Behandelter Abschnitt 2Kor 5,6-9
So sind wir nun allezeit guten Mutes und wissen, dass wir, während wir einheimisch in dem Leib sind, von dem Herrn ausheimisch sind (denn wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen); wir sind aber guten Mutes und möchten lieber ausheimisch von dem Leib und einheimisch bei dem Herrn sein. Deshalb beeifern wir uns auch, ob einheimisch oder ausheimisch, ihm wohlgefällig zu sein (5,6‒9).
Der gute Mut des Christen wird durch den Tod nicht zerstört, obwohl er nicht wie ein Mensch auf den Tod schaut. Seine Zuversicht gründet sich auf Christus, er weiß Gott für sich, und er hat den Geist als Verheißung für alles, was er erhofft. Alle Dinge sind gewiss, auch das Leben oder der Tod; aber Christus regiert alles, und wir sind Christi, und Christus ist Gottes. Weder Tod noch Leben noch irgendein anderes Geschöpf wird uns scheiden können von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus, unserem Herrn, ist. So sind wir denn zu allen Zeiten guten Mutes, was auch immer der Weg Gottes mit uns inzwischen sein mag, und wissen, dass wir, während wir einheimisch in dem sind, von dem Herrn ausheimisch sind (V. 6). Dies ist nicht unsere Ruhe, sie ist verunreinigt. Er ist nicht hier, sondern auferstanden und in der Herrlichkeit, und unsere Herzen sind bei Ihm, wo Er ist, und wir suchen Ihn, um Ihm gleich zu sein und auch bei Ihm zu sein. Aber das ist nicht alles. Wir wissen, dass wir, während wir wie jetzt im Leib einheimisch sind, vom Herrn ausheimisch sind. Das ist weder der Grund unserer Zuversicht, wie Calvin es höchst seltsam missverstanden hat,9 noch ist es eine Ausnahme davon, wie Katholiken und Rationalisten gedacht haben. Es begleitet unseren guten Mut und fällt mit ihm zusammen als ein Teil unserer christlichen Erkenntnis, und es erklärt unsere Bereitschaft des Geistes, den Leib zu verlassen, wenn wir gerufen werden, um zum Herrn heimzugehen. Die Verbindung von εἴδοτες (wissen) ist sowohl grammatikalisch als auch logisch mit εὐδοκοῦμεν (sind wir guten Mutes), wenn auch anschließend in anderer Form, wieder aufgenommen worden.
Hierin zeigt sich die Weisheit Gottes. Denn hier haben wir eine der wenigen Stellen, die uns das Licht Gottes über den Zwischenzustand des Christen beschreiben: Es ist von großer Bedeutung, dass die unermessliche Glückseligkeit des endgültigen Sieges nicht den Zustand der Glückseligkeit trübt, der dazwischen liegt.
Es gibt einerseits keine Entschuldigung für den Unglauben, der alles daraus macht, nach dem Tod bei Christus zu sein, und vor der einzig angemessenen Antwort in unserer Auferstehung und Verwandlung beim Kommen Christi durch die Kraft seiner Auferstehung zurückschreckt. Andererseits aber ist es eine wirkliche Geringschätzung der Gnade Gottes und der Erlösung durch Christus, den Zustand der entkörperten Seele zu verdunkeln, um den Glanz des Auferstehungsmorgens zu erhöhen. Es ist nicht wahr, dass der Apostel, als er auf das Ablegen seiner irdischen Hütte schaute, nur durch den Bau Gottes getröstet wurde, der nicht mit Händen gemacht wurde und ewig in den Himmeln ist; denn gerade in diesem Zusammenhang zeigt er, dass wir lieber abwesend vom Leib und anwesend beim Herrn sein wollen. Und in der Tat ist die Unfähigkeit, dem Tod oder Satan ins Gesicht zu schauen, ein Beweis für die Schwachheit und nicht für die Stärke des Glaubens. Der Apostel tut genau das Richtige im Heiligen Geist: Denn obwohl er die völlige Betonung des Lebens in Christus in den Vordergrund stellt, stellt er das Abscheiden, bei ihm zu sein, nicht als schmucklos und schauderhaft dar, oder den Zustand als leicht, schattenhaft oder phantastisch. Es ist natürlich weltfremd, aber deshalb nicht träge; denn es ist das Sein bei Christus, das weit besser ist als das Bleiben im Fleisch, wenn auch weit entfernt von dem Triumph, den wir teilen werden, wenn er kommt. Niemals behandelt der Apostel es als Grabesdunkel und fahles Mondlicht, was die bloße Abwertung des menschlichen Geistes ist, der sich über die Verdrehtheit solcher ärgert, die die herrliche Hoffnung der Auferstehung aus ihren Bibeln auslöschen. Nochmals: Der Tod ist ein Abschied, kein Wiedersehen; aber ist es ein trauriger Abschied, wenn wir zu Ihm ins Paradies gehen? Zweifellos ist es nicht unsere einzige Hoffnung; aber ist es dann der freudlose Abschied, der Kummer ohne Hoffnung, zu dem ihn der Unglaube macht? Eine solche Übertreibung ist bösartig, am meisten bei denen, die die Gläubigen auffordern, auf das Kommen Christi zu warten; denn was in ihren Aussagen falsch ist, wirkt mächtig, um das Wahre in Zweifel zu ziehen und so die Gläubigen zu behindern, anstatt ihnen zu helfen. Das Gleichgewicht der Wahrheit geht verloren, und solche, die aufgrund der Schrift auf die Glückseligkeit derer hoffen, die mit Christus entschlafen sind, werden durch den Zweifel, der auf sie geworfen wird, ins Straucheln gebracht und sind unwillig, das anzunehmen, was zweifellos wahrhaftig über das triumphale Ergebnis seines Kommens gesagt werden kann.
Wie der Tod sich dann in jedem Gläubigen als besiegt betrachten wird, ja, die Sterblichkeit selbst in den lebenden Gläubigen vom Leben verschlungen wird, wenn Christus kommt, so hindert auch jetzt der Tod sogar den Gläubigen in keiner Weise daran, sich der Gegenwart des Herrn zu erfreuen. Beide Wahrheiten werden hier und in dieser Reihenfolge deutlich offenbart. Sie sind Ihm und der Erlösung, die er für uns vollbracht hat, zu verdanken; sie sind für das Herz jedes Gläubigen von größter Bedeutung. Es ist Unwissenheit, eins von beiden zu übersehen; es ist vom Feind, das eine zu missbrauchen, um das andere zu zerstören oder zu entkräften.
Der Vers 7 in Klammern hat den Gelehrten viel Mühe bereitet, obwohl der allgemeine Sinn klar genug ist. Doch εἶδος (Schauen) scheint im Neuen Testament, wie bei den gewöhnlichen griechischen Autoren, selten, wenn überhaupt, wie ὄψις für „Anblick“ verwendet zu werden, sondern für „Aussehen“ (wie in Lk 9,29) oder „Gestalt“ (wie in Lk 3,22; Joh 5,32, wie auch abgeleitet in einem ethischen Sinn in 1Thes 5,22). Jeder einsichtige Leser von Platon und Aristoteles kennt seine philosophische Bedeutung, die durch ihre jeweiligen Theorien modifiziert wurde. Aber „Art“ oder „Sorte“ oder „Form“ kann hier nicht gemeint sein. Wir sind daher durch den neutestamentlichen Sprachgebrauch auf die Alternative „Erscheinung“ festgelegt, es sei denn, wir lassen mit unseren autorisierten Übersetzern den Sinn von „Anblick“ zu, obwohl sein Vorkommen in dieser subjektiven Bedeutung bei irgendeinem Autor, sei er heilig oder profan, zweifelhaft erscheint. Die substantielle Bedeutung läuft jedoch auf dasselbe hinaus. Wir wandeln durch den Glauben, nicht durch den Schein, denn wir sind abwesend vom Herrn und vom Himmel. Wenn wir auf das Unsichtbare und Ewige schauen, dann durch den Glauben, nicht auf die Dinge oder Personen selbst, wie wir es tun werden, wenn wir tatsächlich dort sind.
Daher fasst der Apostel mit einer etwas unregelmäßigen, aber umso nachdrücklicheren Betonung zusammen, wobei δέ wie unser „wohl“ oder „warum“ oder „nein“ verwendet wird. „Wir sind aber guten Mutes und möchten lieber ausheimisch von dem Leib und einheimisch bei dem Herrn sein“ (V. 8). Zugegeben, es ist ein für den Menschen unvollkommener Zustand, und kurz vor der herrlichen Vollendung nach dem Ratschluss Gottes. Doch die Gnade hat schon jetzt eingegriffen; und wie der Gott, der das Licht aus der Finsternis leuchten ließ, hier auf der Erde in unseren Herzen geleuchtet hat, um die Erkenntnis seiner Herrlichkeit im Angesicht Jesu Christi leuchten zu lassen, so ist unser Weggang, wenn wir seine Gegenwart schätzen, eine unvergleichlicher Zunahme an Freude. Denn wir gehen nicht in eine dunkle Wohnung, die seiner und seines Blutes unwürdig wäre, sondern in die hellsten Gefilde des Himmels, wo Er in ewiger Freude und Herrlichkeit ist. Der Herr Jesus empfängt unsere Geister; wie es ist, bei Ihm zu sein. Kein Wunder, dass wir lieber von unserem Zuhause im Leib weggehen und zu unserem Zuhause beim Herrn kommen wollen. „Deshalb beeifern wir uns auch, ob einheimisch oder ausheimisch, ihm wohlgefällig zu sein“ (V. 9). Die gewöhnliche Version vermittelt einen völlig irreführenden Gedanken, der, wenn er vollständig aufgenommen würde, das Evangelium zerstören würde; und zwar um so mehr, als φιλοτιμούμεθα mit „wir mühen“ oder „bemühen uns“ und εὐάρεστοι mit „wohlgefällig“ wiedergegeben wird, auf die Gefahr hin, die Errettung durch Werke auf die unverschämteste Weise zu unterstellen. Bereits angenommen in dem Geliebten (Eph 1,6) streben wir danach – es ist unser eifriges Ziel – Ihm recht zu dienen, ob in der Gegenwart oder in der Abwesenheit. Das liegt in seiner Hand, und unser Vertrauen ist so oder so ungebrochen; aber unser starker Wunsch, wenn wir ihn im Heiligen Geist haben, ist, Ihm wohlgefällig zu sein. Wie seine Gunst besser ist als das Leben, so wollen wir uns seinem Wohlgefallen hingeben, der sich nur an dem erfreut, was gut, heilig, wahr, demütig und liebevoll ist.
9 So schreibt er (Comm. in loco, ed. A, Tholuck, Halis Sax., i. 459), „Copula quae mox sequitur, resolvi debet in causalem particulam, hoc modo: Bono animo sumus quia scimus nos peregrinari a corpore, etc. Nam haec cognitio nostrae tranquillitatis et fiduciae causa est.“↩︎