Behandelter Abschnitt Apg 16,35-40
Das ist der Triumph der Gerechtigkeit Gottes für alle, die sich ihr unterwerfen, aber es ist keine Verheißung in der Schwebe, noch weniger eine Täuschung, sondern eine Realität der gesegneten und wirksamen Gnade für alle, die sich ihr unterwerfen, was auch immer der Wunsch und die Hoffnung für andere sein mag. Es ist schön zu sehen, wie aufmerksame Liebe und Gastfreundschaft sich sofort in Bewegung setzen, wenn der Glaube das Herz reinigt. Die zügelnde und kontrollierende Hand des Gesetzes ist eine große Wohltat in einer sündigen Welt; doch was ist sie allenfalls im Vergleich mit dem Wirken der göttlichen Gnade, selbst in jemandem, der nur aus Gott geboren ist?
Als es aber Tag geworden war, sandten die Hauptleute die Rutenträger und ließen sagen: Lass jene Menschen frei. Der Kerkermeister aber berichtete Paulus diese Worte: Die Hauptleute haben gesandt, dass ihr freigelassen werdet; geht also jetzt hinaus und zieht hin in Frieden. Paulus aber sprach zu ihnen: Nachdem sie uns, obwohl wir Römer sind, öffentlich unverurteilt geschlagen haben, haben sie uns ins Gefängnis geworfen, und jetzt stoßen sie uns heimlich hinaus? Nicht doch; sondern sie sollen selbst kommen und uns hinausführen. Die Rutenträger aber meldeten diese Worte den Hauptleuten; sie fürchteten sich aber, als sie hörten, dass sie Römer seien. Und sie kamen und redeten ihnen zu; und sie führten sie hinaus und baten sie, aus der Stadt wegzugehen. Als sie aber aus dem Gefängnis hinausgegangen waren, gingen sie zu Lydia; und als sie die Brüder sahen, ermahnten sie sie und gingen weg (16,35–40).
Ein weiteres Indiz für eine römische Kolonie sind hier die Likuten, die als Untergebene der Hauptleute eingesetzt werden, was unter der vagen Bezeichnung Rutenträger getarnt wird, wie die höheren Beamten unter der von Magistraten.
Das leidenschaftliche oder zeitraubende Zugeständnis an das ungerechte Geschrei war nun vorbei, und am nächsten Morgen wurde die Nachricht geschickt, die misshandelten Gefangenen des Vortages zu entlassen. Der Kerkermeister wiederholte natürlich seinen Befehl, zweifellos froh, sie freizulassen. Aber Paulus war jetzt auf eine würdige Art und Weise so entschlossen, das Evangelium und sogar das Gesetz, dessen unwürdige Verwalter sie waren, zu verteidigen, wie er und sein Mitarbeiter zuvor in klagloser Sanftmut ihre gesetzlose Gewalt ertragen hatten. Wenn es eine Zeit zum Schweigen gibt, gibt es auch eine Zeit zum Reden; und der Geist allein kann in beiden Fällen leiten, wozu das Wort allein genügt, denn es rechtfertigt beides, jedes zu seiner Zeit. Hier sehen wir, wie die beiden Anordnungen in demselben Vorgang ausgeführt werden und sich beide zur Ehre des Herrn wenden.
Es war nicht immer so, auch nicht bei solch geehrten Dienern. Ihr eigener Geist konnte handeln und tat es gelegentlich auch ohne die sichere Führung Gottes; wie bei der Zurechtweisung des Hohenpriesters und der Berufung auf den Kaiser, jedes Mal mit mehr oder weniger schwerwiegenden Folgen, wie es sich zeigen wird, wenn die Geschichte vor uns kommt. Hier war das stille Leiden von Paulus und Silas unbestritten ein mächtiges und eindrucksvolles Zeugnis für die praktische Gnade, die unser Herr die Seinen bewirken würde. „Denn was für ein Ruhm ist es,“ sagt ein anderer Apostel, „wenn ihr ausharrt, indem ihr sündigt und geschlagen werdet? Aber wenn ihr ausharrt, indem ihr Gutes tut und leidet, das ist wohlgefällig [wörtlich: Gnade] bei Gott“ (1Pet 2,20). Dazu sind die Gläubigen berufen. Besonders steht es denen zu, die es praktizieren, die es lehren, wie das glückselige Paar damals in Philippi. Sie wurden um des Namens Christi willen geschmäht und nahmen an seinen Leiden teil, ohne zu murren, ja, mit Gebeten und Freudengesängen, dass sie für würdig befunden wurden, um seines Namens willen Unrecht und Schmach zu ertragen.
Nachdem sie aber so ausgehalten hatten, sollte bewiesen werden, dass Paulus und Silas keine Übeltäter waren, die zu Recht mit Geißelung und Gefängnis und Pranger bestraft wurden, sondern dass die Hüter des Gesetzes sich einer schamlosen, offenkundigen und unentschuldbaren Ungerechtigkeit gegen die Prediger des Evangeliums schuldig gemacht hatten. Es war die Zeit gekommen, da die Hauptleute schickten, sie gehen zu lassen, und Paulus sah das, nicht zuerst der Kerkermeister. Darum sprach der Apostel zu ihnen: „Nachdem sie uns, obwohl wir Römer sind, öffentlich unverurteilt geschlagen haben, haben sie uns ins Gefängnis geworfen, und jetzt stoßen sie uns heimlich hinaus? Nicht doch; sondern sie sollen selbst kommen und uns hinausführen“ (V. 37). Ihre Entlarvung war vollständig, obwohl nur die Beamten und ihre Opfer es wissen durften. Es gab nicht den Anschein eines Grolls, nicht den geringsten Wunsch, sie zu verletzen, und zwar von Männern, die absolut in der Macht derer lagen, die sie mutwillig verletzt hatten. Aber es wurde unwiderlegbar bewiesen, dass in dem Konflikt zwischen den Beamten des römischen Gesetzes in Philippi und den Dienern des Evangeliums die letzteren nicht weniger von der gnädigen Macht Gottes geehrt wurden, als Erstere es völlig versäumt hatten, den Pöbel zu unterdrücken, und sogar zu den Rädelsführern in der grausamen Übertretung des Gesetzes geworden waren, das sie durchzusetzen verpflichtet waren.
Die Rutenträger bringen die Worte des Paulus an die Hauptleute zurück, die, als sie hörten, dass die Leidenden Römer waren, ihre Angst nicht verbergen konnten, sondern kamen und ihre Gefangenen anflehten. Es war eine Demütigung ihrerseits, so unleugbar ein Triumph für die mit dem Evangelium Gottes Beauftragten, die nur als Christen gelitten hatten, wobei der Geist der Herrlichkeit und Gottes auf ihnen ruhte.
Sicherlich waren die Prediger der Gnade nicht geneigt, von der Gnade abzuweichen, am wenigsten jetzt, wo die Wahrheit klar war; auch hatten sie nicht den Wunsch, irgendeine menschliche Institution zu entehren, sondern vielmehr in jener Unterwerfung unter sie um des Herrn willen Vorbilder zu sein, zu der sie andere auffallend ermahnten. Sie waren leicht zu überreden, da sie nie an eine Anklage dachten. „Und sie kamen und redeten ihnen zu; und sie führten sie hinaus und baten sie, aus der Stadt wegzugehen. Als sie aber aus dem Gefängnis hinausgegangen waren, gingen sie zu Lydia; und als sie die Brüder sahen, ermahnten sie sie und gingen weg“ (V. 39.40). Sie machten von ihrem unbestreitbaren Recht auf Freiheit Gebrauch, indem sie nach dem Verlassen des Gefängnisses Lydia besuchten, wo sie „die Brüder“ sahen. Das scheint ihr Haushalt zu sein, von dem wir in Vers 15 gehört haben. Von keinem anderen in diesem heiligen Band der Beziehung lesen wir zu dieser Zeit in Philippi. Diese ermahnten oder trösteten sie, wie es wohl nötig war und die Diener des Herrn bei der Verteidigung und Bestätigung des Evangeliums gern tun konnten. So wie sie sich in ihren Fesseln gefreut hatten, nahmen sie nun Abschied: Das ist ein schönes Bild in ihrer eigenen Person, von jener Überlegenheit gegenüber den Umständen, die der Apostel in seinem Brief an einem späteren Tag allen Gläubigen dort zum Segen für sie und uns auferlegt.