Behandelter Abschnitt Joh 4,20-26
Eine Zeit des Verfalls ist eine Prüfung für eine Seele über alle Maßen, denn sie scheint stolz zu sein, sich von den Ausgezeichneten der Erde zu unterscheiden, besonders wenn sie viele sind, und diejenigen, die am Wort Gottes festhalten, sind wenige und haben nichts zu rühmen. Gerade deshalb ist es kostbar in Gottes Augen und kein geringes Zeugnis für den abwesenden Meister. Dennoch müssen alle, die von der Menge abweichen, sich ihres Grundes sicher sein, wie diese Frau es suchte, als sie sich an Jesus wandte, und der Christ braucht nichts anderes zu suchen – ja, er ist schuldig und betört, wenn er, wo die Unsicherheit der Menschen so groß und schwerwiegend ist, auf etwas anderes hört als auf Jesus, der durch sein Wort und seinen Geist spricht.
Unsere Väter haben auf diesem Berg angebetet, und ihr sagt, dass in Jerusalem der Ort sei, wo man anbeten müsse. Jesus spricht zu ihr: Frau, glaube mir, es kommt die Stunde, da ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Ihr betet an und wisst nicht, was; wir beten an und wissen, was; denn das Heil ist aus den Juden. Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter. Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten. Die Frau spricht zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, der Christus genannt wird; wenn er kommt, wird er uns alles verkündigen. Jesus spricht zu ihr: Ich bin es, der mit dir redet (4,20‒26).
Der Herr erfüllt mehr als jeden Wunsch des Herzens der Samariterin.
Denn hier haben wir nicht nur die Rechtfertigung der israelitischen
Anbetung im Vergleich zu ihrer samaritanischen Konkurrentin, sondern die
erste Entfaltung der christlichen Anbetung, die Gott den Menschen je
gegeben hat, und das nicht nur als Ablösung des Samaritanismus, sondern
auch des Judentums – eine Veränderung, die damals geschah. Und doch wird
alles in einer Sprache vermittelt, die selbst für die so angesprochene
Seele klar genug war, während es eine Tiefe der Wahrheit gibt, die kein
Gläubiger je ergründet hat, wie tief er auch davon gezehrt und sich
daran erfreut haben mag. „Der Vater“ sollte fortan angebetet werden: Was für eine Offenbarung
in sich selbst! Es geht nicht mehr um den Jahwe-Gott Israels und auch nicht mehr um den
Allmächtigen, wie der Name war, unter dem Er sich den Vätern
bekanntmachte. Es gibt eine reichere Offenbarung Gottes, und zwar eine
viel innigere. Es ist nicht der Ewige, der selbst einen Bund schließt
eine Regierung ausübt, und der sicherlich noch seine Wege mit Israel
wieder gut machen wird, so wie Er sie für ihre Wege gezüchtigt hat. Es
ist auch nicht der Gott, der seine armen Fremdlinge, die an seinen
Verheißungen hingen, in ihrer Wanderschaft unter feindlichen Fremden
beschützt hat, bevor ihre Kinder eine Nation bildeten und sein Gesetz
empfingen. Es war Gott, wie der Sohn Ihn kannte und Ihn in der Fülle der
Liebe und der Gemeinschaft bekanntmachte, der dementsprechend die
Seinen, die in der Welt waren, in die bewusste Beziehung von Kindern als
aus Ihm Geborene bringen würde (vgl.
Kein Wunder, dass angesichts einer solchen Nähe und der ihr angemessenen Anbetung der Berg Gerisim unbedeutend wird und das Heiligtum von Jerusalem verblasst. Denn das eine war nur die Anstrengung des Eigenwillens, das andere nur die Prüfung und der Beweis für die Unfähigkeit des ersten Menschen, Gott zu begegnen und zu leben. Die christliche Anbetung gründet sich auf den Besitz des ewigen Lebens im Sohn und auf die Gabe des Geistes als Kraft der Anbetung.
In Vers 22 macht der Herr es dem Samariter unmöglich, den Schluss zu ziehen, dass, wenn die christliche Anbetung allein Gott wohlgefällig sein sollte, unabhängig von Ort oder Volksstamm, der Samariter genauso gut gewesen wäre wie der Jude. Das war jedoch nicht so. Die Samariter beteten an, was sie nicht kannten, die Juden wussten, was sie anbeteten; „denn das Heil“, so fügte er hinzu, „ist aus den Juden“ (V. 22). Sie hatten die Sohnschaft und die Herrlichkeit und die Bündnisse und die Gesetzgebung und den Dienst und die Verheißungen; sie hatten auch die Väter aus denen, „dem Fleisch nach, der Christus ist, der über allem ist, Gott, gepriesen in Ewigkeit. Amen“ (Röm 9,4.5.) Die Samariter waren bloße Nachahmer, Heiden, die auf Israel eifersüchtig und ihnen feindlich gesinnt waren, ohne Furcht vor Gott, sonst hätten sie sich seinen Wegen und seinem Wort unterworfen.
So werden Gottes Vorrechte gegenüber Israel gerechtfertigt; aber nichtsdestoweniger wurde der Herr zu dieser Zeit durch pharisäische Eifersucht vertrieben, und nichtsdestoweniger hatte Er allen Anspruch auf traditionelle und aufeinanderfolgende Segnungen aufgehoben. Er war da, um Gott zu offenbaren, nicht um Menschen anzuerkennen, und da Er abgelehnt wurde, verschwanden Jerusalem und Samaria gleichermaßen. Das Alte wird gerichtet; alles muss neu werden. Gott war in Christus, die Welt mit sich selbst zu versöhnen, jetzt, da die, die die Verordnungen Gottes hatten, seinen Ratschluss zu ihrem eigenen Schaden verwerfen. Und wenn dieser Unglaube bis zum Äußersten im Hass gegen den Vater und den Sohn ginge, würde Er nur die Fülle der göttlichen Gnade und Gerechtigkeit zum Vorschein bringen und seine Liebe absolut frei ausströmen lassen, um über alles Böse hinweg zu seiner eigenen Ehre zu handeln, wie wir wissen, dass dies in einem gekreuzigten, aber auferstandenen Christus der Fall ist.
Es ist daher bemerkenswert, dass der Herr nicht wer, sondern was sagt. Denn im Judentum wohnte Gott in dichter Finsternis, und das Zeugnis, das das ganze levitische System (mit seinen Opfern und Priestern, dem Eingang, der Tür, dem Vorhang, dem Weihrauch, kurzum allem) ablegte, war, dass der Weg ins Allerheiligste noch nicht geöffnet war. Als Christus starb, war das der Fall: Der Vorhang zerriss von oben bis unten und die ewige Erlösung wurde gefunden; die Anbeter, die einmal gereinigt sind, haben kein Gewissen mehr wegen ihrer Sünden und sind eingeladen, hinzuzutreten. Das ist das Christentum, in dem Gott sich als Vater im Sohn durch den Geist offenbart hat. Ihn zu kennen, den einzig wahren Gott, und den, den Er gesandt hat, um Ihn zu offenbaren, nämlich Jesus, ist ewiges Leben. Und das mächtige Werk, das am Kreuz geschehen ist, hat all unser Böses beseitigt, so dass wir frei sind, uns an Ihm zu erfreuen. Wir wissen also, wen wir anbeten, und nicht nur was. Als Gott in der dichten Finsternis verborgen war und nur die Einheit seines Wesens verkündet wurde, blieb die Gottheit unbestimmt. Wenn der Vater wie jetzt im Sohn durch den Geist offenbart wird, welch ein Unterschied!
Daher wird diese übergroße Glückseligkeit in ihrem positiven Charakter in den Versen 24 und 25 eröffnet. Denn es ist eine Stunde, in der die Form abgelehnt wird, wie es im Judentum nicht sein konnte. Die Wirklichkeit allein wird gebilligt. Die nationale Anbetung ist daher jetzt eine offensichtliche Täuschung, die nur ein Versuch ist, das wiederzubeleben, was verschwunden ist, soweit es um die Anerkennung durch Gott geht. Sie wurde in Israel unter dem Gesetz für ihre eigenen Zwecke gebraucht; sie wird es im größten Maßstab im Friedensreich sein; aber sie ist es nicht, wenn wir dem Heiland glauben, während der Stunde, die dann kommt, jetzt ist. Es ist jetzt eine Stunde, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten.
Wer und was sind sie? Die lehrmäßigen Äußerungen der Apostel antworten mit einer Stimme, dass sie Gottes Kinder sind, aus Ihm geboren durch den Glauben an Christus und versiegelt durch den Heiligen Geist, folglich auf seiner Erlösung ruhend. So sagt der Apostel (Phil 3,3), dass wir (im Gegensatz zu bloßen Juden oder Judaisten) die wahre Beschneidung sind, die durch den Geist Gottes anbeten und sich in Christus Jesus rühmen und kein Vertrauen auf Fleisch haben. Aber wir müssen das Neue Testament als Ganzes anführen, um den vollen Beweis zu nennen, wenn man mehr Beweise verlangt, als der Herr in diesem Zusammenhang gibt, obwohl ich sicher bin, dass derjenige, der sich einem solchen Zeugnis nicht beugt, durch keine zehntausend Zeugnisse gewonnen werden würde. Ein einziges Wort Gottes ist für den Gläubigen mehr als jeder andere Beweis: Wie viele würden einen Ungläubigen überzeugen?
Ferner schließt das, was von der Anbetung gesagt wird, alle außer den wahren Gläubigen aus. Denn sie sollen im Geist und in der Wahrheit anbeten. Wie kann das jemand, der den Geist nicht hat und die Wahrheit nicht kennt? Zugegeben, es fehlt der Artikel. Aber das verstärkt in einem solchen Fall wie dem vorliegenden die Aussage, weil es einen geistlichen und wahrhaftigen Charakter der Anbetung voraussetzt. Das heißt, die Worte des Herrn drücken mehr aus als die Notwendigkeit, den Heiligen Geist zu haben oder mit der Wahrheit vertraut zu sein, obwohl dies den Christen mit seinen unterscheidenden Vorrechten voraussetzen würde. Er sagt aber, dass sie in diesem Charakter anbeten, nicht nur, dass sie den Geist und die Wahrheit haben, um anzubeten. Nun kann es natürlich sein, dass ein echter Christ ungeistlich ist und nicht nach der Wahrheit handelt. Sogar Petrus und Barnabas versagten in einer schweren Krise darin, nach der Wahrheit des Evangeliums zu wandeln. Wie wahr der Anbeter dann auch sein mag, wenn er den Geist betrübt oder den Herrn entehrt, wäre das keine Anbetung im Geist und in der Wahrheit. Aber es bleibt noch offensichtlicher, dass niemand außer den wahrhaftigen Anbetern so anbeten kann, auch wenn sie bei einer bestimmten Gelegenheit oder in einem bestimmten Zustand vielleicht nicht so sind, wie sie sein sollten.
Außerdem sucht auch der Vater „solche als seine Anbeter“. Lasst uns das bedenken. Es gab eine Zeit, in der jeder Jude nach Jerusalem hinaufzog, um den Herrn zu suchen; es wird eine Zeit geben, in der alle Nationen zu demselben Zentrum strömen werden, wenn der Sohn des Menschen in Macht kommt und in Herrlichkeit regiert. Aber das charakteristische Wirken der Gnade ist, dass der Vater die wahrhaftigen Anbeter sucht. Zweifellos versammeln sie sich, wenn sie gesucht werden, zum Namen des Herrn Jesus und genießen durch den Geist seine Gegenwart. Es ist nicht genug, dass sie gewaschen werden, und zwar nicht nur durch Wasser, sondern durch Wasser und Blut, und so in jeder Hinsicht rein sind; sie haben nicht nur den Geist als das Zeugnis des einen wirksamen Opfers und die Quelle des Lobes und die Kraft des beständigen Dankes; „auch der Vater sucht solche als seine Anbeter“. Welche Zuversicht für sie! Welche Gnade in Ihm! Und doch ist sein Suchen wahr für jeden Christen. Mögen sie seine Gnade erwidern, indem sie alles meiden, was ihrer an diesem bösen Tag unwürdig ist!
Aber es gibt noch andere Worte von tiefster Bedeutung. „Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten“ (V. 24). Es ist die Natur Gottes, um die es hier geht, nicht die Beziehung der Gnade, die Er jetzt in und durch Christus offenbart. Und das ist nicht ohne die größte Bedeutung für uns. Denn Er muss entsprechend angebetet werden, und dafür hat Er bestens vorgesorgt, da das neue Leben, dessen wir uns erfreuen, durch den Geist ist und Geist und nicht Fleisch ist (Joh 3,6), wie Er uns ja auch aus seinem eigenen Willen durch das Wort der Wahrheit gezeugt hat (Jak 1,18). So sind wir von neuem geboren, „nicht aus verweslichem Samen, sondern aus unverweslichem Samen, durch das lebendige und bleibendes Wort Gottes“ (1Pet 1,23). Sicherlich sollten wir im Geist wandeln und anbeten, wenn wir im Geist leben. Er ist uns gegeben, dass wir den ersten Adam richten und verwerfen und nur den zweiten Menschen, unseren Herrn Jesus, verherrlichen. Nein, mehr noch, da Gott ein Geist ist, ist geistliche Anbetung alles, was Er annimmt. „Und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten“. Es ist eine moralische Notwendigkeit, die aus seiner Natur hervorkommt – einer Natur, die vollständig in Ihm offenbart ist, der das Bild des unsichtbaren Gottes ist, und wir sollten nicht unwissend über sie und ihren Charakter sein, die als Gläubige in Christus aus Ihm geboren sind.
Die Frau, die von diesen Worten getroffen wird, die zwar einfach sind, aber zweifellos weit über ihr Verständnis hinausgehen (denn sie reichen zu Gott hinauf, wie sie zu den Menschen hinabreichen), denkt sofort an den Messias, bekennt ihr Vertrauen in sein Kommen und ist sicher, dass Er, wenn Er gekommen ist, uns alles verkündigen wird (V. 25). Würden doch alle, die an Ihn glauben, dies von Ihm im Glauben annehmen! Würden doch alle, nachdem Er ihnen den Frieden zugesagt hat, sich nicht wieder der Torheit zuwenden! Und welche Torheit wäre größer, als sich von seinen Worten zu eben diesem Thema und in eben diesem Kapitel abzuwenden und den Überlieferungen der Menschen und den Wegen der Welt in der Anbetung Gottes zu folgen?
Und nun erreichen die letzten Worte ihr Ohr und ihr Herz, die nötig sind, um alles andere abzuschließen und ihren Segen für immer zu sichern: „Jesus spricht zu ihr: Ich bin es, der mit dir spricht“ (V. 26). Es mag die niedrigste Form sein, den Einzigen vorzustellen, der dem Sünder helfen kann, doch es bleibt von Anfang bis Ende wahr, dass jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, von Gott gezeugt ist. Und das war bei der Samariterin der Fall. Ihr Herz wurde berührt, ihr Gewissen erforscht, und nun war die Gnade und Wahrheit, die durch Jesus Christus ist, für sie alles. Der ganze Segen gehörte ihr in seiner Person, die nun gegenwärtig war und die sie im Glauben empfing.
Was für ein Moment, ein gegenwärtiger Messias und Er, der zu einer samaritanischen Frau spricht, ja, über christliche Anbetung!