Behandelter Abschnitt Röm 16,1-2
Es folgen Grußworte des Apostels. Nicht, dass der Apostel in Rom gewesen wäre, noch weniger hatte er dort gewirkt, aber das veranschaulicht den Grundsatz umso mehr. Es gibt solche, die mitarbeiten, und ein besonderes Band mit den Gläubigen, durch die man von Gott gesegnet wurde. Doch das göttliche Band der Liebe ist sowohl tiefer als auch größer als das, was gewöhnlich von christlichen Menschen erkannt wird. Die Liebe ist von Gott und erstreckt sich auf alle, die aus Gott sind, ja, über sie hinaus, im Überfließen der Gnade Gottes, die die Verlorenen zu retten sucht. Außerdem ist sich der Apostel über seine Beziehung zur Ausstrahlung seines Herzens unter den Nationen völlig im Klaren, und so hatte die Weisheit Gottes, als er an die Christen in dieser Stadt, der Metropole der Welt, schrieb, dafür gesorgt, dass sie sich, so prahlerisch sie auch war und noch viel prahlerischer sein würde, wenn die Kirche völlig in den Wegen und Begierden der Welt und in der Unwissenheit über Gott versank, nicht wahrhaftig einer Gründung durch einen Apostel rühmen sollten.
Die Botschaft der Gnade in der Erlösung wurde nach Rom getragen, aber eher auf indirektem Weg als durch den ausdrücklichen Besuch eines der bekannteren Arbeiter des Herrn, noch weniger durch einen Apostel. Dass sie von Petrus gegründet oder geleitet wurde, ist eine bloße Fabel, die sich auf keine Beweise stützt, außer auf die der Väter, deren Aussagen über die Tatsachen in jenen frühen Tagen ungeheuer unzuverlässig sind und in offenem Widerspruch zu den inspirierten Aufzeichnungen stehen. Petrus war der Apostel der Beschneidung, ob in Israel oder außerhalb, und wo wir von seinem Wirken außerhalb hören, ist es mit den Gläubigen aus der Mitte der Juden, entsprechend der Vereinbarung (zweifellos durch den Geist Gottes) mit dem Apostel Paulus, der das Apostelamt der Unbeschnittenen hatte; und gerade dieser Brief gibt einen unzweifelhaften Beweis dafür, dass Paulus Rom noch nicht besucht hatte, obwohl er die Gläubigen dort bereits voll anerkennt. Es ist möglich, dass diejenigen, die das Evangelium zuerst dorthin trugen, die Römer waren, die sich am Pfingsttag in Jerusalem aufhielten (Apg 2,10). Sicherlich wohnten damals in Jerusalem Juden, fromme Männer, aus allen Nationen unter dem Himmel, und man kann nicht daran zweifeln, dass ihre Besuche oder ihre Rückkehr oder sogar ihre Mitteilungen in ihr eigenes Land dazu beitrugen, das Evangelium weit und breit zu verkündigen.
Wie dem auch sei, der Apostel geht in seinen Grußworten an die Menschen in Rom bemerkenswert in Einzelheiten.
Ich empfehle euch aber Phöbe, unsere Schwester, die auch eine Dienerin der Versammlung in Kenchreä ist, damit ihr sie in dem Herrn, der Heiligen würdig, aufnehmt und ihr beisteht, in welcher Sache irgend sie euch nötig hat; denn auch sie ist vielen ein Beistand gewesen, auch mir selbst (16,1.2).
Wir wissen aus anderen Stellen, dass ältere Frauen, besonders Witwen, eine offizielle oder quasi-offizielle Stellung innehatten, in der sie der Versammlung, in der sie lebten, einen Dienst erwiesen. Eine Diakonin wie Phöbe unterschied sich von diesen Witwen; aber die eine veranschaulicht die andere: Der Wert dessen wurde in der Antike besonders empfunden, bevor das Christentum die Stellung der Frau rechtfertigte, und auch dies besonders im Osten sowie im ausschweifenden Griechenland. In der Tat gibt es zu allen Zeiten und an allen Orten Funktionen, die von Zeit zu Zeit passender von einer gottesfürchtigen Frau ausgeübt werden als von irgendeinem Mann, wie rein oder alt er auch sein mag. Phöbe war eine von diesen in der Versammlung des Hafens von Korinth, in Kenchreä. Wie sie auf diese Weise vom Herrn geehrt und von seinen obersten Dienern im gewöhnlichen Kreis ihrer christlichen Pflicht anerkannt worden war, so stellt der Apostel sie jetzt den Gläubigen in Rom vor, damit sie sie in angemessener Weise aufnehmen, und zwar nicht nur in geistlichen Dingen, sondern in allen Angelegenheiten, in denen sie ihre Hilfe brauchen könnte, denn auch sie war, wie er liebevoll hinzufügt, ein Beistand vieler und auch für ihn selbst gewesen.