Aber was war dann unser vorheriger Zustand? In Vers 7 heißt es: in dem wir die Erlösung haben durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade (1,7).
Es wird nur beiläufig angedeutet, aber es setzt voraus, dass wir elende Sklaven Satans waren. In derselben Person, in der wir zum Gegenstand solcher Gunst werden, haben wir die Erlösung. Gott vergisst nicht im Geringsten, in welchem Zustand wir waren, als Er uns so segnete. Er ist sich bewusst, dass wir aus allem, was wir waren, herausgeholt werden mussten, denn in der Tat hatten wir nichts als Sünden. Allein bei den vorhergehenden Versen hätte der Gedanke aufkommen können, dass eine solche Glückseligkeit und Herrlichkeit nicht mit dem, was wir waren, hätte vermischt werden können. Aber wir haben die Erlösung, wie es heißt, in Christus. Dennoch berührt Er nie die Erlösung und Vergebung der Sünden, bis Er uns in die Höhe und Tiefe aller Vorrechte gebracht hat, die von Gott selbst ausströmen: Alles Fragen nach dem, was der Mensch ist, verschwindet hier völlig aus dem Blickfeld, so dass wir die traurige Wahrheit seines Zustandes nur sozusagen nebenbei mitbekommen. Aus den ersten Versen geht nicht hervor, dass die so gesegneten Menschen jemals eine einzige Sünde begangen hätten. Aber hier finden wir, dass sie erlöst werden mussten, dass ihnen ihre Sünden vergeben werden mussten; und derselbe Christus, in dem und durch den wir alle unsere anderen Segnungen haben, ist der, in dem wir auch die Erlösung durch sein Blut haben, nämlich die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade.
Es mag hier bemerkt werden, dass es einen Unterschied zwischen „der Herrlichkeit“ und „dem Reichtum“ seiner Gnade gibt. Die „Herrlichkeit seiner Gnade“ umfasst all diese Vorrechte, die zuvor erwähnt wurden. Der Heilige Geist hat in Vers 7 den Reichtum seiner Gnade hervorgehoben – die Mittel und Vorkehrungen für uns als arme Sünder. Aber das würde Gott nicht genügen, wenn Er so handelt, dass Er nicht nur seinen Reichtum im Umgang mit den erbärmlichsten Menschen zeigt, sondern die Herrlichkeit seiner Gnade. Er wollte seinen eigenen Charakter zeigen – was Er ist, und nicht nur für das sorgen, was wir waren. Der Preis der Herrlichkeit seiner Gnade ergibt sich aus dem, was Gott empfindet und infolgedessen tun wird, um sich uns zu offenbaren.
Beachte außerdem, dass wir später eine andere Erlösung haben, die „des erworbenen Besitzes“ (V. 14). Wir haben die Erlösung, was die Vergebung der Sünden betrifft; wir warten auf die Erlösung, was das Erbe betrifft, das vom Kommen Christi abhängt, um es tatsächlich unter seiner Regierung in Besitz zu nehmen. Der erworbene Besitz hat mit dem Erbe zu tun, nicht nur mit dem, was unsere Seele betrifft. Was die Seele betrifft, so haben wir die Erlösung jetzt so vollständig, wie wir sie jemals haben können; das sollten wir gut bedenken. Dem Gläubigen kann nicht mehr vergeben werden als jetzt, noch könnte Gott mehr tun, um die Sünde wegzutun, als Er bereits getan hat. Er hat seinen Sohn gegeben, und das Blut seines Sohnes ist vergossen, und es ist unmöglich, dass Gott selbst mehr tun könnte, um die Sünde vor seinem Angesicht auszutilgen. Welch ein Trost für uns! Wenn wir an unsere Sünden denken, können wir auch an die tröstliche Gewissheit denken, dass alle unsere Schuld vor Gott getilgt ist. Wir können in Sünde fallen, denn es gibt sie; aber sie bleibt eine Quelle des Selbstgerichts, statt ein furchterregendes Warten auf das kommende Gericht.
Das ist eben der eigentliche Unterschied. Als Sache des göttlichen Gerichts ist die Sünde in Christus weggetan; als Sache des Selbstgerichts ist sie immer zu bekennen, wenn wir in sie abrutschen. Auch ist das Selbstgericht niemals vollständig, bis wir wissen, dass Gottes Gericht über die Sünde für uns am Kreuz beendet ist. In der Zeit des Alten Testaments gab es kein solches Selbstgericht wegen der Sünde, wie es in der Zeit des Neuen Testaments der Fall sein sollte. Dementsprechend finden wir, dass sie, obwohl Gott niemals eine Sünde gleichgültig behandelt hat oder behandeln konnte, sie doch oft ohne einen Kommentar übergangen wurde. Aber das ist kein leichtfertiger Umgang: Gott lässt die Sache für sich selbst sprechen. Umso mehr übt Er die Herzen seiner Kinder. Wenn sie sich in einem vorsätzlichen Zustand befinden, können sie an der Sünde festhalten, um ihre eigenen bösen Wege zu entschuldigen; andernfalls wird das Gewissen geübt. Erst wenn der völlige Zustand des Menschen im Kreuz Christi zum Vorschein kommt, sehen wir, was Gottes Urteil über die Sünde ist. Seitdem hören wir zum ersten Mal von „dem Fleisch“ in dem Sinn, in dem das Neue Testament davon spricht. Man findet den Ausdruck zwar im Alten Testament, aber er hat nie denselben starken, deutlichen, vollen Charakter der Bosheit wie im Neuen. Sie war noch nicht völlig erwiesen, und Gott wartet immer, bis eine Person oder Sache ihren wahren Charakter bewiesen hat, bevor Er das Gericht ausspricht. Und in dieser Hinsicht sollten wir von Gott lernen. Die Geduld Gottes im Gericht ist eine der wunderbarsten Eigenschaften seiner Wege; und wir sollten in dieser Hinsicht Nachahmer Gottes sein. Er wartete auf das Kreuz seines Sohnes, bevor der wahre Charakter der Schuld des Menschen völlig zum Vorschein kam. Im Alten Testament lesen wir von Dingen, die wegen der Härte des menschlichen Herzens ertragen wurden; aber im Neuen Testament gibt es ein anderes Maß, und kein Übel wird auch nur einen Augenblick geduldet. Der Geist Gottes spricht über das Böse: Die Finsternis vergeht und das wahrhaftige Licht leuchtet schon (1Joh 2,8). Es gibt kein Verstecken, weder von Gott noch von Menschen. Alles ist klar. Der Mensch ist verloren. Gott wird nicht nur als Gesetzgeber erkannt, sondern als Heiland-Gott; und wenn ich Ihn so nicht kenne, kenne ich Ihn überhaupt nicht. „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“ (Joh 17,3).