Wenn ihr aber betet, sollt ihr nicht plappern wie die von den Nationen; denn sie meinen, um ihres vielen Redens willen erhört zu werden (6,7).
Nun ist es klar, dass unser Herr nicht die Wiederholungen verbietet, sondern die eitlen Wiederholungen. Wir finden, dass unser Herr selbst, als er im Garten im Todeskampf war, dreimal die gleichen Worte wiederholte. Aber eitle, formale Wiederholungen, ob Worte, die aus einem Buch gelesen werden, oder formulierte Sätze des Verstandes, verbietet Er definitiv. Noch einmal, lass mich auf die schlichte Tatsache hinweisen, dass unser Herr hier nicht für die öffentlichen Bedürfnisse der Kirche sorgt; noch hören wir, dass es so verstanden wurde. Es gibt nicht den geringsten Gedanken an so etwas nach der Gabe des Heiligen Geistes, als die Kirche gebildet und in dieser Welt am Werk war. Während also das Vaterunser als das vollkommenste Modell des Gebetes gegeben wurde und so, wie es ist, von den Jüngern vor dem Tod unseres Herrn und der Gabe des Heiligen Geistes benutzt worden sein mag, so scheint es doch klar, dass es danach nicht so war. Das Neue Testament ist natürlich der einzige Test dafür. Wenn wir zu den Überlieferungen kommen, werden wir in diesem wie in anderen Bereichen alle möglichen Schwierigkeiten finden, aber das Wort Gottes ist nicht undeutlich. Es lässt uns in keiner Weise im Unklaren darüber, was Gottes Wille ist, denn sonst wäre ja der eigentliche Zweck einer Offenbarung verfehlt. Was ist dann der ständige Nutzen des Gebetes? Warum ist es in der Heiligen Schrift gegeben? Das Prinzip bleibt immer wahr. Es gibt, glaube ich, keine Klausel dieses Gebetes, die man nicht auch heute noch vorbringen könnte: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern.“ Denn es ist ein Irrtum, anzunehmen, dass es den Sünder auf den Boden des Gebets stellt, um Vergebung seiner Sünden zu erlangen. Unser Herr spricht vom Gläubigen – dem Kind Gottes, unsere täglichen Fehler und Unzulänglichkeiten müssen wir vor unserem Gott und Vater ausbreiten, wozu Er uns Tag für Tag ermutigt. Es geht um seine Regierung, die ohne Ansehen der Person nach dem Werk eines jeden richtet; und deshalb wird Er die Bitte eines Menschen nicht anerkennen, der eine unversöhnliche Gesinnung gegenüber anderen hegt, auch wenn sie uns noch so großes Unrecht getan haben.
Die Gewohnheit, sich selbst zu erforschen und dem Vater zu bekennen, ist eine sehr wichtige in der christlichen Erfahrung; so dass ich glaube, dass dieser Satz in der heutigen Zeit genauso wahr und anwendbar ist, wie er damals für die Jünger war. Als der arme Zöllner sagte: „Gott sei mir Sünder gnädig“, haben wir etwas anderes, das in seinem Fall ebenso angemessen war wie das, was das Kind Gottes sagte: „Unser Vater.“ Wiederum, als der Heilige Geist gegeben wurde und das Kind fähig war, sich dem Vater im Namen Christi zu nähern, haben wir noch etwas anderes. Das Vaterunser bekleidet den Gläubigen nicht mit dem Namen Christi. Was ist damit gemeint, den Vater in diesem Namen zu bitten? Kann es nur sein, dass man am Ende eines Gebetes sagt: „In seinem Namen“? Als Christus starb und auferstand, gab er dem Gläubigen seine eigene Stellung vor Gott; und dann den Vater im Namen Christi zu bitten, bedeutet, in dem Bewusstsein zu bitten, dass mein Vater mich liebt, wie Er Christus liebt; dass mein Vater mir die Annahme Christi selbst vor ihm gegeben hat, nachdem er all mein Böses vollständig ausgelöscht hat, so dass ich zur Gerechtigkeit Gottes in Christus gemacht wurde. In diesem Wert zu beten, ist ein Bitten in seinem Namen (vgl. Joh 16). Wenn die Seele sich nähert, bewusst Gott nahegebracht wird, kann man sagen, dass sie in seinem Namen bittet. Es gibt niemand, der das Vaterunser als eine Form benutzt, der ein wirkliches Verständnis davon hat, was es heißt, den Vater im Namen Christi zu bitten. Solche sind nie in diese große Wahrheit eingetreten. Daher nehmen sie vielleicht schon in ihrer nächsten Bitte den Platz von elenden Sündern ein, die den Zorn Gottes verachten und noch unter dem Gesetz stehen. Ist es möglich, dass jemand, der weiß, was es heißt, vor Gott zu stehen, wie Christus es ist, so systematisch in Zweifel und Ungewissheit lebt? Bei dem Juden war es der Fall; aber als Christ ist mein Platz in Christus, und es gibt keine Verdammnis: Sonst kann es nicht den Geist der Sohnschaft geben, oder die ausgeübte Funktion von Priestern für Gott. Wir sind zu Priestern Gottes gemacht kraft dieses gesegneten Standes – hier auf der Erde, und wir müssen ihn ausüben. Das Gewissen wird dazu gebracht – man kann nicht mit Christus wandeln und mit der Welt. Und der Christ ist wirklich ein Mensch, der in himmlische Gedanken und Beziehungen eintritt, während er durch die Welt geht. Das ist die Berufung, mit der wir berufen sind. Ob Christen es wissen und tun oder nicht, nichts weniger erwartet Christus von ihnen. „Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin.“ Das gilt von dem Augenblick an, in dem wir Christus aufnehmen. Von diesem Augenblick an sind wir es Christus schuldig, wenn wir seine wahren Soldaten sein wollen, unseren Platz als solche einzunehmen, die nicht von der Welt sind, wie auch er nicht ist.