Behandelter Abschnitt 1Kor 13,4-7
Als Nächstes kommen wir nicht zu einer Definition der Liebe, sondern zu ihren Eigenschaften in dieser Welt, die zu unserer Belehrung angegeben werden. Sie ist das, was Christus hier war, sowohl aktiv als auch leidend in der Liebe über das Böse:
Die Liebe ist langmütig, ist gütig; die Liebe neidet nicht, die Liebe tut nicht groß, sie bläht sich nicht auf, sie gebärdet sich nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit, sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles (13,4–7).
Langmut inmitten von Prüfungen ist das erstgenannte Attribut der Liebe, die sogar positive Güte zeigt, anstatt einen Rachegedanken zu hegen. Da sie auch nicht dem Neid oder der Eifersucht gegenüber jemandem nachgibt, gibt es auch keine Selbstdarstellung (oder, wie manche meinen, Vorwitzigkeit), noch den Hochmut, aus dem sie entspringt. Daher ist indecorum oder unhöfliches Verhalten unvereinbar mit der Liebe, da sie durch Uneigennützigkeit und langsam zum Zorn gekennzeichnet ist, und durch die Bereitschaft, das Unrecht zu vergessen, das getan wurde. „Denkt nichts Böses“ drückt die Klausel kaum aus, sondern eher, das Böse nicht im Sinn und auf der Zunge zu haben. „Rechnet das Böse nicht zu“ würde dem Satz entsprechen, wenn es sich um ein Unrecht handeln würde. Hier ist es ein tatsächlich begangenes Übel, das stören würde, wäre da nicht die Liebe, die immer über dem Bösen steht, immer frei und immer heilig ist.
Daher freut sich die Liebe nicht über die Ungerechtigkeit, wie es die Bosheit tut, die nur zu gern ihr eigenes Übel durch das der anderen verdeckt; die Freude, die Sympathien der Liebe gelten der Wahrheit, die hier wie anderswo personifiziert wird. So erträgt die Liebe alles Ungemach, glaubt an alles mögliche Gute (vgl. Apg 9,27; 11,22-26), hofft alles, trotz des gegenwärtig offenkundigen Übels, erträgt alles, Verfolgungen oder Bedrängnisse, weil sie weiß, dass wir dazu bestimmt sind. Gott in Christus zu sehen, erhebt das Herz über die bedrückende Macht des Bösen oder gar des Verdachts. „Sie sucht nicht das ihre“ (οὐ ζητεῖ τὰ μὴ ἑαυτῆς); seltsamerweise heißt es in der vatikanischen Handschrift (B) „Sie sucht das ihre“ (οὐ ζητεῖ τὰ ἑαυτῆς), das heißt, die Liebe sucht nur ihren eigenen Vorteil! Das tun auch die Heiden, die Gott nicht kennen. Das ist der Charakter der Selbstsucht, nicht der Liebe. Doch Clemens von Alexandria zitiert diese falsche Lesart und begründet sie, als ob sie richtig wäre, in Paed. iii. 1, sec. 3; obwohl er an anderer Stelle die Klausel so zitiert, wie sie sein sollte. Man sieht, wie töricht es ist, solche Menschen auch nur im Geringsten für maßgebend zu halten.