Behandelter Abschnitt 1Kor 4,2-5
Es ist kaum nötig, hier zu beweisen, dass „Geheimnisse“ niemals die Sakramente oder bekannten Institutionen der Christenheit bedeuten. Gottes Geheimnisse sind jene geheimen Dinge, die jetzt offenbart werden im Gegensatz zu dem, was Israel von früher her hatte (5Mo 29,29), nicht, wie gemeinhin angenommen wird, Dinge, die unverständlich sind, sondern Wahrheiten, die von Gott in alttestamentlichen Zeiten vorbehalten waren, die jetzt in Christus in der Höhe offenbart und durch den Geist im Neuen Testament bekanntgemacht werden.
Im Übrigen sucht man hier an den Verwaltern, dass einer für treu befunden werde. Mir aber ist es das Geringste, dass ich von euch oder von einem menschlichen Tag beurteilt werde; ich beurteile mich aber auch selbst nicht. Denn ich bin mir selbst nichts bewusst, aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt. Der mich aber beurteilt, ist der Herr. So urteilt nicht irgendetwas vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Überlegungen der Herzen offenbaren wird; und dann wird einem jeden sein Lob werden von Gott (4,2–5).
Der Apostel begründet dies mit dem Bild des Verwalters, bei dem Treue besonders gefordert war. Die kritische Lesart ist ὧδε statt des gebräuchlichen ὅ δέ, und es kann wenig Zweifel daran bestehen, dass Erstere und nicht Letztere richtig ist. Er fügt hier (d. h. auf der Erde) hinzu, denn bei Verwaltern wird verlangt, dass jemand treu befunden wird. Zweifellos ist es bei den Verwaltern der himmlischen Dinge von noch größerer Bedeutung; doch der Apostel achtet darauf, die persönliche Verantwortung des Verwalters in direkte Beziehung zu Christus zu setzen; „mir aber ist es das Geringste [oder: „ein ganz kleines Ding“], dass ich“, nicht genau, von euch gerichtet werde. Das Wort bedeutet eigentlich die Voruntersuchung vor dem Prozess. Nicht, dass dies in Verachtung der Gläubigen in Korinth gesagt wurde; der Tag oder die Untersuchung des Menschen wurde von ihm ebenso billig gehalten, wer auch immer sich erdreisten mag, eine Aufgabe zu übernehmen, die der Herr niemals an den Menschen delegiert hatte. Nicht nur, dass keiner dazu befähigt ist, auch der Geist gibt keine ausreichende Kraft für diese Sache. Es ist dem Herrn vorbehalten, der allein zuständig ist, auch wenn das Geschöpf denkbar dazu tauglich gemacht werden könnte. Auch hier war es keine Herabsetzung anderer oder Selbstgefälligkeit, denn er lehnt ausdrücklich jede Anmaßung ab, unverantwortlich zu sein oder sein eigener Richter zu sein.
Der Mensch ist für eine solche Untersuchung völlig ungeeignet, wäre er auch ein Apostel: ja, es wäre eine Anmaßung der Funktionen des Herrn. Es ist von größter Wichtigkeit, dass dieses unmittelbare Empfinden der Verantwortung Ihm gegenüber immer und überall aufrechterhalten wird. Ob es sich nun um Paulus oder Apollos handelt, es ist das gleiche Prinzip. Es gilt auch nicht nur für diejenigen, die Gott in der Versammlung oder im Dienst Christi an die erste Stelle gesetzt hat, sondern für die Letzten oder Geringsten nicht weniger als für die Ersten. Dem Herrn allein steht es zu, ihren Dienst zu erforschen.
Wiederum ist es von größter Wichtigkeit zu sehen, dass die Versammlung keine solche Autorität oder Pflicht hat. Christi Diener können gemäß ihrer Gabe in seiner souveränen Verfügung der Versammlung dienen, oder sie können allen Menschen gegenüber Schuldner des Evangeliums sein; aber in ihrem Dienst, in allen Einzelheiten wie auch im Prinzip, sind sie allein Christus gegenüber rechenschaftspflichtig. Denn Er, und nicht die Versammlung, hat ihnen die Gabe gegeben, deren Besitz und Ausübung sie zu seinen Dienern macht. Wie sie berufen sind, die Versammlung zu lieben und zu ehren, so ist die Versammlung verpflichtet, ihre direkte Zugehörigkeit zu Christus, dem Herrn, anzuerkennen und sich nicht zwischen Ihn und sie zu stellen.
Die Diener sind zweifellos Gläubige, und als solche kommt ihr Verhalten, wenn es scheinbar so falsch ist, unter Zucht und, wenn es wirklich böse ist, unter heiligen Tadel. Keine Person und kein Amt genießt oder sollten Immunität genießen. Nein, die Lehre von Lehrern, wenn sie falsch ist, würde sie dem Urteil der Versammlung unterstellen, und zwar strenger als im Fall anderer, aufgrund ihrer Stellung, vielleicht sogar der Wegweisung. Ein eindeutig unsachgemäßer Gebrauch ihrer Gabe zu selbstsüchtigen Zwecken könnte sie einer ähnlichen Behandlung aussetzen, wenn die Lehre auch nur annähernd richtig wäre. Doch in ihrem Dienst als solchem, abgesehen von solchem Übel, sind die Diener Christi direkt und ausschließlich Ihm selbst gegenüber verantwortlich. Sie haben keine Dame über sich in der Versammlung, sondern sind nur dem Herrn untergeordnet. Die Aufgabe dieser Wahrheit, die Behauptung der Autorität der Versammlung anstelle der Autorität Christi über das Amt, brachte den Katholizismus und schließlich das Papsttum hervor, obwohl sich in beide und besonders in das letzte andere und noch tödlichere Zutaten mischen konnten. Aber die Ersetzung Christi durch die Kirche bei der Regelung des Amtes sowie der Anspruch, dessen Quelle zu sein, ist zweifellos ein Übel schwerster Natur; und dem Protestantismus ist es keineswegs gelungen, diesen bösen Geist vollständig auszutreiben. Sehen wir ihn nicht aktiv im Presbyterianismus, blühend im Wesleyanismus, grob und unverblümt im Kongregationalismus? Wahrlich, wir können sagen, dass diese Art nur durch Gebet und Fasten austrieben wird; denn da die Energie und Selbstgefälligkeit nicht der Geistlichen, sondern der Menschen sie liebt, so ist es nur der Glaube, der in beständiger Abhängigkeit vom Herrn wandeln kann, so dass er auf sie verzichten kann und sie zu einem Eindringen und Ärgernis macht.
Es ist auch von größtem Interesse, die Ausdruckswahl des Apostels zu beachten. Sogar wenn er vom Herrn spricht, sagt er nicht κρίνων, sondern ἀνακρίνων με. Die Wahrheit ist, dass der Gläubige niemals ins Gericht (κρίσιν) kommt, wie unser Herr selbst in Johannes 5 dargelegt hat; wenn er es täte, müsste er verloren sein. Leben und Gericht sind unvereinbar. Wer Christus und das Leben in Ihm ablehnt, wird mit Sicherheit gerichtet werden. Er ist verloren, und das wird dann offenbar werden.
So wird die Ehre Christi von Gott an denen gerechtfertigt, die seinen Sohn verschmäht haben. Diejenigen, die an Ihn glauben, sind zu keiner solchen zwanghaften und verderblichen Huldigung aufgerufen; sie beugen sich schon jetzt gern vor Ihm, ihrem Herrn und Leben. Sie werden Gott Rechenschaft ablegen; sie werden entsprechend den Dingen, die sie im Leib getan haben, empfangen, wie sie vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden; aber sie werden niemals ins Gericht kommen, da sie schon Glauben und ewiges Leben in Ihm haben. Sie üben sich also, jetzt ein gutes Gewissen zu haben.
So sagt der Apostel hier (er spricht nicht von seinem vergangenen Leben, obwohl er auch dort gewissenhaft gewandelt hat, wiewohl er verblendet war und so mit erhobener Hand sündigte): „Ich bin mir nichts bewusst“, und doch, fügt er hinzu, „aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt“ (V. 4). Ein gutes Gewissen ist eine gute Sache; aber es reinigt nicht die Person, die in diesem oder jenem durch Eigenliebe oder andere Gefühle geblendet sein mag. Der Herr wird bei seinem Kommen entscheiden; Er ist es, der die einzig angemessene Untersuchung vornimmt. „So urteilt nichts irgendetwas vor der Zeit [was sich die Korinther anmaßten], bis der Herr kommt, der [uns nicht richten, sondern] auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Überlegungen der Herzen offenbaren wird; und dann wird einem jeden sein Lob werden von Gott“ (V. 5). In jener Epoche wird alles, was das Dunkel suchte, um der Entdeckung zu entgehen, im Licht Gottes entlarvt werden, das sogar die Überlegungen offenbaren wird, die die Herzen selbst nicht durchschauten. Wie trügerisch ist oft das Lob der Menschen jetzt, wo Schein und Schatten für die meisten herrschen! Dann wird jeder das Lob haben, das ihm gebührt und von Gott dauerhaft und kostbar ist. Davon allein spricht der Apostel hier. Er hatte schon vom Verderben gesprochen und von der Erlösung, wo das Werk des unachtsamen Arbeiters verbrannt wird.