Behandelter Abschnitt Lk 17,11-19
Die Begebenheit, die hier aufgezeichnet wird, stimmt völlig mit dem überein, was wir gesehen haben. Der Geist Gottes weist nicht nur auf die Auflösung des Judentums hin, sondern auch auf die Einführung besserer Dinge, und ganz besonders auf die Freiheit der Gnade. Nach und nach werden wir die Freiheit der Herrlichkeit haben; aber die Heiligen Gottes haben jetzt Anspruch auf die Freiheit der Gnade. Die Schöpfung wird das nie erfahren; sie „wird von der Knechtschaft des Verderbens zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes“ freigemacht werden (Röm 8,21). „Und es geschah, als er nach Jerusalem reiste, dass er mitten durch Samaria und Galiläa ging“ (V. 11). Der Wirkungsort lag in den verachteten Vierteln des Landes. „Und als er in ein gewisses Dorf eintrat, begegneten ihm zehn aussätzige Männer, die von fernstanden“ (V. 12). Dies ist ein bemerkenswertes Wunder, das unserem Evangelisten eigen ist, der uns mehrere Begebenheiten ähnlichen Charakters vor Augen führt, die nirgendwo sonst erwähnt werden. Die Auswahl des Geistes Gottes, um das Ziel voranzutreiben, das Er im Auge hatte, als Er Lukas so inspirierte, ist dadurch offensichtlich. „Und sie erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, Meister, erbarme dich unser! Und als er sie sah, sprach er zu ihnen: Geht hin und zeigt euch den Priestern“ (V. 13.14a). Der Herr wirkte dadurch auf den Glauben der Angesprochenen ein, während Er gleichzeitig die Ordnung des Gesetzes für die aufrechterhielt, die unter ihm stehen. Es war eine Forderung unter dem Gesetz, dass, wenn ein Mann geheilt wurde, ohne zu sagen, wie die Heilung geschehen konnte, wenn die Plage des Aussatzes geheilt war, der Mann sich dem Priester zeigen und gereinigt werden musste. Dies wurde in 3. Mose 14 besonders sorgfältig und im Einzelnen festgelegt. Es war eine wichtige Vorschrift, denn sie wurde zu einem Zeugnis für die Macht Gottes, die jetzt auf der Erde wirkte. Denn es würde natürlich die Frage aufkommen: Wie kam es, dass diese Aussätzigen geheilt wurden? Das würde sofort die Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass Jesus da war und dass Er wirklich das Gefäß der Macht der Gnade Gottes war.
Deshalb rührte der Herr auch manchmal, wie wir an anderer Stelle lesen, den Aussätzigen an. Aber hier standen diese Männer von fern. Es war nicht so, dass es nicht genug Gnade in Christus gab, sie zu berühren, aber ihr Empfinden nach dem Gesetz war es, auf Distanz zu gehen. Es war vielleicht richtig von ihnen, dass es so sein sollte, denn es war sicherlich die Gnade seines Herzens, die Ihn dazu brachte, den Aussätzigen anzurühren, der sich zu seinen Füßen niederwarf. Das sehen wir in Markus 1,41. Diese Männer aber, die von fern standen, erhoben ihre Stimme und baten um seine Gnade; und seine Antwort war, wie immer bei einem Aussätzigen: „Zeigt euch den Priestern“ (V. 14).
Aber es gab noch eine andere bemerkenswerte Eigenschaft, die in diesem Fall zum Vorschein kam, wenn es kein Berühren als Zeichen der Macht gab, die den Aussatz entfernte, ohne sich zu verunreinigen, die also nur die Macht Gottes sein konnte, die über dem Gesetz stand, auch wenn Er das Gesetz aufrechterhielt. In diesem Fall gab es eine Glaubensprüfung, umso mehr, als sie von fern standen, und sie wurden aufgefordert, zu gehen und sich den Priestern zu zeigen, ohne solche Worte wie: Lasst euch reinigen. Der Herr benutzte diesen Ausdruck nicht in jedem Fall, soweit die Heilige Schrift berichtet. Daher war es so, dass sie, als sie hingingen, gereinigt wurden. Sie mussten zuerst gehen. Sie fühlten nichts in dem Moment, als sie aufgefordert wurden, zu gehen. Es war, „dass sie gereinigt wurden, während sie hingingen“ (V. 14). „Einer aber von ihnen, als er sah, dass er geheilt war“ – denn das konnte nicht verborgen werden – „kehrte zurück und verherrlichte Gott mit lauter Stimme“ (V. 15). Sicherlich ist dies höchst bemerkenswert, obwohl es nur hier steht. Den Aussätzigen wurde gesagt, sie sollten hingehen und sich den Priestern zeigen; einer von ihnen, und nur einer, kehrte um, als er sah, dass er geheilt war, „verherrlichte Gott mit lauter Stimme; und er fiel aufs Angesicht zu seinen Füßen und dankte ihm; und er war ein Samariter“ (V. 15.16). Wir haben also an dieser Stelle Gnade für das Schlimmste. Aber der niedrigste Gegenstand der Gnade ist sehr oft der, der am meisten in die Fülle der Gnade Gott eintritt. Er mag der Bedürftigste unter den Menschen sein; aber gerade die Tiefe seiner Bedürftigkeit zeigt, was Gott ist; und daher wird die Gnade oft weitaus klarer gesehen und genossen als von anderen, die sich viel besserer Vorrechte rühmen könnten. Gewiss war es hier so.
Dieser Samariter war viel schlichter in seinen Gedanken über Gott und schloss sofort daraus, was Jesus sein muss, wenn auch vielleicht nicht definitiv und deutlich, was seine persönliche Herrlichkeit betrifft. Zumindest war er ganz sicher, dass Jesus der beste Repräsentant der Macht und Gnade Gottes in diesem Land war. Wenn Er sich also irgendjemand zeigen wollte, würde er zu Ihm gehen; wenn er Gott verherrlichen wollte, musste es sicher zu den Füßen Jesu sein. Der, der am weitesten von der Formalität des Gesetzes und des Rituals entfernt war, konnte folglich umso leichter direkt zu Jesus gehen. „Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn gereinigt worden? Wo sind aber die neun? Sind keine gefunden worden, die zurückkehrten, um Gott Ehre zu geben, außer diesem Fremden?“ (V. 17.18). Das ist bei unserer Betrachtung sehr wertvoll. Der Herr Jesus nimmt die Danksagung dieses Mannes als das besondere Zeichen seines Glaubens an. Die anderen hatten ebenso einen Segen empfangen; es war nicht so, dass sie nicht dankbar waren, aber allein dieser Mann war zurückgekehrt, um Gott die Ehre zu geben, dieser Fremde. Die anderen mochten sich den Priestern zeigen, indem sie den Buchstaben des Wortes Jesu ausführten; aber das Herz dieses Fremden war am richtigen Fleck und sein geistlicher Instinkt war der des Glaubens. Es gibt nichts Gutes für jemanden ohne das Empfinden für die Herrlichkeit Gottes. Der Samariter konnte es vielleicht nicht erklären, aber sein Herz war durch und durch aufrichtig und von Gott geleitet. Er hatte deshalb viel mehr Recht als andere, die besser zu denken schienen. Die anderen neun könnten sich darauf berufen, dass er anmaßend und ungehorsam war und nicht wie sie nach dem Wort des Herrn handelte; denn Jesus hatte ihnen deutlich gesagt, dass sie hingehen und sich den Priestern zeigen sollten, während er ohne ausdrücklichen Befehl umkehrte, um sich Jesus zu zeigen und Ihm zu seinen Füßen zu danken. Und der Anschein begünstigt den Unglauben.
Aber Jesus rechtfertigte ihn in seinem Kommen und billigte die Kühnheit seines Glaubens, der sogleich auf das einwirkte, was er instinktiv als dem Herrn Jesus gebührend empfand. Was noch auffälliger ist: Der Herr sagt zu ihm: „Steh auf und geh hin; dein Glaube hat dich gerettet“ (V. 19). Der Priester wird nun mit keinem Wort mehr erwähnt. Er hatte Gott persönlich gefunden. Er hatte in der Heilung seines Aussatzes die gnädige Macht Gottes bewiesen, er erkannte sie in Jesus und gab Ihm so die Ehre.
Wenn jemand auf diese Weise zu Gott gebracht wird, kommt es nicht in Frage, sich den Priestern auf der Erde zu zeigen. Priester hatten einst ihren Platz für die, die unter dem Gesetz waren. Aber wenn die Gnade davon befreit (im Prinzip nur dann, denn es war noch nicht die genaue Zeit, um die Mauer der Trennung für alle niederzureißen), konnte die befreite Seele unmöglich unter dem Gesetz bleiben, geschweige denn darunter gestellt werden. Deshalb sagt der Herr: „Steh auf und geh hin; dein Glaube hat dich gerettet.“
Es ist eine auffallende Veranschaulichung des Heiden, der nicht unter dem Gesetz steht wie der Jude (und es auch nie war), und der, wenn er jetzt durch seine Gnade zu Gott gebracht und von all seinen Unreinheiten gereinigt wird, sicherlich nicht unter das Gesetz gestellt wird. Wie der Apostel sagt: „Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade“ (Röm 6,14). Er sollte seinen Weg in der Freiheit des Herzens gehen. Das ist die Berufung eines Christen. Christus beruft nicht in die Knechtschaft des Gesetzes. Er macht uns zu seinen freien Menschen, wenn auch zweifellos zu seinen eigenen Knechten. Das ist etwas ganz anderes, als unter dem Gesetz zu stehen, was für den Christen nicht gilt, sogar wenn er einmal Jude gewesen wäre.