Behandelter Abschnitt 2Kor 10,1-6
Von der erschöpfenden Behandlung des Gebens und Empfangens gemäß Christus, die die beiden vorangegangenen Kapitel ausfüllte, wendet sich der Apostel ab, um die ihm im Herrn gegebene Autorität zu rechtfertigen. Diese hatte Satan unter den Korinthern in Frage gestellt, nicht nur, um den Diener in Misskredit zu bringen, sondern um dadurch das Zeugnis zu untergraben und die Gläubigen von Ihm abzuziehen, dessen Gnade und Herrlichkeit auf das Innigste mit ihr verwoben waren.
Am Anfang des Briefes, jetzt, wo sie begonnen hatten, sich vor Gott wahrhaftig, wenn auch noch unvollkommen, zu richten, konnte er sein eigenes Herz öffnen und von seinen Wegen und Motiven sprechen, die so niederträchtig missverstanden worden waren; er hatte gerade genug auf seine Autorität angespielt, um ihren Besitz mit Gelassenheit des Geistes, aber auch Unwillen, sie mit Strenge auszuüben, anzuzeigen. Er ruft sogar Gott als Zeugen auf seiner Seele an (2Kor 1,23), dass er sie verschonen würde, nicht aus Furcht oder Leichtsinn oder irgendeinem anderen unwürdigen Grund, er war noch nicht nach Korinth gekommen, sondern mit wunderbarem Takt und gnädigem Geschick verbindet er mit seiner Erklärung dessen, was missverstanden worden war, die göttliche Gewissheit, die wir in Christus durch Gottes Wort und die Kraft des uns gegebenen Geistes genießen. Und dann, indem er den Fall der Zucht berührt, den Satan benutzt hatte und immer noch zu benutzen suchte, um die Korinther vom Apostel zu trennen, nicht nur im Urteil, sondern auch in der Zuneigung und im gegenseitigen Vertrauen, das daraus entspringt, lässt er sie wissen, wie eine evangelistische Tür, die ihm sogar im Herrn geöffnet wurde, es nicht vermochte, sein liebendes Herz in diesem kritischen Augenblick von ihnen abzuwenden; aber trotz allem dankt er Gott, dass Er ihn immer im Triumph in Christus umhergeführt hat, wie in einem alten Siegeszug, wo Wohlgerüche verbreitet wurden, Vorboten des Todes für einige der Gefangenen und des Lebens für andere. Dies gibt Anlass zu der bewundernswerten Darlegung des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, dem Wirken des Geistes in einem irdenen Gefäß im Gegensatz zu dem des Gesetzes, das falsche Lehrer immer damit vermischen wollten, und zu der Offenbarung der Überlegenheit des Lebens in Christus über alles, was verdunkeln, bedrohen, behindern oder zerstören kann, die sich durch 2. Korinther 3,1 - 6,10 zieht.
Danach kehrt er zu seinen Beziehungen zu den Gläubigen in Korinth zurück, aber nicht ohne die Ermahnung, sie von jeder Verbindung mit Satan, dem Fleisch und der Welt fernzuhalten, die mit Christus unvereinbar ist.
Danach, bis zum Ende von Kapitel 7, spricht er freimütig von dem, was dazu geführt hatte, einen praktischen Bruch zwischen ihm und ihnen zu bewirken. Dann beweist er, der nichts für sich selbst von den Gläubigen in Korinth nahm, in wahrer Gnade und Weisheit, wie frei sein Herz ihnen gegenüber schlug, indem er ihnen von der Gnade berichtet, die in Mazedonien zu sehen war, trotz ihrer bekannten und großen Armut, indem sie den armen Gläubigen in Judäa großzügig etwas beisteuerten, und indem er den Korinthern eine Gelegenheit gibt, die Echtheit ihrer Liebe zu beweisen, zumal sie vor einem Jahr damit begonnen, aber die Sache noch nicht in die Tat umgesetzt hatten; ein Werk, bei dem Titus die gnädigen Wünsche des Apostels teilte, nicht nur was die Hilfe für die leidenden Armen selbst betrifft, sondern auch, dass die Gläubigen in Korinth nicht hinter ihrem Rühmen zurückfallen sollten. Aber darin zeigt er mit gleicher Kraft die Vermeidung aller Vorwürfe seitens derer, die mit ihm in der Verwaltung der Hilfe beschäftigt waren, und den mannigfaltigen Segen solcher Freigebigkeit und die Freude Gottes daran, ob man an die Gläubigen denkt, die geben, oder an die Gläubigen, die durch seine Gnade empfangen, die selbst die unaussprechliche Gabe Gottes ist.
Der Apostel liebte es nicht, von sich selbst oder gar von seiner Autorität zu sprechen, so groß sie auch war und ganz sicher vom Herrn verliehen worden war. Doch es gab eine Notwendigkeit für die Korinther wie für die Galater; aber hier behält er sie vor und verfolgt sie bis zum Schluss des Briefes, während er dort nicht anders konnte, als damit zu beginnen, da der Ruf noch dringlicher war.
Ich selbst aber, Paulus, ermahne euch durch die Sanftmut und Milde des Christus, der ich unter euch anwesend zwar demütig, abwesend aber kühn euch gegenüber bin. Ich flehe aber, dass ich anwesend nicht kühn sein müsse mit der Zuversicht, mit der ich gedenke, gegen einige dreist zu sein, die uns als nach dem Fleisch wandelnd erachten. Denn obwohl wir im Fleisch wandeln, kämpfen wir nicht nach dem Fleisch; denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern göttlich mächtig zur Zerstörung von Festungen, indem wir Vernunftschlüsse zerstören und jede Höhe, die sich erhebt gegen die Erkenntnis Gottes, und jeden Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam des Christus und bereit stehen, allen Ungehorsam zu strafen, wenn euer Gehorsam erfüllt sein wird (10,1–6).
Es scheint, dass Paulus äußerlich nichts von einem beeindruckenden Auftreten hatte, wie es Männer im Allgemeinen, am meisten vielleicht Griechen, mögen. Aber daneben hatte er eine bescheidene und gnädige Haltung, die sich selbst verurteilte und beiseitestellte, wie in allem, so besonders in der heiklen Aufgabe, mit anderen recht umzugehen; was dem Geist in Korinth nicht passte und auch nicht dem apostolischen Amt zu entsprechen schien: zumal der Apostel ihnen in seinem ersten Brief hin und wieder streng schreiben konnte und es auch tat. Seine Gegner nutzten dies alles aus, um sich selbst zu verherrlichen und den Apostel und seine Lehre herabzusetzen. Er erscheint hier und anderswo, um ihre Worte aufzugreifen und ihnen im Geist zu begegnen, als jemand, der die Lektion, wenn auch über Gläubige, des Todes und der Auferstehung mit Christus gelernt hatte. Er stellt sich also, nachdem sie es moralisch erzwungen hatten, mit Geradlinigkeit und Würde vor; und er ermahnt sie durch die Sanftmut und Milde des Christus, die in seinen Augen einen ebenso großen Preis hatte, wie sie in den ihren keinen zu haben schien. Haben die Verleumder ihn mit einem gemeinen Auftreten, selbst aber mit einem kühnen Auftreten in seiner Abwesenheit, das heißt in seinen Briefen, belastet? Nun, sagt er: „Ich flehe aber, dass ich anwesend nicht kühn [θαρρῆσαι] sein müsse mit der Zuversicht, mit der ich gedenke [nicht „gerechnet“, sondern] gegen einige dreist [τολμῆσαι] zu sein, die uns als nach dem Fleisch wandelnd erachten“ (V. 2). Was auch immer die Kraft und der glühende Eifer und die Tiefe des Gefühls und die Stärke des Willens in seinem natürlichen Charakter waren, Paulus hatte sich unter den Korinthern mit einer selbstvergessenen Demut und der Nachsicht der aktiven Liebe verhalten. Das war es, was er in dem Meister, dem er diente, gesehen hatte, und das nahm er sich das in seinem anbetenden Herzen und in seinen Wegen zum Vorbild. Die Menschen sollen sich davor hüten, an dem Diener zu verachten, was die Frucht der Vollkommenheit Christi war. Aber wer ist auch so schonungslos in seinen Worten? Gibt es da die geringste Ungereimtheit? Was kann so unverblümt sein wie die Liebe – die Liebe Christi? Fand Paulus Gefallen daran, seine „geliebten Kinder“ im Glauben zu tadeln? Es war und muss ihrem Zustand geschuldet sein, ob er mit einer Rute kam oder in Liebe und im Geist der Sanftmut. Weit davon entfernt, gern zu tadeln, wie es die Feinde unterstellten, bittet er darum, dass er seine Autorität nicht, wenn sie vorhanden ist, mit einer Macht ausüben muss, die diejenigen zurückweist, die sich dem Herrn widersetzten und ihr eigenes fleischliches Wesen unter einer solchen Anschuldigung gegen ihn zu verhüllen suchten. Während er in der Gnade Gottes für sich selbst Genüge hatte, war es sein größter Kummer zu sehen, wie Gläubige von Satan irregeführt wurden, ihre eigene Gnade verließen, den Geist betrübten und den Namen des Herrn in Verruf brachten. Es war nicht die Sache des Paulus, sich über den Glauben von irgendjemandem zu erheben; er war ein Arbeiter und ein Mitarbeiter ihrer Freude. Und es war seine Freude weit mehr als ihre. Aber er war Diener in allem, was er vom Herrn Jesus empfangen hatte, und war verantwortlich, seine Autorität dort einzusetzen, wo es erforderlich war. Und wie er sich in seinem Brief geäußert hatte, so würde er handeln, wenn er anwesend war; aber er würde sich freuen, wenn keine solche Notwendigkeit entstünde. Denn er suchte nicht sich selbst, noch seine Dinge, nicht die ihren, sondern sie. „Denn obwohl wir im Fleisch wandeln, kämpfen wir nicht nach dem Fleisch“ (V. 3). Alle, die hier auf der Erde leben, können das Erstere sagen; wie wenige das Letztere – wenigstens so, wie der Apostel es konnte, denn die Waffen seines Kampfes waren nicht fleischlich, sondern mächtig „mit“ Gott, „vor“, „nach“ oder „für“ Ihn. Das Fleisch ist stolz auf seine eigenen Mittel, mit denen es sich gegen Gott verschanzt, der in seinen Kindern wirkt, wenn sie abhängig sind, am wenigsten in den Seinen, wenn sie unabhängig sind. Der Feind suchte die fleischliche Weisheit wiederzubeleben, die wie alles, was vom ersten Menschen ist, die Natur anzieht und sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt, denn diese ist nicht von Christus zu trennen, und zwar von dem gestorbenen und auferstandenen Christus. Wenn wir nicht nach dem Fleisch kämpfen, so muss es sein, dass wir die Vernunft und jede Höhe, das sich erhebt (oder sich selbst so überhebt), zerstören und jeden Gedanken gefangennehmen unter den Gehorsam des Christus (V. 5). Das sind der Zweck und die Wirkung der Abhängigkeit, wie sie durch den Geist Gottes gewirkt wird. Denn nichts ist dem Menschen widerlicher als damit zufrieden zu sein, nichts zu sein; und nichts hindert den Gehorsam Christi mehr als eine versteckte Selbstsucht.
Wir können in der ersten sehen, wie der Apostel diese Waffen mit Gott zum Umstürzen von Festungen einsetzte, was auch immer die Argumentation oder die Höhe war, das gegen die Erkenntnis Gottes erhoben wurde. Nimm ihren fleischlichen Eifer für Paulus, Apollos oder Kephas: Er bringt Christus und sein Kreuz mit hinein, um ihre Wurzeln zu richten, und erklärt, dass die ersteren nur dienende Knechte waren, durch die sie selbst glaubten und wie der Herr jedem gab; und in der Tat alle ihre, und sie Christi und Christus Gottes. Es war eine fleischliche Verdorbenheit ihrer Vorrechte. Nimm ihre weltliche Bequemlichkeit: mit einer solchen ungläubigen Vorwegnahme des Tages, an dem wir alle zusammen herrschen werden, stellt er die Apostel, die von Gott als die letzten zum Tod Berufenen gesetzt wurden, verachtet, leidend und bis jetzt zum Abschaum der Welt geworden, gegenüber. Nimm ihre Berufung auf die Gerichte: Er stellt die Unwürdigkeit der Gläubigen vor, die die Welt und die Engel richten werden, vor den Ungerechten einen Prozess gegen den anderen zu führen. Nimm ihre Nachlässigkeit in Bezug auf die Tempelfeste: Er zeigt, dass ihre prahlerische Einsicht über die Eitelkeit der Götzen sie der Schlinge des Satans aussetzte und sie in die Gemeinschaft mit den Dämonen zog. Nimm schließlich ihre Leugnung, dass die Toten auferstehen: Er beweist, dass dies praktisch die Auferstehung Christi und folglich das Evangelium mit all seinen himmlischen Vorrechten und Hoffnungen zerstört. So führt der vorige Brief auf bewundernswerte Weise jeden Gedanken gefangen unter den Gehorsam Christi.
Aber der Apostel fügt noch ein anderes Wort hinzu, das die Gnade und Weisheit, die in ihm und durch ihn wirkte, noch mehr hervorhebt: „und bereit stehen, allen Ungehorsam zu strafen, wenn euer Gehorsam erfüllt sein wird“ (V. 6). Er liebte die Gläubigen und noch mehr die Herrlichkeit Christi in der Versammlung. Deshalb konnte er fernbleiben und sich falsch darstellen lassen, aber dennoch warten, bis das Wort durch den Geist zu wirken begann. Das war wenigstens zum Teil geschehen: Das grobe Übel war nicht nur beseitigt worden, sondern die Gläubigen in Korinth waren tief bewegt worden, als sie ihren eigenen hochmütigen und unempfindlichen Zustand beurteilten, und waren nun wirklich in Gefahr, in das entgegengesetzte Extrem der richterlichen Härte gegenüber dem umzuschlagen, der nicht nur schamlos gesündigt, sondern auch sie verführt hatte. Gnade wird der Versammlung ebenso gut tun wie Gerechtigkeit, ja sie sollte uns jetzt charakterisieren, wie irdische Gerechtigkeit in Israel gesucht wurde. Aber die Gnade im Apostel konnte warten, nicht mit Gleichgültigkeit zu irgendeiner Zeit, sondern in aller Geduld, jetzt, wo das Gewissen wirkte, bis ihr Gehorsam erfüllt sein würde, wobei er niemals den Anspruch Christi aufgab, jede Art von Ungehorsam zu bestrafen, und nicht nur das, was skandalös war. Er möchte sie alle mit sich selbst für den Herrn gegen alles Böse vereinigt sehen. Die Versammlung muss Christus verleugnen, wenn sie sich in stiller Annahme dessen niederlässt, was seinen Namen verleugnet. Aber die Gnade weiß das Wenige, was von Gott ist, zu würdigen und sieht alles entsprechend seinem Willen zur rechten Zeit, im ernsten Urteil dessen, was seinem Wesen und Wort widerspricht.
So legt der Apostel flehentlich die Autorität dar, die er im Herrn empfangen hatte, gegen die Verleumdung der Widersacher, die noch immer einen giftigen Einfluss auf die Gläubigen ausübten. Nichts lag ihm ferner als die fleischliche, wankelmütige und schwankende Politik, die sie ihm zuschrieben. Aber dies sind die üblichen Taktiken des Feindes. Die ersten, die andere mit einem Mangel an Geistlichkeit, Treue oder sogar Integrität brandmarken, sind die, die selbst in dieser Hinsicht schuldig sind, und sie verbringen ihren Atem in einem rastlosen Bemühen, alle, denen sie begegnen, mit ihren eigenen Vermutungen zu durchdringen; bis sie schließlich nicht nur jeden ihrer Eindrücke zu glauben scheinen, sondern auch davon überzeugt sind, dass Groll wahre Liebe und Schmähung nichts anderes als Treue zu Christus ist.