Behandelter Abschnitt Röm 3,9-20
Dann wird ab Vers 9 das allgemeine Argument wieder aufgenommen, umso stärker wegen der Unterbrechung, die das eitle Ringen und die verschiedenen Nörgeleien des Juden zurechtwies.
Was nun? Haben wir einen Vorzug? Durchaus nicht; denn wir haben sowohl Juden als auch Griechen zuvor beschuldigt, dass sie alle unter der Sünde sind, wie geschrieben steht: „Da ist kein Gerechter, auch nicht einer; da ist keiner, der verständig ist; da ist keiner, der Gott sucht. Alle sind abgewichen, sie sind allesamt untauglich geworden; da ist keiner, der Gutes tut, da ist auch nicht einer.“ „Ihr Schlund ist ein offenes Grab; mit ihren Zungen handelten sie trügerisch.“ „Schlangengift ist unter ihren Lippen.“ „Ihr Mund ist voller Fluchen und Bitterkeit.“ „Ihre Füße sind schnell, Blut zu vergießen; Verwüstung und Elend ist auf ihren Wegen, und den Weg des Friedens haben sie nicht erkannt.“ „Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen.“
Wir wissen aber, dass alles, was das Gesetz sagt, es zu denen redet, die unter dem Gesetz sind, damit jeder Mund verstopft werde und die ganze Welt dem Gericht Gottes verfallen sei. Darum, aus Gesetzeswerken wird kein Fleisch vor ihm gerechtfertigt werden; denn durch Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde (3,9–20).
Der Jude ist also nicht besser. Die Heiden waren völlig würdelos und schuldig, wie wir in Kapitel 1 gesehen haben. Die Juden hatten im Verhältnis zu ihren übermäßigen Vorrechten Schande auf den Herrn gebracht. Um diesen letzten Punkt zu bekräftigen, zitiert der Apostel aus den Psalmen und Propheten, besonders aus Psalm 53 und Jesaja 59. Gerechtigkeit, Einsicht und sogar das Verlangen nach Gott waren nicht zu finden, sondern alles wurde beiseitegeschoben und war moralisch nutzlos. Nein, jedes ihrer Quäntchen war verdorben oder gewalttätig: Kehlen Zungen, Lippen, Füße und Augen. Und dies war, wie bemerkt wird, Gottes Einschätzung, nicht nur die der Menschen, sondern der Juden, und richtet sich an die unter ihnen, wie kein Jude leugnen würde.
Die überwältigende Schlussfolgerung ist also, dass jeder Mund verstopft wird und die ganze Welt sich vor Gott schuldig erweist. Der Jude zweifelte nie an der Schlechtigkeit der götzendienerischen Griechen, Römer oder anderer Heiden. Dies war für ihn offensichtlich und unbestreitbar. Aber die schmeichelhafte und höchst falsche Schlussfolgerung der Immunität zog er aus seiner eigenen Stellung, da er Gottes Gesetz und Verordnungen besaß. Nein, begründet der Apostel, das beweist, dass eure Schuld noch größer ist als die der Heiden, wenn ihr nicht weniger unsittlich seid als sie; und dass dies der Fall ist, ergibt sich gewiss aus dem offenbarten Urteil des Gesetzes über die Menschen, die dieses Gesetz haben.
So stehen alle unentschuldbar in ihrer Schuld vor Gott; und dies, weil Gesetzeswerke nicht rechtfertigen können – noch weniger freilich die Werke, die der Verstand des Menschen vorschlägt, oder die der Wille anderer erzwingen kann. Wenn irgendwelche Werke irgendjemanden rechtfertigen könnten, so müssten die des Gesetzes Gottes für den Juden der sicherste Nutzen sein. Aber die Wahrheit ist, dass kein Fleisch aus irgendeiner solchen Quelle in seinen Augen gerechtfertigt werden kann; denn im Gegensatz dazu erzeugt das Gesetz niemals Heiligkeit, sondern ist nur das Mittel, um zu einer vollen Erkenntnis der Sünde zu gelangen.
Es gibt noch einen weiteren Punkt, den ich in Bezug auf die beiden Hauptteile, die der Apostel aus dem Alten Testament zitiert, bemerken möchte. Der Psalm und die bereits erwähnte Prophezeiung enden jeweils (1) der erste mit dem ernsten Wunsch, dass die Wende für Israel von Zion aus kommt und ihre Gefangenschaft der lang ersehnten Freude und Befreiung Platz macht und (2) der zweite mit der Erklärung, dass der Erlöser nach Zion kommen wird und der Bund des Segens für immer ihnen gehören wird. Das heißt, beide Texte schließen in ihrem ursprünglichen Zusammenhang ihren traurigen Bericht über Israels Sünde mit der Sehnsucht nach und der deutlichen Vorhersage des Reiches Gottes, das Israel wiederhergestellt wird, mit aller damit verbundenen Glückseligkeit und Herrlichkeit. Doch im Neuen Testament folgt ihnen die unterschiedslose Gnade Gottes für jeden Sünder, der an Christus glaubt. (1) Zuerst ist es die Erlösung durch Macht; (2) schließlich ist es die Erlösung durch Blut, die in der Zwischenzeit kommt, bevor der Erlöser in Macht und Herrlichkeit erscheint, was bald geschehen wird.
Bis jetzt war es zum größten Teil eine negative Aussage oder ein Argument. Der Beweis ist vollständig, dass der Jude nicht mehr Gerechtigkeit für Gott hat als der Heide, von dem kein Jude bezweifeln konnte, dass er hoffnungslos in der Sünde verdorben war, da in der Tat der Zustand der Heiden, bevor das Zeugnis des Evangeliums verkündigt wurde, äußerst beklagenswert war. Aber es war aus ihren eigenen Psalmen und Propheten erwiesen worden, dass Israel in den Augen Gottes ganz und gar böse war. Und um dies zu beweisen, braucht der Apostel nichts anderes als die zugegebene Grundvoraussetzung, dass, was immer das Gesetz sagt, es zu denen spricht, die unter dem Gesetz sind, das heißt den Juden. Da also beide als bloße Sünder erwiesen wurden (die Juden, die durch die weitreichendsten und ausdrücklichsten Aussagen ihrer eigenen gerühmten göttlichen Aussprüche den größten Anspruch hatten), wurde jeder Mund verstopft und war die ganze Welt dem Gericht Gottes verfallen. Das Gesetz machte seine Besitzer nicht besser, konnte sie nicht rechtfertigen, sondern nur völlige Erkenntnis der Sünde geben; das war die traurige Folge für den Sünder!
Was aber das Gesetz nicht vermochte, das tut Gott durch seine Frohe Botschaft.