Weder das Gesetz noch die Verheißung haben jemals ein solches Feld wie dieses eröffnet. Gerade der Ruf, Gott so nachzuahmen, setzt die völlige Gnade voraus, in der wir stehen: In der Tat würde es uns andernfalls überfordern. Zweifellos ist es höchst demütigend, darüber nachzudenken, wie wenig wir seiner Aufforderung entsprochen haben; aber wenn wir sogar unsere früheren Unzulänglichkeiten zutiefst empfingen, werden diese, wenn wir seine Gnade nicht aus den Augen verlieren, zu einer wertvollen Erinnerung, wobei wir wachsen und weiter mit Ihm gehen, wenn wir uns dessen auch vielleicht kaum bewusst sind. Das Gesetz verlangte, was Gott vom Menschen forderte: Ihn und unseren Nächsten zu lieben, ist unsere schlichte und unbedingte Pflicht. Die Verheißung enthielt die Hoffnung auf einen Segen, nicht nur für Israel, sondern für alle Familien der Erde. Aber jetzt, nachdem die Verheißung missachtet und das Gesetz gebrochen wurde, hat Gott sich selbst in Christus offenbart und, während Er alles in Christus vollbrachte, höhere Ratschlüsse in unendlicher Gnade an uns weitergegeben, so dass sein eigener Charakter, der auf diese Weise offenbart wurde, zum einzig geeigneten Bild wird, in dem Er seine Kinder auch hier prägen möchte. und wandelt in Liebe, wie auch der Christus uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat als Darbringung und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch (5,2).
Einander zu vergeben, wie Gott in Christus vergeben hat, ist gesegnet. Doch das ist nicht genug, obwohl es seinem eigenen Herzen und seinen Wegen entspricht. Es ist sicherlich göttlich in seiner Quelle und unmöglich in seinem vollen Charakter und Ausmaß für das Fleisch; aber es ist wichtig im Hinblick auf den Menschen und sein Versagen und auf die Ausbrüche einer bösen Natur. Er möchte dies in uns bewirken. Es ist die Frucht seiner Gnade und höchst notwendig in einer Welt wie dieser; höchst heilsam für seine Kinder in ihrem Verkehr und Umgang miteinander. Aber sie ist weit davon entfernt, der Ausdruck all dessen zu sein, was Er ist. Er möchte, dass wir es genießen und widerspiegeln. Wo ungerichtetes Böse nicht hindert – was in gewissem Sinn nur negativ ist, wie real und schön es auch sein mag –, strömt das Gute nach seinem Herzen aus. Hier aber ist alles positiv, gleichsam frisch fließend und übersteigt menschliches Denken. Daher heißt es: „wandelt in Liebe, wie auch der Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat“. Wenn wir auch nur den geringsten Trost von Gott oder Hoffnung auf Erlösung vom Zorn und auf die Glückseligkeit im Jenseits haben wollten brauchten wir notwendigerweise Vergebung. Sie war natürlich Gnade, Gnade Gottes, aber für die Not des Menschen gedacht, wenn auch nicht durch sie bedingt. Doch jetzt stehen wir auf der neuen Grundlage der Erhabenheit Christi, wo Er das ausführt, was der Natur Gottes in seiner Wirksamkeit entspricht. Daher ist es nicht das Sündopfer, auf das hier angespielt wird, noch ist es einfach das Blut oder sind es die Leiden unseres Herrn, sondern seine Selbsthingabe für uns in unvergleichlicher Liebe, „als Darbringung und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch“.
Man würde sich bei einem solchen Thema nicht irren und auch nicht einen Augenblick die Gewissheit abschwächen, dass nur in den Leiden des Herrn am Kreuz die Tiefen zu finden sind; aber diese werden und können nicht als Beispiel für uns dienen, weil sie sich ausschließlich auf Ihn beziehen, der unsere Sünden an seinem eigenen Leib trug und für uns zur Sünde gemacht wurde. Dort war Er im Gericht Gottes, das kein Mensch, kein Engel, kein Geschöpf und keine neue Kreatur mit Ihm teilen konnte. Doch dadurch wurde das Geschöpf gesegnet und mit dankbarer, anbetungsvoller Freude an Ihm erfüllt. Er allein war dort, nicht nur für uns, sondern zur Ehre Gottes, der Gegenstand des Zorns Gottes, den Er gegen die Sünde empfand und ausführen musste. Aber hier geht es um das, was die bewundernswerte Liebe Christi in all ihrem Wohlgeruch und ihrer Schönheit hervorhebt. Durch die Kraft des Heiligen Geistes können wir durch die neue Natur in den Gläubigen eine Antwort darauf geben; denn in der Tat ist Christus unser Leben, und welche Grenzen gibt es für die Kraft des Geistes, der in uns wohnt? Die Liebe führt zum Dienst in Selbstverleugnung, ob in Ihm vollkommen, oder in uns nach unserem Maß; aber sicher gibt und formt sie die Gesinnung des Dienens, wie wir das in unserem Herrn sehen (Phil 2).