Aber, wie in den vorhergehenden Versen bemerkt haben, reicht die bloße Enthaltsamkeit vom Verstand und vom Wirken des Fleisches nicht aus. Es gibt das Wirken des Guten in Christus, dem zweiten Menschen, und das bringt der Geist im Christen hervor und fordert es auch. Deshalb wird hinzugefügt:
Seid aber zueinander gütig, mitleidig, einander vergebend, wie auch Gott in Christus euch vergeben hat (4,32).
Es geht also eindeutig darum, Gnade zu erweisen; und das Muster von allem ist Gott in Christus, nicht das Gesetz, das heilig, gerecht und gut ist, wie das Gebot. Aber so gut das Gesetz auch war und ist, Christus ist das Beste von allem, der echte und einzige Abdruck und vollkommene Ausdruck dessen, was Gott ist. Wir, die wir mit Christus gestorben sind, stehen nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade, die uns durch die Kraft des Geistes nach ihrem eigenen Charakter stärkt und die Gemeinschaft mit dem schenkt, der ihre Quelle ist, und überlassen es dem Gesetz, mit den Bösen zu handeln, wie der Apostel ausdrücklich erklärt (1Tim 1).
Manche sprechen von Gott als unserem versöhnten Vater. Sie sagen auch, dass Christus gestorben ist, um Ihn mit uns zu versöhnen.“ Die Versöhnung war zweifelsohne notwendig, die Sühnung unserer Sünden durch das Blut Christi. Es heißt jedoch: „um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Ungerechtigkeiten willen zerschlagen“ (Jes 53,5). Aber Gott war in Christus, uns mit sich selbst versöhnend; wir ‒ nicht Er ‒ sind es, „die jetzt die Versöhnung empfangen haben.“ ‒ „Und euch, die ihr einst entfremdet und Feinde wart nach der Gesinnung in den bösen Werken, hat er aber nun versöhnt in dem Leib seines Fleisches durch den Tod“ (Kol 1,21). Das ist die einheitliche Lehre der Heiligen Schrift. Wie erhaben wird alles an seinen Platz gestellt und dort gehalten! Das Sühnopfer ist die Sicht des Werkes Christi, die auf Gott gerichtet ist, um die Sünde wegzutun, indem Er das göttliche Gericht darüber in seiner eigenen Person ertrug. Die Versöhnung dagegen ist auf uns gerichtet, um uns in Christus zu Gott zurückzubringen. Beides ist völlig wahr; dies zu verwechseln bedeutet, viel zu verlieren und alles zu schwächen; und was noch schlimmer ist, es bedeutet, den Charakter Gottes mehr oder weniger falsch darzustellen, als ob Er durch Christus von einem zornigen Richter zu einem liebenden Vater geworden wäre. Gott ist Liebe, so wahrhaftig wie Er Licht ist. Es ist das, was Er ist, nicht das, was Er gemacht hat.
Eph 5,1
Was für ein mächtiger Grundsatz tut sich hier für die Gläubigen auf!
Seid nun Nachahmer Gottes, als geliebte Kinder (5,1).
Welche Grenzen kann es geben, wenn wir aufgefordert werden, Gott selbst nachzuahmen? Es ist auch keineswegs mehr ein Anspruch an den Menschen, der in eigener Verantwortung als Geschöpf vor Gott steht, wie es das Gesetz war. Gott hat sich in Gnade offenbart; dennoch ist Er Gott und kein anderer; und wenn Er uns seine eigene Natur mitgeteilt hat, gibt es keinen geringeren, niedrigeren Standard. Es würde Ihn selbst und die Gnade, die Er uns gezeigt hat, entehren, und zwar in dem Maß, wie es die bisherigen Teile dieses Briefes gezeigt haben. Es wäre auch der schmerzlichste Verlust für seine geliebten Kinder, die Er sogar in dieser Umgebung des Bösen und des Leides noch mehr und mehr erziehen und segnen würde, indem Er die widrigsten Umstände in eine Gelegenheit verwandelt, uns zu lehren, was Er in den Tiefen seiner Gnade ist, und uns mit dem Sinn dafür zu erfüllen, um unsere Herzen zu formen und unsere Wege zu gestalten, während wir uns selbst vergessen und über unsere eigenen Gewohnheiten und die Gepflogenheiten der Menschen in der Wahrheit Christi leben.