Der Apostel hatte die Lehre von der Gnade in der Sühnung und der Erlösung dargelegt; er hatte in der Auferstehung Christi das lebendige Bindeglied gezeigt, das die Rechtfertigung des Gläubigen mit dem Leben und damit mit der Heiligkeit des Wandels und des Herzens verbindet – ein Bindeglied, das in der Lehre, wenn nicht gar in der Praxis der Kinder Gottes zu oft vergessen wird. Er hatte die unterschiedslose Gnade Gottes im Evangelium mit den Wegen Gottes und den besonderen Verheißungen an Israel in Übereinstimmung gebracht und durch den vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Verlauf der Haushaltungen auf der Erde gezeigt, dass, so wie das Teil des Menschen die Untreue durch den Unglauben mit all ihren elenden Folgen war, so war und wird der Triumph der Güte Gottes für die Heiden jetzt und für die Juden in Kürze sein, die alle im Unglauben endeten, damit Er sich aller erbarme.
Nun beginnt er förmlich, die Gläubigen durch die Barmherzigkeit Gottes zu ermahnen, die sich so in der Erlösung und sogar in seinen Haushaltungen zeigt:
Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer, was euer vernünftiger Dienst ist (12,1).
Es ist die ausführliche Anwendung des Prinzips, das in Kapitel 6 beschrieben wird, wo wir zum ersten Mal davon hören, dass der Christ sich selbst der Sünde für tot halten soll, aber lebend in Christus Jesus für Gott, unter der Gnade, nicht unter dem Gesetz. Davon gibt es nun kein Zurückweichen zum Gesetz, wie der Ton der Ermahnung selbst bezeugt. Doch die Barmherzigkeit Gottes soll den Gläubigen in sittlicher Hinsicht formen, innerlich und äußerlich. So wie der Apostel in Kapitel 10 den Wert des Bekenntnisses mit dem Mund und des Glaubens mit dem Herzen gelehrt hatte, so werden hier die Brüder aufgefordert, ihre Leiber als Schlachtopfer für Gott darzustellen. Viele wären damals wie heute geneigt gewesen, eine innere Ergebenheit mit einem Freibrief für den äußeren Menschen zu bekennen. Die Möglichkeit dieser Selbsttäuschung wird hier ausgeschlossen, zumal die Ermahnung nicht an Juden mit ihrem System äußerer Vorschriften gerichtet ist, sondern an Christen, die wissen, dass es ohne Glauben unmöglich ist, Gott wohlzugefallen. So wird der Dienst am ganzen Menschen beschrieben, wie der Apostel an anderer Stelle in seinen Wünschen für die Gläubige in Thessalonich sagt: „Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig; und euer ganzer Geist und Seele und Leib werde untadelig bewahrt bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus“ (1Thes 5,23).
Wiederum ist das Wort „darzustellen“ so formuliert, dass es die Vorstellung einer vollendeten Handlung vermittelt, die in ihrem Abschluss zusammengefasst ist. Es handelt sich nicht um eine bloße Anstrengung wie unter dem Gesetz, sondern um eine Sache, die ein für alle Mal geschehen ist, obwohl sie natürlich den gesamten christlichen Lebensweg bis zum Letzten entsprechend diesem Anfang prägt. Der Geist Gottes sieht nichts Geringeres für jeden von Gott aus dieser Welt herausgerufenen Menschen vor, der durch den Tod seines Sohnes versöhnt und durch sein Leben gerettet werden wird. Wie könnte Er den Standard des Christus herabsetzen?
Aber die Erwähnung von Leibern in Gottes Weisheit verbindet sich mit dem Gedanken eines Opfers, das damals jedem Verständnis, sogar bei den Heiden, sehr vertraut war. Nur ist es im Christentum eine unvergleichlich intimere und persönlichere Frage als im Judentum. Nicht die Tiere, die dem Tod und der Opferung geweiht sind, genügen und passen, sondern der eigene Leib, und dies natürlich als lebendiges Schlachtopfer im Gegensatz zu den Leibern der toten Tiere, die von sich aus keinen Einfluss auf die Person hatten. Die Selbstaufopferung des Christen ist Gott wohlgefällig. Es ist zudem heilig, denn was einst gerecht so war, erweist sich in Wahrheit als profan, jetzt, wo das wahre Licht leuchtet. Es ist für Ihn annehmbar als Ausdruck dafür, dass Gott seinen wahren Platz erhält und der Mensch, der Gläubige, den seinen. Ohne dies ist der Schein, Gutes zu tun und mitzuteilen, eitel. Wenn sie echt sind, sind Ihm solche Opfer in der Tat wohlgefällig. Ferner ist dies unser „vernünftiger Dienst“. Die weltlichen Elemente sind verdammt, die fleischlichen Ordnungen sind vergangen, die formale Anbetung hat ein Ende. Gott wird nur noch auf einsichtige Weise gedient werden. Es geht nicht darum, dass die Vernunft ohne das Wort für sich selbst urteilt, sondern dass der Geist das Verständnis durch die göttliche Offenbarung leitet, die in wachsendem Maß verstanden wird.