Wir sehen also in diesen Versen die himmlische Quelle des Dienstes. Es ist keine Stellung, die aus Gottes Sicht Bedeutung in der Welt verleiht. Der Arbeiter, das wissen wir alle, ist seines Lohnes wert. Aber sehen wir nicht, dass der Apostel Paulus den Anspruch, den ihm das Evangelium verlieh, zu dessen Unterstützung verwendete? Er wollte nicht, dass jemand seinen Ruhm zunichtemachen würde und dass das in den Hintergrund geriet; denn obwohl er das Recht dazu hatte, zog er es vor, mit seinen eigenen Händen zu arbeiten, als anderen zur Last zu fallen. Und das ist die wunderbare Freiheit der Gnade: Unter ihr gibt es nichts, was wir nicht tun können, außer der Sünde. Aber obwohl alle Dinge rechtmäßig sind, sind sie nicht alle zweckmäßig; und zweifellos geschah es in der Weisheit Gottes, dass der große Apostel tat, was viele Diener Christi sich schämen würden zu tun. Was für ein furchtbares Abweichen vom ganzen Geist wie auch vom Buchstaben des Christentums ist das! Wie vollständig ist die Veränderung des Charakters des Evangeliums, dass Menschen – Protestanten oder Katholiken, Kirchenmänner oder Dissidenten, Presbyterianer oder Methodisten – das, was der Stolz des Apostels war, gleichermaßen als Schandfleck und tadelnswert betrachten sollten? In seinem Verhalten steckte ein wichtiger Grundsatz. Er erhielt eine Gabe von den Philippern; Hilfe wurde ihm sowohl ins Gefängnis als auch außerhalb zugesandt. Er wünschte Frucht, die den Gläubigen reichlich zugutekäme. Wenn der Apostel nicht gelegentlich etwas von ihnen empfangen hätte, wäre es ein Verlust für sie gewesen. Das Christentum bedeutet nicht, dass die Gläubigen das, was sie Gott verdanken und was die Gnade gern für alle und jeden tut, für sich selbst verwenden sollten. Aber der Apostel hat nie so gehandelt, dass man sagen könnte, er habe sich selbst mit dem Evangelium gedient, oder dass die Gläubigen ihm gleichgültig waren. Gott sorgte dafür, dass es bei Paulus so war. Bei den kleineren Gaben hätte die Gefahr bestanden, sie zu verachten. Aber das gnädige Bemühen des Apostels war, die Geringeren aufrechtzuhalten; die Bedeutenderen bedurften ebenfalls seines reichlichen Schutzes. Wo aber jemand sich dem Dienst am Evangelium hingab, da achtete der Apostel mit größter Sorgfalt darauf, dass er seinen Anspruch auf ein Leben aus dem Evangelium bekräftigt. Die, die so leben, sollen darauf achten, dass sie damit dem Herrn Christus dienen.
Und er hat die einen gegeben als Apostel und andere als Propheten und andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer (4,11).
Ich verstehe, dass die Apostel und Propheten eindeutig das sind, was man die Gründungsgaben nennen könnte, solche, die Gott zu dem Zweck benutzte, eine breite und tiefe Grundlage zu legen, auf der die Versammlung gebaut werden sollte. Dies geschah durch die, die Gott in besonderer Weise bevollmächtigte. Die Apostel und Propheten waren die beiden Gaben, die zuerst als Werkzeuge im Blick auf die Berufung der Versammlung Gottes einsetzt wurden. Evangelisten waren von Anfang an am Werk, bald darauf auch Hirten. Aber die ersten beiden, Apostel und Propheten, wurden in ihrer vollen Kraft für die ursprüngliche Errichtung der Versammlung Gottes gebraucht. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass Apostel und Propheten im strengen Sinn dazu bestimmt waren, fortzubestehen, oder dies tatsächlich tun, obwohl etwas, das einem Apostel entspricht, zu passenden Zeiten erweckt werden kann. Nimm zum Beispiel Luther. Es gab eine teilweise Rückbesinnung der Heiligen Gottes im Allgemeinen auf die grundlegende Wahrheit, die lange aus den Augen verloren worden war. Das entspricht in gewissem Maß dem, was ein Apostel tat. Ein Prophet wiederum war jemand, der nicht nur die Heilige Schrift auslegte, sondern die Wahrheit so verkündete, dass die Menschen unmittelbar mit Gott in Verbindung gebracht wurden.
Ganz am Anfang traten Männer Gottes auf, die weder Apostel noch notwendigerweise inspirierte Verkünder der Wahrheit waren, wie Markus und Lukas, sondern Propheten, wie Judas und Silas (Apg 15,32). Die Schriften waren nicht alle geschrieben, als die Versammlung begann, noch waren die Apostel überall. Deshalb hat Gott Propheten erweckt, die, zumindest in bestimmten Fällen, das Mittel der Offenbarung waren. Und warum haben wir jetzt keine solchen Mittel? Weil die Offenbarung vollständig ist: Wir haben das Wort Gottes und wollen kein weiteres Wort. Jetzt eine weitere Offenbarung anzunehmen, hieße, das, was wir haben, zu beeinträchtigen; so dass das Bedürfnis nach diesen Propheten im höchsten Sinn mit dem Kanon der Schrift abgeschlossen ist. In einem untergeordneten Sinn wäre das, was dem fraglichen prophetischen Werk entsprechen würde, die Wiederbelebung der Wahrheit und das kraftvolle Wirken auf die Gläubigen im Allgemeinen durch die Erinnerung an das, was einst offenbart wurde, aber völlig verdunstet ist.
Nehmen wir zum Beispiel den Hauptpunkt des Kommens des Herrn als die Hoffnung der Versammlung. Diese Wahrheit hat eine lange und fast völlige Finsternis erlitten. In unseren Tagen ist sie mit einem gewissen Maß an Kraft von Gott wieder hervorgeleuchtet. In welcher Schrift seit den Tagen der Apostel findest du das Wesen und die Berufung der Versammlung dargelegt? Wo die Entfaltung der Hoffnung der Versammlung – das Kommen des Herrn, um die Versammlung zu entrücken und ihr einen himmlischen Platz zu geben? Diese Wahrheiten waren dem Bewusstsein der Menschen entglitten, bis sie in den letzten dreißig oder vierzig Jahren wiedergefunden wurden. Die Rechtfertigung durch den Glauben war teilweise durch Augustinus und Bernhard von Clairvaux (1090‒1153) bekanntgeworden. Die Waldenser besaßen einen großen Glauben, aber keine klare Lehre. Aber das Wesen der Versammlung als Leib Christi und der Charakter der Hoffnung des Christen waren, soweit ich weiß, am meisten aus den Augen verloren. Sie waren aus der Versammlung verschwunden. Und es scheint mir, dass die Wiederentdeckung dieser Wahrheiten in diesem Punkt prophetischer Arbeit ähnelt, obwohl man zögern könnte, jemanden, der in dieser Arbeit tätig wird, entweder einen Apostel oder einen Propheten zu nennen.
Wenn wir zur nächsten Gruppe der Gaben kommen, nämlich „Evangelisten, Hirten und Lehrer“, ist es klar, dass wir diese im gegenwärtigen zerbrochenen Zustand immer noch am Werk haben, mehr oder weniger, und nicht auf diese oder jene Gläubigen beschränkt, sondern überall verteilt, wie es dem Herrn gefällt. Die Menschen verwechseln im Allgemeinen den Dienst mit den örtlichen Aufgaben. Es mag gesagt werden, dass ich einen Teil der Schrift überlesen habe – die Apostel legten den Ältesten die Hände auf und so weiter. Mit der vollständigsten Erinnerung daran, möchte ich sagen, dass Älteste nicht dasselbe sind wie Gaben. Der Dienst ist die Ausübung einer Gabe, die Christus gibt; Älteste wurden von Menschen eingesetzt, aber nie außer von Aposteln oder durch die Apostel beauftragten Dienern, wie Titus es war. Wie stehen wir jetzt in Bezug auf diese Frage? Wo sind die Männer, die ordnungsgemäß bevollmächtigt sind, heute Älteste zu ernennen? Weißt du besser als ich, wo sie zu finden sind? Zweifellos gibt es Menschen, die sich das Recht der Ernennung anmaßen, aber die Anmaßung macht ihre Ernennung nicht gültig. In zivilen Dingen, wenn ein Mann einen anderen zu einem Richter ernennen würde, ohne die volle Autorität dafür zu haben, würde er Gefahr laufen, schwer bestraft zu werden. Ist es möglich, dass in den Dingen Gottes die Einmischung in die Autorität unseres Herrn von geringerer Bedeutung ist? Es ist nicht so, dass einige Gemeinschaften Apostel haben und andere nicht, denn niemand hat sie mehr als eine anderer. Ich sehe nicht, dass viel gewonnen wird, wenn man sich anmaßt, die Arbeit eines Apostels zu tun, obwohl es nur eine Anmaßung ist. Es ist sicherlich bescheidener, sich nicht auf apostolische Tätigkeiten zu berufen, wenn wir keine Apostel sind. Wir können nicht erlaubterweise Älteste einsetzen, weil wir dafür apostolische Autorität brauchen. Ist es nicht am besten, im Einklang mit der Demut, die uns zusteht, innerhalb der Grenzen unserer Kräfte zu bleiben? Ich sehe nicht, dass irgendjemand, der lebt, berechtigt ist, Älteste zu wählen oder irgendetwas anderes in der Art, weil es weder einen Apostel noch einen von Aposteln eingesetzten Mann gibt, der vom Herrn zu diesem Zweck beauftragt ist. Wenn Menschen sich anmaßen, jemanden zu ernennen, sollten sie ihre Befähigung dazu beweisen.
Aber Dienst und Ältestenschaft sind nicht dasselbe; sie werden fast immer verwechselt, aber sie unterscheiden sich völlig. Diese beiden Dinge finden sich in der Schrift: örtliche Beauftragungen, die ordnungsgemäß von Aposteln oder ihren Beauftragten eingesetzt wurden, und Gaben des Dienstes, die niemals einer menschlichen Beglaubigung bedurften. In der Schrift wurde niemals eine Person zum Apostel erwählt oder zum Propheten oder Evangelisten berufen, außer durch Christus. Genauso war es mit Hirten und Lehrern, wie wir in unserem Kapitel sehen. Und warum sollte es nicht immer noch so sein? Christus hat sein Amt nicht aufgegeben. Es ist daher sein Vorrecht, Hirten, Evangelisten, Lehrer und so weiter zu berufen und zu geben. Aber es gibt noch ein anderes Prinzip, das ganz anders ist als das, das mit diesen Gaben zusammenhängt, nämlich dass Christus die Apostel dazu ermächtigte, mit Autorität zu handeln. Kraft dessen ernannten sie Personen zu Ältesten oder Diakonen, je nachdem, was erforderlich war. Wir können nicht tun, was die Apostel taten, wenn wir nicht mit der gleichen Autorität bekleidet sind. Doch wir haben Christus, der immer der unmittelbare Geber der Ämter bleibt: Das ist immer wahr. Die Gabe hängt nicht von den Aposteln oder der Versammlung ab, und das war nie der Fall, sondern von Christus; und deshalb kann das nicht enden. Aber da die Ernennung von Ältesten nach der Schrift von den Aposteln abhing, und da es jetzt keine Apostel gibt, ist die rechtmäßige Autorität, Älteste zu ernennen, notwendigerweise und offensichtlich zu Ende. Die Schrift mag das Fortbestehen der Gabe andeuten, aber nicht die Vollmacht zur Ernennung. Älteste, oder vielmehr Beamte, der verschiedenen religiösen Körperschaften gibt es zuhauf; aber was ist ihre Ernennung (ich sage nicht ihre Gabe) wert? Möge jeder, der die Bibel kennt, sagen, ob ich diese bedeutende Angelegenheit nach dem Wort Gottes richtig darstelle.
Die Frage, die sich uns jetzt stellt, ist also: Führen wir den Willen Gottes aus? Viele haben die Vorstellung, dass es irgendeinen besonderen Wert in einem menschlichen Ordinationsritus gibt, der jemanden zu einem Diener macht. Aber in den Tagen der Apostel selbst dachte niemand daran, zum Predigen des Evangeliums ernannt zu werden. Wenn ein Mensch predigen konnte, war er verpflichtet, es zu tun; wenn er es nicht tat, war er wie der faule Knecht, der sein Talent verbarg (Mt 25). Wenn ein Mensch sich darauf beruft, ein Recht zu haben, zu predigen oder in der Versammlung zu sprechen, kann man ihm dieses Recht getrost absprechen. Niemand außer Gott hat das Recht, der Welt eine Frohe Botschaft zu verkünden oder zu seiner Versammlung zu sprechen, durch wen Er will. Er kann also Menschen berufen und sie einsetzen, den einen, um dieses Werk zu tun, den anderen, um jenes Werk zu tun. Und hier entsteht die erforschende Frage: Wird der Herr ehrlich und gründlich als das Haupt über seine eigene Versammlung anerkannt? Bei einer Gabe, die zurecht so genannt wird, geht es nicht darum, dass Menschen Männer ernennen, sondern darum, ob Christus das Haupt seiner eigenen Versammlung sein darf. Deshalb können wir nicht anerkennen, dass es Sache der Versammlung ist, Diener des Wortes zu ernennen. Die Versammlung ist nicht mein Herr, sondern Christus; und wir sollten niemals die Versammlung an die Stelle Christi setzen. Dies war eine der wichtigsten und boshaftesten Quellen des Papsttums.
Daraus folgt, dass wir jeden, den der Herr beruft, anerkennen sollen. Wenn ein Mann die Wahrheit in dieser oder jener Gruppe predigt, soll ich den Diener Christi nicht ignorieren, sondern überall anerkennen. Jemand mag die Wahrheit nicht sorgfältig auslegen; aber in allen Fällen sind es nicht die Brüder, sondern Christus, der die Gaben gibt. Aber folgt daraus, dass ich zur Messe gehen soll, auch wenn ein römischer Priester ein gewisses Maß an Wahrheit predigt? Ich muss prüfen, ob der, der noch so sehr ein Diener Christi sein mag, in dieser Sache den Willen Gottes tut. Wir sind nicht berufen, diesem oder jenem zu folgen, es sei denn, sie folgen Christus. Wir sind berufen, den Willen Gottes zu tun; „wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit“ (1Joh 2,17). Nichts kann also einfacher sein als der Weg des Christen. Er soll die Diener Christi an ihrem Platz schätzen, aber nicht unbedingt alles, was sie tun, es sei denn, es ist nach dem Willen Gottes. Aber heißt es nicht, dass wir denen gehorchen sollen, die uns vorstehen? Ja, und es ist so wahr, wie es immer war. Aber angenommen, du bist zu Gott bekehrt und es gibt einen katholischen Priester, der sagt, dass du denen gehorchen musst, die die Herrschaft über dich haben, und dass du diese Herrschaft anerkennen sollst, muss ich dann nicht fragen, was er meint und wozu er den Text benutzt? Ist es, um mich zu veranlassen, Gott nicht zu gehorchen? Wenn ja, muss ich dann nicht sagen: Ich muss Gott mehr gehorchen als den Menschen? So zeigt sich immer ein Weg für den Heiligen Gottes, der seinen Willen tun will, und dieser Weg ist einfach Gehorsam. Er mag manchmal die Form dessen annehmen, was irrende oder eigenwillige Menschen als Ungehorsam bezeichnen; aber mit Sicherheit wird es der Gehorsam gegenüber Gott sein und nicht gegenüber dem Menschen. Nichts kann uns von der positiven, unveränderlichen Pflicht entbinden, Gott zu gehorchen.
Dies wird zeigen, dass, was auch immer der Wert des Dienstes sein mag, er nie dazu gedacht war, die Kinder Gottes zu binden und zu einer Frage der bloßen blinden Duldung zu machen. Der Dienst, wo er wahrhaftig ist, zeigt, was der Wille Gottes ist, wo immer es ein einfältiges Verständnis gibt. Er legt die Wahrheit in einer so überzeugenden Weise dar, dass das Gewissen ins Licht gebracht wird und er seine Verantwortung empfindet, diesem Licht zu folgen. Wenn du eine Sache tust, nur weil ein Diener Gottes es sagt, ist Einfluss am Werk und nicht die Kraft des Geistes Gottes. Christlicher Gehorsam ist weder der Blinde, der den Blinden führt, noch der Sehende, der den Blinden führt; sondern der Sehende führt den Sehenden. Jeder Gläubige hat im Geist die Kraft, die Gedanken Gottes für sich selbst zu erkennen; und wer von Gott dazu berufen ist, andere zu leiten, wird in der Regel befähigt sein, die Gedanken Gottes dem Gewissen so klar vorzustellen, dass die Einfältigen sie nicht anders erkennen können. Aber lasst uns daran denken, dass es für jeden ernst ist, die Wahrheit zu erkennen und ihr nicht zu folgen: „Wer nun weiß, Gutes zu tun, und tut es nicht, dem ist es Sünde“ (Jak 4,17).
Ich habe bereits erklärt, dass die ersten beiden dieser Gaben, die uns in Vers 11 vorgestellt werden, das Ziel haben, ein neues Werk und Zeugnis zu schaffen. Sie waren dazu bestimmt und dazu eingesetzt, ein Fundament für dieses, vorher unbekannte Gebäude, zu legen, die Versammlung, die aus Juden und Heiden in eins versammelt ist, im Bekenntnis zu Jesus, dem Sohn Gottes. Die Apostel wurden nicht nur wie die Propheten eingesetzt, als inspirierte Übermittler der Gedanken Gottes, die vorher nicht offenbart worden waren, sondern auch mit Autorität im Namen des Herrn ausgestattet. Daher gab es eine kompetente leitende Macht sowie ein sicheres Mittel der Kommunikation von Gott zu den Menschen. Die Propheten hatten nichts mit der Regierung im eigentlichen Sinn zu tun. Sie traten nicht als bevollmächtigte Vertreter auf (1Kor 4,11; 2Kor 12 und 13), noch legten sie hier und da Anordnungen zur Regelung der Versammlung fest, wie es die Apostel taten (siehe 1Kor 7,17).
Nichtsdestoweniger wurde der Prophet in einer Sache eingesetzt, die von großer Bedeutung war: Er brachte direkt und unmittelbar von Gott eine Wahrheit, die bis dahin noch nie bekannt oder gar offenbart worden war. Sie waren daher in ganz besonderer Weise mit der Offenbarung der Wahrheit verbunden, sei es durch das mündliche Wort oder durch Schriften; und das ist die Bedeutung von Römer 16,26. Jeder, der in der Lage ist, die Sprache zu untersuchen, die der Heilige Geist verwendet hat, wird sehen, dass der Ausdruck nicht streng die Schriften der Propheten, sondern prophetische Schriften ist. Diese beziehen sich ausschließlich auf die neutestamentlichen Schriften, die nicht alle von Aposteln geschrieben wurden. Zwei der Evangelien wurden nicht von Aposteln verfasst, aber sie sind genauso inspiriert, als ob sie es wären. Das gilt auch für die mündliche Unterweisung, die in den apostolischen Tagen gegeben wurde. Denn die Versammlung begann, bevor irgendein Teil des Neuen Testaments geschrieben wurde. Der Missbrauch dieser Tatsache ist ein Lieblingsargument derer, die für eine Art von Inspiration in der Kirche eintreten. Sie bestehen darauf, dass die Heilige Schrift nicht so wesentlich ist, wie wir es behaupten. Aber ich antworte: Wenn die Versammlung am Anfang die Anwesenheit inspirierter Männer hatte, so hatte sie danach die heilige Hinterlassenschaft der Apostel und Propheten, die unter dem vollkommenen Schutz des Geistes Gottes niedergeschrieben wurde. Hier haben wir also den einzigen Maßstab der göttlichen Wahrheit: Das Alte Testament ist die ursprüngliche Offenbarung Gottes, wie sie Israel gegeben wurde. Das Neue Testament ist die Ergänzung seiner Wahrheit, die für die Versammlung notwendig ist. Aber bevor der Kanon der Heiligen Schrift abgeschlossen oder auch nur begonnen wurde, ist es offensichtlich, dass eine Gruppe von Männern erforderlich war, die den Geist Gottes in den aufkommenden Schwierigkeiten der Versammlung zum Ausdruck bringen sollten. Dies wurde durch die Apostel und Propheten erfüllt. Es scheint, dass es unter den Gläubigen in Korinth solche Personen als Propheten gab.
Daher haben wir ein bemerkenswertes Wort in 1. Korinther 14, auf das ich kurz hinweisen möchte. Der Geist Gottes hat dort als Regel festgelegt (V. 29), dass, wenn jemand in der Versammlung auf gewöhnliche Weise spricht und einem anderen eine Offenbarung gegeben wird, dieser berechtigt ist, ersteren zu unterbrechen und die Offenbarung weiterzugeben. Man mag entgegnen: Angenommen, ihr hättet jetzt so etwas, dann würde es Verwirrung geben. Aber ich antworte: Gott gibt jetzt keine neuen Offenbarungen mehr. Solange der Zustand der Dinge andauerte, in dem die volle Entfaltung der Gedanken Gottes nicht gegeben war, und solange es diese inspirierten Personen auf der Erde gab, behielt Gott sich ein Recht vor, sogar eine Person durch eine Mitteilung einer neuen Wahrheit von Ihm selbst zu unterbrechen. Aber wenn sich jetzt jemand auf eine neue Offenbarung von Gott berufen würde, würde er sich nur selbst täuschen, wenn nicht gar als Betrüger erweisen. Wir haben die vollständige Mitteilung und die Gesamtheit der Gedanken Gottes, jetzt, da diese inspirierten Personen verstorben sind. So stützt sich die Versammlung nicht auf Apostel und Propheten, sondern auf das geschriebene Wort Gottes als Kriterium. Natürlich gibt es die gewöhnlicheren Mittel, die der Geist Gottes damals benutzte und immer noch benutzt – Gaben, die genauso wirklich sind wie Apostel und Propheten, aber nicht denselben autoritativen Charakter im Handeln haben wie die Apostel und auch nicht den Anspruch haben, neue Offenbarungen zu übermitteln wie die Propheten. Im Vergleich zu diesen ist nun alles untergeordnet. Welches Maß an Autorität auch immer gegenwärtig vorhanden sein mag, muss sich in seinem Charakter und Zweck als von Gott stammend erweisen; und jemand darf nicht vorgeben, eine neue Offenbarung des göttlichen Geistes zu haben, sondern der richtige Gebrauch oder die Anwendung dessen, was bereits gegeben wurde.
Auf der anderen Seite werden die Gaben, die der Heilige Geist immer noch zum Wohl der Versammlung erweckt, hier Evangelisten, Hirten und Lehrer genannt. Dies sind nicht die einzigen Gaben, die es gibt, denn die Schrift gibt an keiner einzigen Stelle, wie die Menschen es gern hätten, eine vollständige Aufzählung aller Gaben. Wir müssen die ganze Schrift untersuchen. Und es ist für uns eine heilsame, gesegnete Sache, dass wir niemals etwas Vollständiges aus dem Wort Gottes finden können, wenn wir nur einen bestimmten Teil davon untersuchen. Gott verlangt von uns, dass wir sein Wort durch und durch erforschen, um dessen Sinn in vollem Umfang zu erfassen. Wäre es nicht so, würden wir geneigt sein, bestimmte Teile zu bevorzugen und den Rest unbeachtet zu lassen.
Das ist der Grund, warum viele Christen einen großen Teil des Wortes Gottes praktisch vernachlässigen, als ob es nicht mehr gelten würde. Gerade zu diesem Thema des Dienstes gibt es gegenwärtig sehr viel Unwissenheit und Unglaube. Die Vorstellung ist, dass man lediglich den Verstand geheiligt hat. Nun, ich gebe zu, dass Gott verstandesmäßige Kraft gibt und formt. Das ist es, was in der Schrift „fähig“ genannt wird. Aber schau dir das Gleichnis unseres Herrn an, in dem Er genau darauf hinweist, und du wirst feststellen, dass Er zwischen „der Gabe“ und „der Fähigkeit“ unterscheidet – „Und einem gab er fünf Talente, einem anderen zwei, einem anderen eins, jedem nach seiner eigenen Fähigkeit; und sogleich reiste er außer Landes“ (Mt 25,15). Wenn Gott Menschen beruft, Ihm zu dienen, noch bevor sie sich bekehrt haben, formt Er das Gefäß für seine Zwecke. Seine Vorsehung wählt einen Menschen schon bei seiner Geburt aus, und Er ordnet alle Umstände seines späteren Lebens. Vielleicht wird er zum Priester oder zum Anwalt ausgebildet. So kannte Paulus alle Mittel der Selbstgerechtigkeit so gründlich, dass er auf die Gnade zurückgreifen und beurteilen konnte, was es ist, das die Gerechtigkeit des Menschen liebt, in ihr lebt und zu ihr führt. Seine eigene Erfahrung bewies, dass sie, selbst wenn sie bis zum höchsten Grad kultiviert wird, in direktem Widerspruch zum Herrn der Herrlichkeit steht. Dennoch hat man in Paulus einen höchst bemerkenswerten natürlichen Charakter, sowie keine gewöhnliche Ausbildung und erworbene Fähigkeit. All das war in Saulus von Tarsus durch die Vorsehung geordnet; aber außerdem wurde ihm, als er durch die Gnade Gottes berufen wurde, eine Gabe gegeben, die er vorher nicht besaß, eine Fähigkeit durch den Heiligen Geist, die Wahrheit festzuhalten und sie den Menschen verständlich zu machen. Gott wirkte durch seinen natürlichen Charakter und seine Art zu reden und seinen besonderen Schreibstil, und doch alles, obwohl es durch seine natürliche Fähigkeit begünstigt wurde, in dieser neuen Kraft des Heiligen Geistes, die ihm gegeben wurde. So gibt es diese zwei Dinge, die Fähigkeit, die das Gefäß für die Gabe ist, und die Gabe selbst, die unter dem Herrn die leitende Kraft der Fähigkeit ist. Es gibt keine Gabe ohne das Gefäß, in dem die Gabe wirkt.
Ich will noch eine weitere Bemerkung machen. In diesem Brief werden die Gaben nicht als rein geistige Kräfte betrachtet. Im Römer- und Korintherbrief werden sie als solche betrachtet, aber im Epheserbrief sind sie immer Personen. Er hat Apostel gegeben – nicht nur die apostolischen Gaben. Ich finde die Gabe der Lehre im Römerbrief und die Gabe eines Lehrers im Epheserbrief. Die beiden Wahrheiten sind vollkommen harmonisch. Es gibt einen göttlichen Grund für den Unterschied, der dieser zu sein scheint: Im Epheserbrief ist die Liebe Christi zur Versammlung der Grundton des ganzen Briefes – es ist die Fülle des Segens, den der Leib Christi, die Versammlung, kraft der Vereinigung mit dem Haupt hat. Was auf die Zuneigung der Versammlung einwirkt, ist nicht eine bloße Macht. Man kann nicht eine Kraft lieben, sondern eine Person; und eine Person, durch die die Gabe wirkt, wirkt offensichtlich auf die Zuneigung derer, zu deren Wohl sie eingesetzt wird. In dem ganzen Brief ist es Christus, und nicht (außer in Ausnahmefällen) der Geist. Im Korintherbrief steht der Heilige Geist im Vordergrund. Hier ist es Christus; und in Übereinstimmung damit haben wir diese Personen, die von Christus aus zum Wohl seines Leibes handeln. Hierin liegt ein schönes Beispiel für die Harmonie der Wahrheit Gottes. Die aktive Liebe Christi wird in diesem Brief als die Quelle allen Segens der Versammlung vorgestellt; und so ist es auch mit den persönlichen Gaben Christi, die Er selbst liebt und benutzt, um seine eigene Liebe in anderen aufrechtzuerhalten.
Der Unterschied zwischen den Evangelisten und den Hirten und Lehrern ist offensichtlich. Der Evangelist ist es, der im Allgemeinen Menschen zu Christus sammelt. Man kann sagen, dass er als Gabe entsprechend seinem Dienst umherreist; das ist nicht auf einen Ort beschränkt, sondern er ist berufen, hier und dort zu sein, wo immer der Herr ihn durch den Geist im Blick auf die Not von Menschen hinführen mag. Timotheus, der durch klerikale Taschenspielertricks in einen Erzbischof verwandelt wurde, wird in der Heiligen Schrift ein „Evangelist“ genannt. Er wurde durch Prophezeiung zu einem bestimmten Werk bestimmt, und ihm wurde durch den Apostel eine bestimmte Gabe mitgeteilt, begleitet von Ältesten. Er geht auf Befehl des Apostels an einen bestimmten Ort, um dort nach dem Rechten zu sehen. Aber weder er noch Titus waren an einen Ort gebunden, wie ein moderner Bezirksbeamter. Noch weniger war eine Nachfolgeregelung vorgesehen. Timotheus sollte das, was er von dem Apostel gehört hatte, treuen Männern anvertrauen, die fähig sein würden, auch andere zu lehren (2Tim 2,2); das heißt, der Auftrag bezieht sich auf die Weitergabe der Wahrheit, nicht auf Autorität oder besondere Ordnungen, wie die Menschen es verdrehen.
Tatsache ist, dass in jeder Versammlung, in der eine gewisse Anzahl von Gläubigen versammelt war, mehrere Aufseher eingesetzt wurden – zumindest für eine gewisse Zeit der Prüfung und Erfahrung. Sie wurden dort von einem Apostel oder einem von den Aposteln Beauftragten gewählt. Wie es eine widerrechtliche Aneignung ist, wenn begabte Einzelpersonen die Funktionen der Versammlung übernehmen, so ist es ebenso eine widerrechtliche Anmaßung eines Besitzes, wenn die Versammlung die Funktionen der einzelnen Gaben übernimmt. Natürlich ist jemand, wenn es etwas Unmoralisches im Verhalten eines Dieners Christi gäbe, genauso verantwortlich wie jeder andere, und sogar noch mehr. Die Kinder Gottes und er selbst sind verpflichtet, mit heiliger Eifersucht zu wachen, weil seine Sünde eine größere Schande und eine größere Unehre auf den Namen Christi bringen würde als ein weniger auffälliges Glied des Leibes. Aber außer in Angelegenheiten sittlicher Art soll es bei der Ausübung seines Dienstes nicht die geringste Einmischung zwischen ihm und dem Meister geben, der ihn berufen hat, Ihm zu dienen. Hierin ist die Uneinigkeit gründlich und radikal ungesund, denn die Versammlung soll einen Hirten ernennen und hat natürlich die Macht, ihn zu entlassen, wenn sie will. Das macht den Hirten zum Hirten ihrer Versammlung; aber die Schrift spricht nie, wie es jetzt alle tun, vom Hirten einer bestimmten Versammlung. Es gibt nicht so etwas wie „unseren“ und „ihren“ Hirten. Die Schrift zeigt uns, dass alle Gaben, Gaben in der Einheit des Leibes Christi sind. Wenn jemand überhaupt ein Hirte oder Lehrer ist, dann ist er als Hirte oder Lehrer in der ganzen Versammlung eingesetzt. Insofern spielt es keine Rolle, wo er sein mag; wo immer er hingeht, hat er eine Berufung, wenn er entsprechend der Schrift geht, nicht von einer Versammlung, sondern von Christus, seinen Dienst furchtlos auszuüben, natürlich in Demut, und nicht so zu tun, als ob er mehr hätte, als er hat. Denn eine Person, die mehr sein will, zerstört im Allgemeinen auch die Glaubwürdigkeit für das, was sie besitzt; und im Allgemeinen ist die Tendenz der Kinder Gottes nicht, den Dienst zu untergraben, sondern ihm einen unangemessenen Platz einzuräumen. Aber Satan, der immer darauf hinwirkt, die Mittel, dem Leib weiterzuhelfen, zu schwächen, stachelt die Gläubigen an, Vertrauen zu schenken, wo sie es nicht tun sollten, gefangen zu sein und zu untergraben, wo sie dankbar sein sollten. Alle diese Dinge müssen durch das Wort geregelt werden.
Die Gedanken der Menschen im Allgemeinen gründen sich auf das Alte Testament und nicht auf das Neue: daher die Vorstellung, dass das Amt eine Art ehrenvoller Beruf sei oder etwas, das in der Welt als Anspruch bekannt ist. Aber wenn wir einen solchen Abschnitt wie diesen oder alle anderen in den Briefen untersuchen, wird sich bald zeigen, dass es nie so etwas in der Welt Anerkanntes wie einen Apostel und so weiter gab. Sie wurden von der Welt verachtet. Petrus wurde zu seiner Zeit in der Welt nicht mehr geehrt, nachdem er Apostel geworden war, wie er es vorher war. Die Welt erkannte vielleicht, dass er Wunder tat, was eine ganz andere Sache ist. Viele fleischliche Männer haben große Wunder gewirkt.