Behandelter Abschnitt 1Kor 5,6-8
Noch hatten die Korinther kein Empfinden dafür, wie sie selbst in dieses schreckliche Übel verwickelt waren, und, was noch wichtiger ist, wie der Name des Herrn dadurch verunehrt wurde. Im Gegenteil, sie waren hochmütig, und es herrschte Leichtsinn. Deshalb sagt der Apostel:
Euer Rühmen ist nicht gut. Wisst ihr nicht, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert? Fegt den alten Sauerteig aus, damit ihr ein neuer Teig seiet, wie ihr ungesäuert seid. Denn auch unser Passah, Christus, ist geschlachtet worden. Darum lasst uns Festfeier halten, nicht mit altem Sauerteig, auch nicht mit Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit Ungesäuertem der Lauterkeit und Wahrheit (4,6–8).
Es kann kein ernsteres Prinzip für den praktischen und öffentlichen Wandel der Versammlung geben. Das Böse wird hier unter dem Symbol des Sauerteigs dargestellt. Es kann nicht nur unter Gläubigen existieren, sondern seine Natur ist es, zu wirken, sich zu verbreiten und die Masse an sich zu binden. Der Apostel besteht darauf, dass es niemals geduldet werden soll. Hier ist es ein moralisches Übel, im Galaterbrief ein lehrhaftes; und von den beiden ist das letztere das heimtückischere, weil es fadenscheiniger ist. Es schockiert das Gewissen nicht so unmittelbar oder stark, wenn überhaupt. Für den natürlichen Verstand ist die böse Lehre nur eine Meinungsverschiedenheit, und das großzügige Herz scheut sich, einen Menschen für eine noch so irrige Meinung zu ächten. Die Versammlung steht auf einem ganz anderem Boden, weil sie mit Christus in der Höhe identifiziert ist und der Heilige Geist hier auf der Erde in ihr wohnt. Keine Versammlung kann sich gegen das Eindringen des Bösen absichern, aber jede Versammlung Gottes ist verpflichtet, es nicht zu dulden.
Wenn das Böse bekannt ist, ist die Versammlung verpflichtet, es zu entfernen. An anderer Stelle können wir Einzelheiten im Umgang damit finden. Es gibt die, die vielleicht besonders geeignet sind, nicht nur zu erkennen, sondern auch moralische Kraft anzuwenden, und sie sind dafür verantwortlich, treu gegenüber Christus zu handeln, dessen Versammlung sie sind. Es ist keine Frage, dort, wo bekanntes Böses fortbesteht, Mitleid zu üben, noch weniger, es zu vertuschen. Das wäre ein Einverständnis mit Satan gegen den Herrn und das Verderben nicht nur des Einzelnen, der bereits verstrickt ist, sondern auch der Versammlung. Wenn die Versammlung das Böse kennt und es entweder aus Gleichgültigkeit unterlässt zu richten oder (was noch schlimmer ist) sich weigert, wenn sie gemäß dem Wort Gottes dazu aufgefordert wird, ist sie dem Namen des Herrn untreu und kann nicht länger als Versammlung Gottes angesehen werden, nachdem angemessene Mittel zur Erweckung versagt haben.
So schlimm der Zustand der Dinge in Korinth auch war, das Übel war noch nicht so weit fortgeschritten. Es war beschämend, dass ihr Gewissen noch nicht wachgerüttelt war, abgesehen vielleicht von Einzelnen, die dem Apostel oder anderen, die mit ihrem Unbehagen mitfühlten, Tatsachen mitteilten. Die Menge, wenn sie es wusste, verhielt sich so, als ob sie es nicht wüsste, und sie war stolz und aufgeblasen, anstatt sich im Kummer, und vor allem im Gebet vor Gott zu beugen. So früh schlich sich die Vorstellung ein, dass die Sünde in der Versammlung nur den direkt Schuldigen betrifft und nicht alle, und dass der Herr selbst anderen verbietet, zu richten, und befiehlt, dass Unkraut und Weizen bis zur Ernte zusammenwachsen. Ist es nötig, solch unheilige und unwissende Spitzfindigkeiten zu entlarven? „Der Acker ist die Welt“, nicht die Versammlung.
Jetzt kommt die ernste Warnung des Apostels in der treuen Liebe Christi zur Versammlung. Die Duldung des Bösen in irgendeinem Teil verdirbt das Ganze. Es verpflichtet den Heiligen Geist praktisch, das gutzuheißen, was Gott hasst. Keine Auslegung kann dem Geist der Ermahnung des Apostels mehr zuwiderlaufen als die, die annimmt, dass das Ganze nur dann gesäuert ist, wenn jeder Teil mit dem Sauerteig durchsäuert ist. In Wirklichkeit ist gemeint, dass ein wenig Sauerteig dem ganzen Teig seinen Charakter verleiht.
Sogar der verstorbene Dekan Alford (obwohl er weit davon entfernt ist, allgemein in der Lehre solide zu sein, streng im kirchlichen Prinzip oder fest für die Ehre Christi) spricht unvergleichlich besser als jene Brüder, die den heiligen Namen der Liebe entwürdigen, um ihren Freunde oder sich selbst zu Freiheit zu erlauben: „Dass dies der Sinn ist“, sagt er, „und nicht ,dass ein wenig Sauerteig, wenn er nicht ausgefegt wird, den ganzen Klumpen durchsäuert‘, geht aus der Sache selbst hervor, nämlich aus der Ungereimtheit ihrer Prahlerei, die nicht durch die Gefahr der Verderbnis im Jenseits, sondern durch den tatsächlichen Verlust ihres Charakters erscheint. Einer von ihnen war ein Hurer von furchtbar verdorbener Art, der geduldet und beherbergt wurde: durch diese Tatsache wurde der Charakter des Ganzen befleckt.“7
Der Apostel fordert sie daher auf, den alten Sauerteig auszufegen, damit sie ein neuer Teig seien, „wie ihr ungesäuert seid.“ Dies ist äußerst wichtig. Die Gläubigen sind ungesäuert, sie sollten es nicht nur sein. Ihr praktisches Verhalten gründet sich auf ihren Zustand. Alle Bemühungen, die Reinheit der Versammlung zu leugnen, kommen vom Feind. Der Apostel, der sogar an die Korinther schreibt, erinnert sie daran und besteht darauf. Er erinnert sie daran, was Gottes Gnade an ihnen getan hat. Er weckt ihr Gewissen auf, konsequent mit und für Christus zu handeln. Niemals denkt er daran, Sünde zuzulassen, denn Gläubige haben sowohl den alten als auch den neuen Menschen. Wurde nicht der alte Mensch mit Christus gekreuzigt? Wenn Gott das Gericht über ihn bereits vollstreckt hat, gibt es keine Entschuldigung, ihn zuzulassen.
Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat jeden Gläubigen frei gemacht. Er hat nicht nur eine neue Natur, sondern auch den Heiligen Geist, so dass das Wort und die Gnade Christi in ihm wirken können. Sie waren damals ungesäuert und mussten den alten Sauerteig ausfegen. Das eigentliche Ziel Gottes war es, die Versammlung in Reinheit für Christus und Christus entsprechend in dieser Welt zu formen, und die Verantwortung der Gläubigen ist es, individuell und gemeinschaftlich Ihm gemäß zu wandeln. Sein Wort macht seinen Willen deutlich.
Aber das Bild des ungesäuerten Teigs erinnert sofort an Christus als das wahre Passahlamm und an die konsequente Tilgung der Sünde durch sein Opfer. Das vertieft den Grund, auf dem der Apostel fordert, dass die Sünde von den Gläubigen gerichtet werden sollte, wenn jemand durch Unachtsamkeit in Sünde gefallen war und nicht bereut hat. Das Fest der ungesäuerten Brote war mit dem Passahfest verbunden, wie jeder Israelit wusste. Dies wird hier in einen praktischen Zusammenhang gebracht: „Darum lasst uns Festfeier halten, nicht mit altem Sauerteig, auch nicht mit Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit Ungesäuertem der Lauterkeit und Wahrheit“ (V. 8). Es mag neue Formen des Bösen geben, neben denen der alten Gewohnheiten und Vereinigungen. Aber wie der Jude allen Sauerteig entfernen musste, so ist der Christ ernstlich aufgefordert, mit dem Bösen in jeder Form schonungslos umzugehen.
7 Die Kursivschrift stammt vom Dekan. Ich zitiere seine Worte in keiner Weise als autoritativ, sondern als gerechte Zurechtweisung eines unheiligen Prinzips und Ziels durch jemanden, von dem man meinen könnte, er sei eher bereit, das Böse zu beschönigen. Viel mehr schuldig sind die, die es besser wissen und tun sollten (Kommentar zu 1. Korinther 5).↩︎