(Ein Auszug aus seinem Buch „Aus Glauben in Glauben“)
Völlige Übergabe
Vers 1+ 2 des zwölften Kapitels sind gleichsam eine Schlussfolgerung, die sich unmittelbar an das 11. Kapitel anreiht. „Ich ermahne euch nun liebe Brüder,“ nach allem, was ich euch eröffnet habe in Bezug auf Gottes Reichsratschluss über die Völkerwelt, über die Heiden, wie auch über die Juden. „Ich ermahne euch nun liebe Brüder, dass ihr eure Leiber gebet als ein Opfer, das da lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist, welches sei euer vernünftiger Gottesdienst, dass ihr prüfen möget, welches sei der gute, vollkommene und der wohlgefällige Gotteswille.“ Es wird den Kindern eine Last, wenn Eltern oder Lehrer immer wieder Forderungen an sie stellen, die sie nicht erfüllen können, die nicht billig sind; es reizt sie zum Ungehorsam.
Der Apostel stellt auch seine Forderungen und Ermahnungen, aber er tut es, Kraft der Barmherzigkeit Gottes. Es ist Erbarmen seitens Gottes, wenn er Forderungen an uns stellt; denn hinter seinen Forderungen steht Gabe, Gnadengabe. Es ist Erbarmen, wenn uns der Herr keine Ruhe lässt, wenn er uns Boten sendet, die uns ernstlich zusprechen und ermahnen. Es war Erbarmen, dass der Apostel der römischen Gemeinde keine Ruhe gelassen hat. Gottes Barmherzigkeit hat ihn dazu getrieben. Und was verlangt er, Kraft dieser Barmherzigkeit Gottes? Menschlich gesprochen ganz Unbilliges. Sie sollen Leib, alle Kräfte Leibes und der Seele, ihre ganze Tätigkeit, Hände und Füsse, Hirn und Herz, alle Kräfte ihres Wesens Gott zum Opfer hingeben.
Gott hat uns unseren Leib und alles, was wir sind und haben, geliehen, damit wir ihm damit dienen. Er hat uns aus unserem Selbstleben, in dem wir entweder auf unseren Körper hineinhausten2 oder uns in Grössenwahn entwickelten, herausgerissen und uns gelehrt, es alles ihm zu Füssen und selbst mit allem, was wir sind und haben, ein Brandopfer zu werden auf Seinem Altar, ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer.
Wir selbst, lieber Leser, wir selbst, kommen nicht zur Ruhe, bis wir Gott alles auf den Altar gelegt haben. Gott irgendetwas vorzuenthalten oder zu rauben, bringt uns keine Profit. Das bezahlt man teuer. Das Beste muss zu ihm zurück, dann mehrt es sich und kommt zu einem vollen Ertrag, sonst löst es sich ab und stirbt, und wir bringen keine Frucht. Der Gedanke, wir könnten davon profitieren ist unvernünftig. Es ist unvernünftig, etwas von dem, was Gott gehört, für sich in Anspruch zu nehmen. Die Sünde ist Wahnsinn, Torheit. Gott gehorchen bahnt der Weisheit einen Weg und ist Weisheit.
In gewisser Hinsicht ist das 12 Kapitel des Römerbriefes die Fortsetzung von Römer 8, wenn man die drei dazwischen liegenden Kapitel als Parenthese nimmt. Es beginnt mit einer Ermahnung, nicht mit der Aufbürdung einer Last, sondern mit einem Stück göttlicher Gnade und Barmherzigkeit. Was ist es anderes als Erbarmen Gottes, wenn er uns nicht stehen, nicht zu kurz kommen, nicht unterwegs stecken lässt, sondern uns weiter und immer weiter führt, wenn Er keine Ruhe hat und uns keine Ruhe gönnt, bis unser ganzes Sein und Wesen nach Geist, Seele und Leib zurückgekehrt ist unter Seine Botmässigkeit, Seine Kontrolle, Seine Verfügung zu Gott, aus dem Dienste der Eitelkeit, der Eigenliebe, der Sinnlichkeit, der Nichtigkeit.
Für Gott da zu sein und Ihm sein Leben weihen zu dürfen, ist der höchste Adel, den man sich denken kann. Und das ein Apostel dies tun kann und darf, dass Gott Seinen Sohn und Seine Apostel zur Verfügung gestellt hat, um uns wieder in die Hände zu bekommen, das ist nicht Rechthaberei seitens Gott, wenn man so sagen darf. Ja, Gott ist souverän und muss recht behalten, aber hier offenbart sich heiliges Erbarmen mit irre gelaufenen Schafen, die sich ins Unglück rennen, sobald sie von ihrem Hirten fortgehen.
Das Erbarmen Gottes ist's, das uns keine Ruhe lässt, bis Er die Leitung, Direktion, Wege, Zeit und Zeiteinteilung der Seinen in der Hand hat. Es muss alles zurück in Gottes Hand, der alles geschaffen hat und in dessen Hand allein alles Geschaffene zu Seinem Rechte und Bestand, zu Seiner Verwertung, zu Seinem Ziele und Zweck kommt. Alles andere ist Torheit, Irrelaufen, Selbstbetrug und Gottesbetrug. Wenn wir Gott um das bringen, was Ihm gehört, so leiden wir in erster Linie selbst darunter. Gestohlenes bringt uns keinen Segen, keine Gewinn. Gott berauben ist der schwerste Raub, den man begehen kann.
In der Elberfelder Bibel heisst es im ersten Vers: „So ermahne ich euch nun, liebe Brüder, dass ihr eure Leiber begebet zum einem lebendigen Schlachtopfer…“ eure Leiber, und das nicht nur aus Recht der Schöpfung, sondern auch auf Grund der mit der Gabe des heiligen Geistes versiegelten Erlösung. Damit dass Gott uns Seinen Geist gegeben hat, dass unsere Leiber Tempel des heiligen Geistes geworden sind, sind wir Gott verschrieben für Zeit und Ewigkeit. „So ermahne ich euch nun, liebe Brüder, dass ihr eure Leibe hingebt…,“ in allen ihren Bewegungen, in der ganzen Entwicklung eures äusseren und inneren Lebens, auch in der Gedankenwelt. Auch was die Verwertung eurer Zeit betrifft, tut nie, als wäret ihr eure eigenen Herren und als könntet ihr frei über euch selbst verfügen, sondern erkennt immer und überall Gott als euren Herrn an. „Als lebendige Schlachtopfer.“
Die Tiefen der Heilsgedanken Gottes können in menschlicher und irdischer Sprache nur zu ihrem Recht kommen durch Anhäufung oder Nebeneinanderstellung von Worten und Begriffen, die einander im gewöhnlichen Leben ausschliessen. „Lebendige Schlachtopfer.“ Ein Schlachtopfer wird hingeschlachtet. Im Reiche Gottes gibt es wandelnde Schlachtopfer, die gerade dadurch voller Leben, voller Gesundheit, voller Kraft sind, weil sie geschlachtet, für Gott geopfert sind. dass sie allem Dienst des eigenen Lebens und der Kreaturen entzogen und als Gottes Eigentum versiegelt sind.
Wenn wir in diese Stellung eingehen und Schlachtschafe werden, wenn wir entschlossen in dieser Stellung verharren, dann kann alles, was uns früher aus der Stellung von Schlachtschafen weg gebracht hatte, indem uns Menschen durch Lobhudelei3 oder Tadel aus der rechten Bahn zu bringen versuchten, nur tiefer in unseren Gott hineinführen, so dass wir in Seinem Lichte erkennen, wo Menschen in etwa recht haben mit ihrer Kritik.
Loben uns andere aber, so kann solches Lob sofort zu dem aufsteigen, dem es gebührt. Denn was wirklich an Liebeswürdigem an uns zu finden, in unseren Charakter eingegraben ist, das kommt von Gott und dafür gebührt Gott die Ehre, nicht uns. Tempelraub gilt selbst bei den Heiden als das schwerste Verbrechen. „Lebendige Schlachtopfer“ sollen wir sein, tiefer und immer tiefer eingehend in das Leiden Christi, in die Leidens und Todesgemeinschaft mit dem Gekreuzigten und damit immer tiefer hinunter steigend in das wahre Leben, das nur die Geschlachteten, mit Christo Gekreuzigten seine volle Entfaltung findet. Mit Ihm gekreuzigt, mit Ihm begraben, mit Ihm auferstanden und mit Ihm in eine neue Welt verpflanzt und dort eingepflanzt, darum auch aus einer anderen Welt Nahrung schöpfend und Lebenszuflüsse beziehend.
Als Heilige, Gott Geweihte und von Gott Angenommene sind wir Gott wohlgefällig, weil wir uns Ihm dargebracht haben auf dem Altar Jesu Christi, der alles reinigt und heiligt. Gott wohlgefällig durch Jesum Christum. Einen anderen Weg zu Gottes Wohlgefallen als durch Christum, unseren Herrn, gibt es nicht. „Siehe das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe,“ hat Gott der Vater bezeugt und wirklich hatte Er nichts als absolutes Wohlgefallen an Ihm. Das ist dann ein vernünftiger, logischer Gottesdienst, der unseren Verhältnissen und der ganzen Sachlage entspricht.
Leibeigener irgend eines anderen zu sein, wie es im Altertum bei den Sklaven der Fall war, ist etwas ungemein Schweres für einen Menschen. Verfügt jemand über deinen Leib, so verfügt er über dich. So hart es nun aber ist, Leibeigener eines Mitmenschen sein zu müssen, so barmherzig ist es andererseits von Gott, dass unsere Leiber in Seine Leitung und Obhut zurückkehren dürfen. Eine höhere Freiheit als die, dem Herrn der Herrlichkeit zur Verfügung zu stehen, gibt es nicht. Es kann da niemand mehr Ansprüche an uns erheben, wir gehören dem Herrn und wenn jemand Ansprüche an und macht, muss er zuerst Gottes Unterschrift haben, denn es muss immer in den von Gott gezogenen Grenzen sein. „Schlachtopfer, Ganzopfer,“ wie der Apostel schreibt, sind nicht lebendig. Ein geschlachtetes Tier hat sein Leben eingebüsst. Was sich aber, wie gesagt, im gewöhnlichen Leben ausschliesst, begegnet sich in der Geisteswelt auf höherem Boden. Wir werden erst dadurch wahrhaft lebendig, dass wir uns auf den Altar Gottes legen, sonst sind wir unsere eigenen Sklaven und andere verfügen über uns.
Ist Gott unserer alleiniger Herr, so kann sonst niemand über uns verfügen, ohne sich vorher an unseren Herrn gewandt zu haben. Das ist dann der rechte Gottesdienst der Gottgeweihten, der Geheiligten und für Ihn Erkauften; alles andere ist unvernünftig und unlogisch.
2 Die Bedeutung dieses Wortes ist unklar. Eventuell geht es darum: „Etwas in unseren Körper hineinfressen“.↩︎
3 übertriebenes, schmeichelndes Loben↩︎
Auszug aus seinem Buch „Aus Glauben in Glauben“
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