Behandelter Abschnitt Apg 19,1-4
Hier haben wir eine weitere Tatsache von großem Interesse, um den Zustand derer zu veranschaulichen, die noch nicht mit dem apostolischen oder sogar gewöhnlichen Zeugnis des Evangeliums bekanntgemacht wurden. Die Gnade Christi zeigt ihre Beweglichkeit, indem sie ihnen mit der Wahrheit begegnet, die sie brauchen, um sie in den vollen Genuss der christlichen Stellung zu bringen:
Es geschah aber, während Apollos in Korinth war, dass Paulus, nachdem er die oberen Gegenden durchzogen hatte, nach Ephesus hinabkam. Und er fand einige Jünger und sprach zu ihnen: Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, nachdem ihr gläubig geworden seid? Sie aber sprachen zu ihm: Wir haben nicht einmal gehört, ob der Heilige Geist da ist. Und er sprach: Worauf seid ihr denn getauft worden? Sie aber sagten: Auf die Taufe des Johannes. Paulus aber sprach: Johannes taufte mit der Taufe der Buße und sagte dem Volk, dass sie an den glauben sollten, der nach ihm käme, das ist an Jesus (19,1–4).
Es ist wichtig zu erkennen, was hier in dem inspirierten Bericht deutlich gemacht wird, dass diese unvollkommen unterrichteten Gläubigen, die Paulus in Ephesus fand, nachdem Apollos nach Korinth gegangen war, als Jünger anerkannt werden. Der Apostel stellt die Realität ihres Glaubens nicht in Frage. Er beobachtete wohl eine gewisse Gesetzlichkeit bei ihnen, die jedoch nicht die Frage aufwarf, ob sie aus dem Geist geboren waren, sondern ob sie von Ihm versiegelt waren. „Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, nachdem ihr gläubig geworden seid?“ (V. 2). Ihre Antwort macht den Unterschied ebenso deutlich wie bedeutsam. Sie hatten noch nicht einmal etwas vom Heiligen Geist gehört, als der Apostel fragte. Sie waren zweifellos nicht unwissend über das Alte Testament, und natürlich auch nicht über das Zeugnis des Johannes, wie aus dem Folgenden hervorgeht. Sie waren also mit dem Heiligen Geist vertraut, von dem in der Schrift gesprochen wird, und müssen direkt oder indirekt gehört haben, dass Johannes erklärte, der Messias werde mit dem Geist taufen. Ob dies schon eine Tatsache war, wussten sie nicht.
Die Existenz des Heiligen Geistes wurde nie in Frage gestellt. Was sie nicht einmal gehört hatten, war eine Antwort auf die Verheißung, noch weniger waren sie seiner teilhaftig. Das warf die weitere Frage auf: „Worauf seid ihr denn getauft worden?“, mit der Antwort: „Auf die Taufe des Johannes“ (V. 3). Sie wurden also nicht einmal auf dem Boden des christlichen Bekenntnisses getauft, denn, wie der Apostel abschließend sagt, war die Taufe des Johannes „eine Taufe der Buße“, denn er sagte dem Volk, dass sie an den glauben sollten, der nach ihm kommen würde, das heißt an Jesus. Die christliche Taufe setzt voraus, dass Er gestorben und auferstanden ist, dass das Erlösungswerk vollbracht ist und dass in seinem Namen das ewige Leben und die Vergebung der Sünden verkündet werden. Sie waren gläubig, der Heilige Geist hatte in ihnen gewirkt, so dass das Wort Gottes in sie eingedrungen war, aber es fehlte ihnen völlig an den unmittelbar verliehenen Vorrechten, die der Glaube an das Evangelium genießt.
Nun ist der Fall, den wir vor uns haben, nicht ohne Auswirkung auf die Gläubigen um uns her in der heutigen Zeit. Wie viele Gläubige gibt es, die nichts über die neue Geburt hinaus wissen und meinen, dies sei der allgemeine Segen des Christentums, wenn sie dadurch nicht auch in die Täuschung dessen verfallen, was sie höheres Leben, Heiligkeit, Heiligung oder Vollkommenheit nennen! Die letzten drei dieser Begriffe sind biblische Begriffe, aber wenn sie als ein Ziel, das es zu erreichen gilt, und besonders im Sinn der Verbesserung der Natur oder der praktischen Auslöschung der Sünde im Innern, gebraucht werden, verschleiern sie sehr ernste Mängel im Blick auf die Wahrheit.
Es ist daher zu beachten, wie sorgfältig die Schrift zwischen dem frühen lebendigen Wirken des Heiligen Geistes bei der Erweckung eines Menschen durch die Anwendung des Wortes und dem späteren Empfang des Geistes, wenn das Evangelium geglaubt wird, unterscheidet. Bei den Männern in Ephesus vor uns gab es noch kein solches Empfangen; dennoch waren sie aus Gott geboren, was nie etwas anderes ist als die Unterwerfung unter sein Wort. Aber es kann weit vom Evangelium seiner Gnade entfernt sein. Jeder Teil des göttlichen Wortes, so könnte man allgemein sagen, ist zur Belebung eines Menschen anwendbar, kaum wie in diesem Fall über das hinausgehend, was ein alttestamentlicher Gläubiger erlebte. Wie viele in der Christenheit ruhen sich auf der Verheißung aus und haben keinen Begriff von der Erfüllung! Sie geben natürlich zu, dass der Erlöser gekommen ist, aber von der vollbrachten Erlösung und der offenbarten Gerechtigkeit Gottes wissen sie gar nichts. Sie sind noch auf der Suche nach dem, was sie nicht als gegenwärtige Gabe Gottes bekommen haben, sie sind daher, wenn sie es ernst meinen, ängstlich, versucht, seufzen nach dem, was sie nicht kennen, wenn nicht über ihre eigene erwiesene Unwürdigkeit und die verräterische Bosheit ihrer Herzen. Sie übersehen ganz die Gnade und Wahrheit, die durch Jesus Christus gekommen ist; noch weniger ruhen sie auf seinem Erlösungswerk als gültig für sie selbst. Bin ich sein, oder bin ich nicht?
Das ist die Frage, die sie gewöhnlich quält. Angezogen von seiner Liebe, hören sie auf seine Worte und sind einen Augenblick erleichtert, doch dann steigt der Gedanke an sich selbst in ihrem Gewissen auf, und sie sind in der Tiefe, völlig unfähig, die Liebe eines heiligen Gottes mit ihrem tatsächlichen Zustand, den sie nur empfinden können, in Einklang zu bringen. Daher werden sie aus Unkenntnis des Evangeliums dazu getrieben, nach so manchen Zeichen eines erneuerten Zustandes zu suchen, wie sie in sich entdecken können; und so mühen sie sich in einem Leben von Hoffnungen, die sich mit Ängsten die Waage halten. Sie haben wenig Verständnisüber den totalen Ruin, wie sie von der Liebe Gottes zu ihnen haben. Und kein Wunder, denn sie sind nicht mit Christus, sondern mit sich selbst beschäftigt. Wie können solche dann dem Empfinden des inneren Elends entgehen, das für den Geist unvermeidlich ist, und umso mehr, wenn sie aus Gott geboren sind, bis sie durch den Glauben das mächtige Werk Christi kennenlernen, in dem alles Böse gerichtet, alle Sünden vergeben, die vollkommene Gerechtigkeit außerhalb von uns und doch für uns unabänderlich festgesetzt ist, und wir selbst Gott als seine Heiligen und Kinder nahegebracht werden, ohne dass eine Frage offen ist?
Von alledem konnten die Jünger in Ephesus nichts darüber wissen. Sie warteten erklärtermaßen dort, wo die Lehre und die Taufe des Johannes sie verlassen hatte. Doch sie glaubten an den, der nach ihm kommen würde, das heißt an Jesus. Aber sie wussten nichts von dem Segen, der bereits gekommen war, die Frohe Botschaft, die an die Stelle der Verheißungen getreten war, weil alles, was Gott verlangt, wie auch jedes Bedürfnis des ärmsten Sünders, bereits im Sühnungswerk unseres Herrn Jesus erfüllt ist. Und so ist es praktisch mit manchem Gläubigen jetzt, nicht nur in den Schulen des Zweifels, wo grundsätzlich der richtige Zustand als das schmerzlichste Zurückschrecken vor der Ruhe in der rettenden Gnade Gottes festgelegt wird, sondern angesichts der Tausenden, die ohne Zweifel an Jesus als dem einzigen Erlöser keine Vorstellung davon haben, dass Gott ihnen Frieden durch das Blut des Kreuzes Christi verkündet.
Auch sie stehen unter dem Gesetz; und daher in einem Zustand gewohnheitsmäßiger Knechtschaft durch die Furcht vor dem Tod, wobei die Gefühle für sich selbst ständig die einfache Wahrheit (auf der das Evangelium besteht) trüben, dass wir verloren sind und dass alles Gnade von Seiten Gottes ist, der bereits vollkommen verherrlicht wurde, was die Sünde am Kreuz betrifft, so dass Er auf dieser gerechten Grundlage, den Gläubigen vollständig segnen kann. In Unkenntnis dieser wunderbaren Gnade, die jeden Gedanken an sich selbst als böse und verloren ausschließt, was kann man da anderes tun, als nach dem Guten als Grund der Hoffnung bei Gott zu suchen, während man sich gleichzeitig unbestimmt bewusst ist, dass nichts anderes als Barmherzigkeit ausreichen wird? In Wahrheit ist alles verhältnismäßig unbestimmt in einem solchen Zustand, leider viel zu häufig in der Christenheit, wo nicht nur die Bösen das Evangelium brauchen, sondern auch viele „rechtschaffene“ Menschen, die durch den Geist erweckt wurden, um in gewissem Maß für Gott zu empfinden, aber noch nicht begreifen, dass der Sohn des Menschen für die Verlorenen gekommen und gestorben ist, damit sie durch den Glauben an sein Blut wissen, dass ihre Sünden getilgt sind und ihr alter Mensch mit Ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde abgetan sei, damit sie fortan nicht der Sünde dienen, sondern, von ihr befreit und zu Dienern Gottes geworden, ihre Frucht zur Heiligkeit und als Ende ewiges Leben haben.
Nun ist es in dem geschilderten Zustand zu viel, anzunehmen, dass Menschen, die gegenwärtig unglücklich sind und einen unsicheren und oft schwindenden Trost aus der Zukunft schöpfen, obwohl sie beten und gottesfürchtig sind, den Heiligen Geist, das unvergleichliche Vorrecht des Evangeliums, empfangen haben; und dies, weil sie nicht wirklich über die Verheißung hinausgehen, an die sich ein alttestamentlicher Gläubiger richtig wie an seinen Rettungsanker im Sturm klammerte, als das Licht noch nicht dämmerte. Es ist traurig, wenn sich ein Jünger jetzt in einem ähnlichen Zustand befindet, anstatt sich der Gerechtigkeit Gottes zu unterwerfen und so Frieden mit Ihm zu haben, als gerechtfertigt durch den Glauben durch unseren Herrn Jesus Christus.
Wir sind alle keine Apostel, aber es ist kein geringer Teil unserer Arbeit und unseres Zeugnisses, den wahren Bedürfnissen solcher Menschen zu begegnen. Vergeblich sucht man sonst nach einem weltabgewandten Wandel, nach Anbetung im Geist und in der Wahrheit, vergeblich, oder schlimmer als vergeblich, drängt man diese schwachen Gewächse in die hohe Region der Vorrechte der Versammlung als Leib Christi, oder gar ihrer Pflichten als Haus Gottes. Solche Menschen brauchen wirklich das Evangelium und auch den Geist als Kraft für sich. Nachdem sie das Wort der Wahrheit, das Evangelium ihrer Erlösung, gehört haben, werden die Gläubigen, vielleicht wie in dem Fall vor uns, die aus Gott geboren sind, im Glauben mit dem Heiligen Geist der Verheißung versiegelt. Dann, und erst dann, können sie gedeihen, aufblühen und die Frucht der Gerechtigkeit ernten, die durch Jesus Christus zur Ehre und zum Lob Gottes ist. Der Segen kommt vom Hören des Glaubens (Gal 3,2), nicht aus den Werken des Gesetzes, die Zorn und Fluch wirken. Die, die aus Glaubens sind, werden gesegnet (Gal 3,9) – nur sie.