Behandelter Abschnitt Apg 18,24-28
Hier wird eine Begebenheit erwähnt, die in ihrer Bedeutung für die Geschichte derer, die aus dem Übergangszustand, den die Lehre Johannes des Täufers darstellt, in das volle Licht des Evangeliums übergehen, wichtig ist. Die Episode besteht in der Tat aus zwei Teilen, ein Teil schließt mit Kapitel 18, der andere beginnt mit Kapitel 19; beide zielen darauf ab, dieselbe Sache im Wesentlichen zu illustrieren: Der erste Teil behandelt allerdings eine Frage der Wahrheit, der andere von der konsequenten Kraft des Geistes, die durch den Glauben an das Evangelium empfangen wurde. Betrachten wir beide in der richtigen Reihenfolge, also zuerst den Schluss des Kapitels vor uns.
Ein gewisser Jude aber, mit Namen Apollos, aus Alexandrien gebürtig, ein beredter Mann, der mächtig war in den Schriften, kam nach Ephesus. Dieser war in dem Weg des Herrn unterwiesen, und brennend im Geist redete und lehrte er sorgfältig die Dinge von Jesus, obwohl er nur die Taufe des Johannes kannte. Und dieser fing an, freimütig in der Synagoge zu reden. Als aber Priszilla und Aquila ihn hörten, nahmen sie ihn zu sich und legten ihm den Weg Gottes genauer aus. Als er aber nach Achaja reisen wollte, schrieben die Brüder den Jüngern und ermahnten sie, ihn aufzunehmen. Dieser war, als er hinkam, den Glaubenden durch die Gnade sehr behilflich; denn kräftig widerlegte er die Juden öffentlich, indem er durch die Schriften bewies, dass Jesus der Christus ist (18,24–28).
Hierbegegnet uns einfach ein jüdischer Arbeiter, der sich bald nicht mehr zu schämen brauchte, wie ungebildet er auch anfangs war. Er stammte aus der Stadt, die später eine berüchtigte Rolle bei der Verderbnis der himmlischen Wahrheit durch irdische Weisheit spielen sollte, war selbst ein Mann der Gelehrsamkeit oder der Beredsamkeit (denn das Wort λογιος wird für beides gebraucht) und in den Schriften bewandert. Er war auch nicht nur ein Gelehrter und sonst fähig, sondern bereits in den Wegen des Herrn unterwiesen. Aus Gott geboren, war er hinsichtlich der Einsicht einem gottesfürchtigen Juden voraus, doch ihm fehlte die vollere Wahrheit, die das Evangelium als Grundlage für das zu offenbarende Geheimnis bietet, mit all seinem wunderbaren Licht über Gottes Ratschlüsse und Wege. Da er außerdem eifrig in seinem Geist war, redete und lehrte er genau die Dinge „von Jesus“ (denn die richtige Lesart hilft, den wahren Sinn zu klären). Er war unwissend über alle jene Wahrheit, die über „die Taufe des Johannes“ hinausging. Auch fehlte es ihm nicht an Zivilcourage und Eifer. „Und dieser fing an, freimütig in der Synagoge zu reden“ (V. 26a).
Das warf die praktische und bedeutsame Frage auf, wie mit so begabten, aber wenig mit der Wahrheit vertrauten Gläubigen umzugehen sei. Die Gnade antwortet und regelt alles in ihrer eigenen Kraft. Der jüngste Fortschritt über die tote Ebene der orthodoxen Tradition ist zu begrüßen und zu pflegen. Wie beklagenswert ist es, heute die zu verachten, die dort sind, wo wir gestern waren! „Denn wer unterscheidet dich? Was aber hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber auch empfangen hast, was rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“ (1Kor 4,7). So tadelte der Apostel später die eitlen Korinther. Ganz anders war das Empfinden des gottesfürchtigen Paares, bei dem er in eben dieser Stadt gewohnt hatte:„Als aber Priszilla und Aquila ihn hörten, nahmen sie ihn zu sich und legten ihm den Weg Gottes genauer aus“ (V. 26b).
Auch nahm der gelehrte Alexandriner die private Unterweisung nicht nur des christlichen Juden, sondern auch seiner Frau nicht übel, die, wie wir aus der ungewöhnlichen Reihenfolge schließen können, mit einem größerem Verständnis als ihr Mann in die Wahrheit eingedrungen zu sein scheint. War das unvereinbar mit der apostolischen Ermahnung in 1. Timotheus 2,12? In keiner Weise. Eine Frau konnte die höchste geistliche Gabe besitzen, wie wir finden (Apg 21,9), dass die vier Töchter des Philippus dies tatsächlich taten; und gewiss gibt es Raum, um nicht zu sagen Verantwortung, für die gebührende Ausübung dieser und jeder anderen Gabe des Herrn, ohne mit seinem Wort zu kollidieren, ja es nur umso mehr auszuführen. Dem, der hat, wird gegeben werden. Apollos hatte genug, um diejenigen, die die Gnade Christi besser kannten, zu ermutigen, die Wahrheit gemäß dem Wort darzulegen, so wie er genug wahres Wissen über die Dinge hatte, die Jesus betreffen, um all das, was Priscilla und Aquila aus den Schriften darlegen konnten, zu schätzen und für sich zu begrüßen. „So steht geschrieben, dass der Christus leiden und am dritten Tag auferstehen sollte aus den Toten und in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden sollten allen Nationen“ (Lk 24,46.47).
Das geht weit über den verheißenen Messias hinaus, der der wesentliche Inhalt der Lehre des Johannes war, wobei die Menschen, die sie empfingen, zur Umkehr gedrängt wurden. Mehr wusste Apollos nicht, wie beredt er auch ihren Wert verkünden und wie geschickt er ihre Wahrheit durch treffende Beweise aus den alttestamentlichen Schriften bekräftigen mochte. Man kann zweifellos argumentieren, dass Johannes in seiner Predigt weiterging, weil er von Jesus als dem Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt, Zeugnis ablegte. Aber die Schlussfolgerung ist nicht richtig, dass Johannes die Erlösung durch sein Blut kannte oder lehrte. Nicht einmal die Apostel taten das, bis der Herr von den Toten auferstanden war. Johannes sprach im Geist über alles hinaus, was er persönlich erkannte. Er wusste ganz genau, dass Er, der inmitten derer stand, die Ihn nicht kannten, der Christus und Sohn Gottes in einem Sinn war, der nur Ihm selbst eigen war. Und deshalb predigte er die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden, indem er den, der mächtiger war, dessen Sandalen er nicht zu lösen vermochte, der mit dem Heiligen Geist taufen sollte, für sich in Anspruch nahm. Die Wirksamkeit seines Todes, die Macht seiner Auferstehung, die Herrlichkeit seines Platzes in der Höhe, hat Johannes nicht als die offenbarten und genossenen Wahrheit seines Glaubens verstanden; auch kein anderer tat es, bis die mächtigen Tatsachen stattfanden und im Geist aus dem Wort Gottes dargelegt wurden.
So war die Hilfe des christlichen Paares für Apollos ebenso willkommen, wie sie nötig war, um den Mängeln seiner Unterweisung abzuhelfen. Und wir können beobachten, wie weit entfernt und verschieden die von Gott eingesetzten Mittel von den formalen Methoden einer theologischen Schule waren. Können sich die Modernen einer höheren Wirksamkeit rühmen? Das mögen wohl die bezweifeln, die wissen, als welch fruchtbare Brutstätten der falschen Lehre sich theologische Schulen in allen Zeiten und Ländern erwiesen haben, protestantische ebenso wie katholische oder andere. Sie mögen mehr oder weniger gelehrt sein, sie mögen für ein paar Semester Griechisch, Hebräisch, Syrisch und dergleichen kultivieren; sie mögen ihre eigenen eigenartigen Traditionen und Dogmen lehren, mit den Gemeinplätzen der Theologie, sie mögen ihre Studenten in Komposition und Rhetorik ausbilden.
Doch die Wahrheit Gottes muss durch den Glauben erkannt werden, und nur dem Glauben kann sie gewinnbringend anvertraut werden. Das sind Güter, die in den Schulen so selten sind, dass man nie mit ihnen rechnen kann, obwohl sie natürlich hin und wieder dort zu finden sind, aber sogar dort, wo sie vorhanden sind, ist alles ungünstig für das Wachstum: Sie sind sehr belastet mit dem, was fremd und menschlich ist. Die Mittel, die Apollos durch die Gnade gewährt wurden und die der inspirierende Geist für unsere Führung aufgezeichnet hat, würden, so fürchte ich, in den Augen der Professoren oder sogar der Studenten der Theologie, die glauben, kaum Anklang finden; und sie würden sicher von allen verachtet werden, die nicht glauben, seien es Führer oder Geführte.
Doch Gott hat es für gut und weise befunden, uns wissen zu lassen, wie es Apollos bei seinem Unterricht erging. „Als er aber nach Achaja reisen wollte, schrieben die Brüder den Jüngern und ermahnten sie, ihn aufzunehmen. Dieser war, als er hinkam, den Glaubenden durch die Gnade sehr behilflich, denn kräftig widerlegte er die Juden öffentlich, indem er durch die Schriften bewies, dass Jesus der Christus ist“ (V. 27.28).So wurde sein Fortschritt allen offenbar, und hochmütige Widersacher wurden beschämt, während die Gläubigen durch ihn befestigt wurden. Denn Apollos konnte mit einer Kraft wirken, die über die hinausging, die ihn im Geheimen angeleitet hatten. Das ist der biblische Weg, um eine gute Stufe zu erlangen und viel Freimütigkeit im Glauben, der in Christus Jesus ist.