Nicht zu einem späteren Zeitpunkt, sondern „im Anfang“, als noch kein Geschöpf sein Dasein begonnen hatte. Für diese Wahrheit sind wir ganz und gar Gott zu Dank verpflichtet. Wer könnte von solchen Dingen sprechen außer Gott? Er ist es, der Johannes zum Schreiben benutzt, und alles, was Er sagt, ist des unbedingten Glaubens würdig. Das Wort „war im Anfang bei Gott“. Seine Persönlichkeit war ewig, nicht weniger als seine Natur oder sein Wesen. Er war keine bloße Ausstrahlung, wie die Indo-Arier in der frühesten uns bekannten Form ihrer Gedanken träumten. Denn solch ein Gott war nicht wirklich souverän und frei, sondern unterlag einer Beschränkung, die mit der Souveränität notwendigerweise unvereinbar ist und immer zu jenem Pantheismus führt, der, indem er das Universum zu Gott macht, den einzig wahren Gott leugnet. So war dieser lediglich Tad (That), eine abstrakte Energie, jedoch nicht in Selbstgenügsamkeit, sondern in der Sehnsucht, zu anderen auszuströmen – Brahma, Vishnu und Siva, den Schöpfer, den Erhalter und den Zerstörer. Im später entwickelten hinduistischen System wurde die Gottheit auf diese Weise imaginativ in Ausströmung aufgelöst, so dass das Universum selbst pantheistisch gesehen eher eine Ausströmung als eine Schöpfung ist, die durch göttlichen Willen, göttliche Macht und göttliches Design geformt wurde. Alles ist Fluss und Illusion. Welch ein Gegensatz ist sein Dreiklang als Dreieinheit, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, dem einen Gott! Und seine Avatare, selbst der von Krishna, der erst spät in der Legende auftauchte – wie weit entfernt von der Inkarnation! So stehen Gott und Mensch für immer vereint in einer Person, durch seinen Tod der Versöhner der ganzen Schöpfung, der himmlischen und irdischen, und derer, die durch Gnade mit Ihm über alle Dinge herrschen sollen zur Ehre Gottes, des Vaters.2
Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eins, das geworden ist (1,3).
Das ist eine zusätzliche und ergänzende Mitteilung. Das Wort wurde nicht gemacht, sondern Er selbst hat alles gemacht.3 Das Wort ist der Schöpfer von allem, was ein abgeleitetes Sein hat. Er hat alles erschaffen. Kein Geschöpf erhielt ein Sein außer von Ihm. Das Wort war das Mittel. Wäre Er nicht Gott gewesen, wäre dies ein für Ihn unmögliches Werk gewesen. Wäre Er nicht „im Anfang bei Gott“ gewesen, hätte es Ihm, dem ewigen Wort, nicht in besonderer Weise zugeschrieben werden können. Aber die Schöpfung wird hier als sein Werk bestätigt, und zwar nicht nur in positiver Weise, sondern ausnahmslos für jedes Geschöpf. So heißt es in Kolosser 1,16.17: „Denn durch (ἐν, kraft) Ihn sind alle Dinge geschaffen worden, die in den Himmeln und die auf der Erde, die sichtbaren und die unsichtbaren, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten: Alle Dinge sind durch ihn und für ihn geschaffen; und Er ist vor allen, und alle Dinge bestehen [oder: werden zusammengehalten] durch (ἐν) ihn.“ Welch wiederholte und unwiderlegbare Beweise der Gottheit!4
Jede dieser Schriftstellen gibt uns eine präzise Belehrung der höchsten Art. Sogar 1. Mose 1, obwohl es in den Versen 1 und 2 auf Schöpfungszustände hinweist, die unbestimmt vor Adam liegen, beginnt erst mit Johannes 1,3. Aber über die zeitlich nachfolgenden Einzelheiten gibt uns keine Schrift eine so vollständige Auskunft. Was vor der Schöpfung war, wird von Mose gänzlich weggelassen. Johannes 1,1.2 zeigt uns die Ewigkeit vor der Schöpfung, wie auch die Schöpfung selbst (V. 3), in den genauesten Begriffen.
2 Ich kann nicht umhin, Johannes 1,2 als eine auffallende und vollständige Aufhebung der alexandrinischen und patristischen Unterscheidung von λόγος ἐνδίαθετος und λόγος προφορικός zu betrachten. Einige der früheren griechischen Väter, die vom Platonismus infiziert waren, vertraten die Ansicht, dass der λόγος in Gottes Geist von Ewigkeit her erdacht war und erst in der Zeit gleichsam geäußert wurde. Dies hat den Arianern, die wie andere Ungläubige gierig nach den Überlieferungen der Menschen suchen, eine Handhabe gegeben. Der Apostel behauptet hier, im Heiligen Geist, die ewige Persönlichkeit des Wortes bei Gott (Lectures on the Gospels, S. 409, Anm.).↩︎
3 Ich halte die Bemerkung nicht nur für unglücklich, sondern für verwerflich, in der gesagt wird, dass das Böse selbst (und nicht nur die Materie) durch das Wort geschaffen wurde. Das ist falsche Philosophie, der Hegelianismus auch vieler Hegel-Gegner. Das Böse hat nichts mit der Schöpfung zu tun, es sei denn, es ist eine Unvereinbarkeit mit ihr. Es geht hier nicht um das Böse im Sinne einer physischen Bestrafung, denn diese ist in erster Linie von Gott gewollt. Aber das moralische Böse in einem Wesen ist ein Widerspruch zu der Beziehung, in die Gott dieses Wesen gesetzt hat. Es ist also weder in Gott noch von Gott, sondern ein Versagen im Verhältnis zu dem, was vorher als Frucht des Wohlgefallens Gottes bestand, der es dennoch im Hinblick auf die Regierung und die Erlösung zuläßt. So verließen die Engel ihren ersten Stand. Satan stand (oder steht) nicht in der Wahrheit, und Adam fiel aus seiner ursprünglichen Unschuld. Dies ist in keiner Weise eine Einschränkung der göttlichen Macht; aber im Gegenteil, der Irrtum, den ich bekämpfe, schränkt seine Güte oder seine Wahrheit ein. Es ist unmöglich, dass es in oder von Gott das Gegenteil von dem geben kann, was er ist, und er ist gut, er allein; in der Kreatur kann es leicht sein, und es ist, wo die Schöpfung nicht von Gott erhalten oder durch seine Gnade befreit wird.↩︎
4 Vgl. Anmerkungen zum Kolosserbrief, S. 19–21.↩︎