Und hier ist ein Weg: „Einer trage des anderen Lasten, und so erfüllt das Gesetz des Christus.“ Das ist es, was Christus tat, als Er auf der Erde war. Er hat sich nicht selbst gefallen. Er wählte nie den Weg der Bequemlichkeit; sondern, im Gegenteil, jeder Fall von Elend und Sünde und Kummer war das, was den Herrn Jesus beschäftigte, sofern es der Wille Gottes war. Als Er seinen Platz als Mensch auf der Erde einnahm, gab es die ständige Übung der Gemeinschaft zwischen dem Herrn Jesus und seinem Vater, den Geist der Abhängigkeit von dem lebendigen Gott, der niemals ohne die Anweisung seines Vaters handelte. Und so sollte es auch bei uns sein. Wenn wir uns auf diese Weise dafür einsetzen, die Lasten des anderen zu tragen, müssen wir auf Gott warten, um zu wissen, was der Wille des Herrn ist. Es ist nicht das Gesetz oder die Verordnungen, sondern: „Einer trage des anderen Lasten, und so erfüllt das Gesetz des Christus“.
Denn wenn jemand meint, etwas zu sein, da er doch nichts ist, so betrügt er sich selbst (6,3).
Das ist die unabänderliche Wirkung des Gesetzes auf den Geist. Es setzt voraus, dass ein Mensch Kraft hat – jedenfalls, dass er noch als Mensch in der Welt lebt. Das ist aber gerade das, zu dem wir uns selbst durch die Taufe nicht mehr bekennen. Denn was stellt die Taufe eines Christen dar? Es ist das Bekenntnis zu dem gestorbenen und auferstandenen Christus, und dass ich durch den Tod Christi der Sünde gestorben bin und der Welt und auch dem Gericht Gottes. Ich bin aus der Szene der lebenden Menschen auf der Erde herausgetreten und in einen neuen Zustand vor Gott eingeführt worden; ich bin in ein neues Leben eingetreten; ich bin tot für das, wofür ich früher gelebt habe, und lebendig für das, wofür ich früher tot war. In all das bringt Christus den, der glaubt.
Es ist also offensichtlich: „Denn wenn jemand meint, etwas zu sein, da er doch nichts ist, so betrügt er sich selbst“ (V. 3). Das Gesetz zermalmt niemals den Stolz des Menschen; und der Mensch wird alles ertragen, was er meint, ertragen zu können. Das Gesetz wirkt auf die bloße Natur des Menschen und bläht ihn auf, es sei denn, es wird vom Heiligen Geist gebraucht, um ihn in seinem Gewissen zu zerschlagen. Die Natur hat die verkehrte Vorstellung, dass sie etwas tun kann; und die Menschen lieben das und sind umso zufriedener mit sich selbst. Das ist es, was das Evangelium von Grund auf zerstört. Und daher würden Menschen, die ungemein selbstzufrieden sind, wenn man sie darauf hinweist, dass sie große Dinge für Gott tun, zutiefst gedemütigt und beleidigt sein, wenn man ihnen klar sagt, dass sie nicht fähig sind, Ihm zu dienen. Wie wenige würden es ertragen, zu hören, dass sie ihr ganzes Leben lang Gott nicht angebetet haben und nicht von Gott geboren werden können! Sie nehmen Anstoß an einer solchen Lehre wie diese, weil sie sich selbst nichts und Gott alles nennt; sie führt ihnen vor Augen, welch schrecklicher Gefahr sie ausgesetzt sind: Sie sind in der Tat verloren. Wenn sie es glaubten, würden sie zu Gott darüber schreien und auf Gott schauen, um von Ihm neues Leben zu empfangen. Aber solange der Mensch nach gesetzlichen Grundsätzen behandelt wird, ist die Unterscheidung zwischen dem ersten und dem zweiten Menschen mehr oder weniger verschwunden. Der Mensch wird als solcher angesprochen, und nicht durch und durch als Sünder oder als Heiliger; aber die beiden Dinge werden miteinander verwechselt, so dass die Menschen nicht klar wissen, ob sie gerettet oder verloren sind, ob sie vom Tod zum Leben übergegangen sind oder noch unter dem Zorn Gottes stehen (Joh 5,24). Das ist der Grund, warum wir so viele, sogar einige, die wahre Gläubige sind, häufig unter Wolken und Verfinsterungen leiden sehen. Die Wurzel der Angelegenheit ist der Missbrauch des Gesetzes. Es war das, was unter den Galatern gewirkt hat, und was seither so viele Tausende von Gotteskindern mit der Kette ihrer Sünden gefesselt und gebunden hat. So wirkte es auf ihr Fleisch und ließ sie glauben, etwas zu sein, während sie in Wahrheit nichts waren; und wenn ein Mensch das tut, so betrügt er sich offensichtlich selbst, wie der Apostel hinzufügt. Nichts kann schneidender sein als die hier gebrauchten Worte.