Behandelter Abschnitt Mt 6,14-15
Das reicht aus, um zu zeigen, dass das Vaterunser zwar immer unschätzbar wertvoll bleibt, dass es aber gegeben wurde, um den individuellen Bedürfnissen der Jünger zu entsprechen, und dass die weitere Offenbarung der göttlichen Wahrheit ihren Zustand veränderte und so zu einer anderen Art von Wünschen führte, die damals noch nicht zum Ausdruck gebracht wurden. Es scheint mir eine glückliche Überlegung zu sein, dass es unser Herr selbst ist, der uns dies sagt. „Bis jetzt habt ihr nichts in meinem Namen erbeten.“ Was entnehme ich daraus? Dass man das Vaterunser jeden Tag gebrauchen kann, ohne jemals etwas im Namen Christi gebeten zu haben. „Bis jetzt habt ihr nichts gebeten in meinem Namen; bittet, so werdet ihr empfangen, auf dass eure Freude vollkommen sei.“„An jenem Tag werdet ihr in meinem Namen bitten.“ Welcher Tag ist damit gemeint? Eine noch zukünftige Zeit? Nein, sondern die Gegenwart; der Tag, den der Heilige Geist brachte, als er vom Himmel herabkam. Er ist es, der mit jener vollen Offenbarung der Wahrheit verbunden ist, die so wesentlich ist für die christliche Freude und Glückseligkeit und für den weltlosen und himmlischen Wandel der Kinder Gottes; und wo das eine nicht eintritt, kann das andere nicht sein. Es mag einen starken Glauben und eine persönliche Liebe zu Christus geben, aber trotz alledem wird jemand im Geist und in der religiösen Stellung immer noch nach der Welt verlangen, bis sie in diesen gesegneten Ort eingetreten ist, den der Heilige Geist uns jetzt gibt, um Gott im Namen Christi nahe zu sein.
Ich muss nun zu einer der wichtigsten praktischen Ermahnungen übergehen, die uns unser Heiland im Zusammenhang mit dem Gebet gibt – dem Geist der Vergebung. Wer die Hindernisse nicht kennt, die die Strenge des Geistes mit sich bringt, weiß wenig vom Gebet. Dies war eines der Dinge, die unser Herr besonders im Blick hatte.
Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch auch euer himmlischer Vater vergeben; wenn ihr aber den Menschen ihre Verfehlungen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben (6,14.15).
Er meint damit nicht, dass den Jüngern am Tag des Gerichts ihre Sünden nicht vergeben würden, sondern spricht von der Vergebung von Schuld als einer Sache der täglichen Fürsorge und Erziehung Gottes. Ich mag ein Kind haben, das sich etwas Unrechtes zuschulden kommen lässt, aber verliert es deshalb seine Beziehung? Es ist immer noch mein Kind, aber ich spreche nicht in derselben Weise mit ihm, wie ich es tun würde, wenn es im Gehorsam wandeln würde. Der Vater wartet, bis das Kind seine Sünde empfindet. Als irdischen Eltern achten wir manchmal nicht genügend auf das, was falsch ist, ein anderes Mal mögen wir die Dinge nur so behandeln, wie sie uns selbst berühren. Wir mögen, wie es im Hebräerbrief heißt, „nach unserem eigenen Wohlgefallen“ korrigieren, Gott aber zu unserem Nutzen.