Behandelter Abschnitt Joh 5,28-29
Wundert euch darüber nicht, denn es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören und hervorkommen werden: die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Böse verübt haben, zur Auferstehung des Gerichts (5,28.29).
Hier wird eine andere Stunde angekündigt, die sich von dem unterscheidet, was „jetzt ist“, und die nur „kommt“, nicht eine Stunde, in der die Toten, die die Stimme Christi hören, Leben empfangen, sondern der Auferstehung „aller, die in den Gräbern sind“. Es ist die Stunde der eigentlichen Auferstehung; und der Herr verneint sorgsam den populären Gedanken einer allgemeinen Auferstehung. Das ist nicht der Fall. Hier, wie auch anderswo, erfahren wir von zwei Auferstehungen, die sich in ihrem Charakter völlig und deutlich voneinander unterscheiden, wie wir sie in Offenbarung 20 finden. Was die Zeitpunkte betrifft, so liegen das Friedensreich und andere Dinge dazwischen.
Es gehörte nicht zum Rahmen der Rede des Herrn, ebenso wenig wie zur Absicht des Geistes Gottes im Evangelium, die Reihenfolge der Ereignisse in Einzelheiten chronologisch zu offenbaren. Das hat seinen angemessenen Platz in der großen Prophetie des Neuen Testaments. Aber der weitaus tiefere Unterschied ihrer Beziehung zu Christus selbst, der als Sohn Gottes und Sohn des Menschen gesehen wird, wird uns in ein paar Worten von größtem Interesse vor Augen geführt – ein Unterschied, der auch dann wahr wäre, wenn nicht mehr als zehn Minuten dazwischen liegen würden, der aber viel deutlicher und eindrucksvoller wird, da die Offenbarung uns einen zeitlichen Abstand von mehr als tausend Jahren zeigt. Wie groß ist die Verwirrung in der Theologie der Schulen und Kanzeln, die eine einzige Auferstehung von Gerechten und Ungerechten annimmt, und dies hauptsächlich aufgrund einer so absurden Auslegung wie der, die Matthäus 25,31-46 auf die Auferstehung anwendet! Denn es ist gewiss ein Gericht der Lebendigen, „aller Nationen“, vor dem Sohn des Menschen, wenn Er in Herrlichkeit wiederkommt; nicht das Gericht der gottlosen Toten und ihrer Werke vor dem großen weißen Thron, nachdem Himmel und Erde geflohen sind und jede Frage einer Wiederkunft beantwortet ist. Der weitere Unfug, der sich aus dieser Auslegung ergibt, ist, dass sie dazu neigt, zu unterstellen, dass Gerechte und Ungerechte ins Gericht kommen, zur Zerstörung der Hauptwahrheit des Evangeliums, die Leben und Gericht gegenüberstellt, wie wir in den Worten unseres Heilands gesehen haben und auch anderswo finden können.
Es gibt diesen wesentlichen Unterschied in den beiden „Stunden“, dass, während in der ersten einige nur aus Gnade seine Stimme hören und Leben haben werden, in der zweiten alle, die in den Gräbern sind, sie hören und hervorkommen werden. Aber es gibt keine Verwechslung von Gerechten und Ungerechten mehr. In der Welt waren sie mehr oder weniger miteinander vermischt. Auf den Acker, wo der gute Same gesät war, säte der Feind Unkraut; und trotz der Knechte ordnete der Herr an, dass beides bis zur Ernte zusammen wachsen sollte. Aber in der kommenden Stunde gibt es keine Vermischung mehr: Es findet die ernste Trennung aller statt, „die das Gute getan haben zur Auferstehung des Lebens, die aber das Böse verübt haben zur Auferstehung des Gerichts“ (V. 29). Denn das ewige Leben in Christus ist niemals unwirksam, und der Heilige Geist, der dem Gläubigen seit der Vollendung der Erlösung und der Himmelfahrt Christi gegeben wird, wirkt in diesem Leben, damit es die Frucht der Gerechtigkeit durch Jesus Christus zur Ehre und zum Lob Gottes sei. Daher werden diejenigen, die glauben, hier als solche charakterisiert, die das Gute getan haben, und da dies seine Wurzel im Leben hatte, so ist sein Ergebnis eine Auferstehung des Lebens; während diejenigen, die kein Leben hatten, da sie den, der seine Quelle ist, ablehnten, als solche beschrieben werden, „die aber das Böse verübt haben“. Ihr Ende ist die Auferstehung des Gerichts. In der Stunde, die jetzt ist, wollten sie den Sohn Gottes in all seiner Gnade nicht haben; in der kommenden Stunde müssen sie durch den Sohn des Menschen gerichtet werden. Die beiden Auferstehungen sind so verschieden wie die Charaktere derer, die in jeder auferstehen. Aber Jesus ist der Herr aller und erweckt alle auf, obwohl nach einem anderen Prinzip, von einer anderen Klasse und zu einem anderen Zweck.
Nichts kann entschiedener sein als der Anspruch des Sohnes auf die für Gott den Vater charakteristischsten Kräfte, nämlich das Geben des Lebens und die Auferweckung der Toten; nichts ist entschiedener als der Entschluss des Vaters, die Ehre seines Sohnes, der Mensch geworden ist, zu wahren. Denn alles Gericht ist dem Sohn des Menschen übertragen, und zwar mit dem ausdrücklichen Vorsatz, der gewiss bestehen wird, dass alle den Sohn ehren sollen, wie sie den Vater ehren. Aber die Hingabe des Lebens ist das Wirken der Gnade in ihrem vollsten Charakter, so wie das Gericht die Rechtfertigung der Ehre des Sohnes an denen ist, die Ihn geringschätzten und nie das ewige Leben hatten, geschweige denn die Erlösung. Beides zu verwechseln, ist die mangelnde Einsicht des Menschen und seiner Tradition und steht im völligen Gegensatz zur klaren Offenbarung. Es ist ein Irrtum von großer Tragweite.
Der Herr spricht immer noch als Sohn, aber als Mensch auf der Erde, und verbindet in Vers 30 das, was Er bereits entfaltet hatte, im Folgenden mit den verschiedenen Zeugnissen seiner Herrlichkeit. Er war der Aufgabe des Richtens gewachsen, obwohl Er der Demütigste aller Menschen war; und das nur, weil Er in keinem seiner Wege oder Gedanken unabhängig vom Vater war. Das ist die Vollkommenheit des Menschen; Er allein war so, der es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein. Aber da Er Gott war, war Er Mensch geworden zu Gottes Ehre; und so sagt Er: