwort darauf in Herz und Weg gutgemacht; und andererseits durch die dankbare Erkenntnis eines anderen, der als Gegenstand der zärtlichen Liebe des Herrn und all ihrer Früchte angesehen wird, ohne den Gedanken an Nachteile. Der Herr möchte nicht, dass wir an das Schlechte denken, sondern an das, was Christus für sie und in ihnen ist. Denn hier geht es nicht um Zucht, sondern um den normalen, glücklichen Zustand der Kinder Gottes. Gewiss bestand die Versammlung in Philippi aus Menschen, die voll einfältigen Ernstes die Grenzen des Reiches Christi ausdehnten und deren Herzen sich in Ihm freuten. Aber im Umgang miteinander war größere Zärtlichkeit vonnöten.