In dem Gebet in Kapitel 1 ging es um ein tiefes und wirkliches Begreifen ihrer Stellung vor Gott; hier geht es eher um die praktische, innere Kraft durch den Heiligen Geist. Dort ging es darum, dass sie ihren Platz in Christus besser erkennen, was den Ruf der Gnade und das Erbe der Herrlichkeit betrifft; hier geht es darum, dass Christus durch den Glauben seinen Platz in ihren Herzen hat. Mit einem Wort, es geht hier um den tatsächlichen Zustand, um die Zuneigung, die Christus in sich hat, um die Verwurzelung und den Grund in der Liebe, damit sie durchaus fähig seien, das zu erfassen, was in der Tat unermesslich ist. Der Apostel sagt nicht, wovon – er lässt dich dort stehen, ohne den Satz zu beenden. Er bringt dich in die Unendlichkeit. Ich glaube nicht, dass er die Breite, Länge, Höhe und Tiefe der Liebe Christi meint. Die Stelle wird oft so zitiert und oft auch so verstanden; aber das „und“ des nächsten Verses weist deutlich auf einen anderen Sinn hin: und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, damit ihr erfüllt sein mögt zu der ganzen Fülle Gottes (3,19).
Die Liebe Christi ist offensichtlich ein zusätzlicher Gedanke. Was ist dann die Bedeutung? Wenn es nicht zu kühn wäre, einen Umriss auszufüllen, den der Apostel so unbestimmt gelassen hat, könnte ich es wagen, zu denken, dass das, was er uns hier mit so eigenartigen Zeichen von unbestimmter Größe vor Augen stellt, das Geheimnis ist, von dem er gesprochen hatte, und sicher nicht die Liebe Christi, die er unmittelbar anschließt. Er hatte gezeigt, wie jede Familie im Himmel und auf der Erde dem untersteht, der der Vater des Herrn Jesus ist. Im Zusammenhang damit betet er, dass sie mit allen Heiligen erfassen mögen, „welches die Breite und Länge und Höhe und Tiefe sei“ (V. 18). Das bezieht sich auf den himmlischen Ratschluss Gottes, des Vaters, der einst ein Geheimnis war, jetzt aber offenbart wurde. Alle Dinge waren zur Ehre seines Sohnes – die ganze Schöpfung, himmlisch und irdisch; und die Heiligen sollen mit Ihm den allerhöchsten Platz über alledem haben.
Aber es gab noch etwas Tieferes als das, und das sollten sie mit ihm zusammen erkennen. Deshalb fügt er hinzu: „und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, damit ihr erfüllt sein mögt zu der ganzen Fülle Gottes“ (V. 19). So herrlich all diese Aussichten auch sind, was kann mit seiner Liebe verglichen werden? Der beste Wein wird bis zum Schluss aufbewahrt: Die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christ zu erkennen. Es mag paradox erscheinen, das zu sagen, aber es ist erhaben. Er meint nicht, dass wir sie jemals vollkommen erkennen werden. Aber es kann sein, dass wir mehr und mehr von dem erfahren, was die Erkenntnis übersteigt. Er nimmt an, dass wir auf jenem Meer ausgesetzt sind, wo es kein Ufer gibt: Wir können niemals das Ende seiner Liebe erreichen. Und doch spricht er davon, die die Erkenntnis übersteigende Liebe Christi zu erkennen, „damit ihr erfüllt sein mögt zu der ganzen Fülle Gottes“. Man kann genauso wenig an das Ende der Liebe gelangen, wie man an das Ende Gottes selbst gelangen kann. Nichts kann wunderbarer sein als ein solcher Wunsch für uns, schwache Geschöpfe, wie wir es sind, „damit ihr erfüllt sein mögt zu der ganzen Fülle Gottes“. Und doch betrifft es die Heiligen in der jetzigen Zeit, dass der Apostel so betete; nicht, dass wir uns als Leib Christi erkennen, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt, sondern praktisch einen vergrößerten Zugang haben durch die Kraft des Geistes zu der ganzen Fülle Gottes. Es ist der Zustand des Herzens und das wirkliche Wachstum in der Gemeinschaft mit Gott, das uns hier vorgestellt wird; und dies am angemessensten, nachdem die Stellung behandelt worden ist, und zwar bevor er mit den Ermahnungen zum Wandel und Verhalten in Kapitel 4 beginnt. Daher heißt es weiter: