Behandelter Abschnitt Mt 6,7-13
Vers 7: „Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen." „Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen; denn euer Vater im Himmel weiss, dass ihr des alles bedürfet." Dennoch — obwohl er alles weiss — will er gebeten sein, aber ohne viele Worte.
Das Herz sollen und dürfen wir ausschütten vor unserem Gott — besonders in den Morgenstunden. Ehe wir an unser Tagewerk gehen, sollen und dürfen wir uns sammeln im Gebet und im Lesen des Wortes Gottes. Bei dieser Gelegenheit vertraut der Herr Jesus den Seinen das wunderbare Mustergebet an, das uns immer unentbehrlicher wird in seiner unerschöpflichen Tiefe; denn alles, was von ihm kommt, ist unerschöpflich. Es ist besonders bemerkenswert, dass, ehe man Gott eine persönliche Bitte vorträgt, man seinen Namen, fein Reich, seinen Willen vor ihn bringt. Das setzt allerdings schon ein Gegründetsein und Versiegeltsein in ihm voraus, das nicht alle Kinder Gottes haben, und in das man nicht mit dem ersten Tage der Bekehrung hineinkommt, — aber es soll gehen von Gnade zu Gnade.
Die eigenen Interessen sollen immer mehr zurücktreten hinter den seinigen. „Geheiligt werde dein Name." Das verurteilt und schliesst aus eine Gewohnheit, von der nicht einmal alle Kinder Gottes gelöst sind. Auch bei ihnen kommt manchmal mit einem Male ein „Ach Gott", bei dem man durchaus nicht an Gott denkt. Es ist nur eine Redensart. Das bedeutet eine entschiedene Entheiligung des Namens Gottes. Überhaupt, wenn wir den Namen Gottes und Christi tragen, so müssen wir wandeln, wie unser Heiland gewandelt hat und müssen unsere Herzen je länger je mehr reinigen lassen von aller Lust, Sorge und Befleckung, damit sein Name sei wie eine über unser ganzes inneres und äusseres Leben ausgeschüttete Salbe. „Es komme dein Reich."
Wer das bittet, der hat abgedankt, der will nicht mehr selbst herrschen, sondern er ist entschlossen, die Quellen seines Lebens und die Zügel seiner inneren und äusseren Lebensbewegungen zurückzugeben in des Herrn Leitung und Kontrolle. „Geheiligt werde dein Name. Es komme dein Reich", und dann als drittes: „Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden." Das ist nicht ein Zugeständnis, wie manches Kind Gottes sagt: „Nun ja, so geschehe denn dein Wille", ohne dabei innerlich wirklich einverstanden zu sein mit Gottes Willen. Es ist bei ihm eine knechtische Hingabe des Willens — nicht die ehrliche Bitte, der ehrliche Wunsch, dass der Wille Gottes unter allen Umständen geschehen möge. Erft wenn wir dem Herrn vollen Raum gelassen haben in bezug auf unser Leben, unsere Lebensbeziehungen und täglichen Aufgaben, können wir im Geiste und in der Wahrheit unseren Blick erweitern und bitten, dass Gottes Wille geschehe im Himmel und auf Erden.
Im Himmel ist es die Speise der Engel, den Willen Gottes zu tun, — und wie im Himmel der Wille Gottes ohne Verzug geschieht, also auch auf Erden. Und wer das bittet, der muss zuerst Gott in seinem Leben zu Worte kommen lassen. Es muss zuerst alles zurück in Gottes Hand, in seine Leitung und Bewahrung. Und dann, nachdem die drei ersten Bitten sich auf Gottes Interessen beziehen, kommt die vierte Bitte: „Unser tägliches Brot gib uns heute." Das ist nicht ein- für allemal. Das ist für heute. „Gib uns heute unser tägliches Brot." Du weisst, o Herr, was der heutige Tag bringen wird an Begegnungen, Aufgaben, Versuchungen, — und da ist es uns Bedürfnis, dass du uns Bahn machst, dass du uns bewahrst und behütest wie deinen Augapfel, dass nicht durch irgendeine Versuchung unsere Gemeinschaft mit dir unterbrochen wird. Das gehört zum täglichen Brot. Und nun — wenn da noch etwas Aufhaltendes ist — der Gedanke an frühere Schuld z. B.: „Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldiger»." Erlass uns, wo wir gefehlt haben, wo unser Gehorsam mangelhaft war, wo wir dich nicht verherrlicht haben.
Wir wollen gern unseren Schuldiger» alles erlassen, anderen nicht mehr fordernd gegenüberstehen, wenn nur du unsere Schuld vergibst, so dass wir anderen vergeben, sie tragen, sie freilassen können. „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns vom Bösen." Der Herr versucht niemand im Sinne von Lockung. Das tut der Teufel. Aber Versuchung im Sinne von Erprobung kann uns der Herr nicht ersparen. Wir bitten also, dass, wo uns der Herr durch Proben führt, er uns ausrüste in unserer Schwachheit und uns von dem Übel erlöse. So übersetzt man gewöhnlich, aber man kann es auch persönlich fasten und bitten: Erlöse uns vom Bösen, vom Argen, vom Erzfeind, der immer versucht, uns auf Abwege zu bringen, uns zu schwächen.
Und nun am Schluss noch die Siegesworte des Betenden: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen." Das Kind Gottes, das die Kniee beugt vor seinem himmlischen Vater, hat den Regenten vor sich, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, der unser Leben ordnet und so darüber wacht, dass nichts Fremdes hineinkommt, — und wo das geschehen ist, — dass es wieder ausgeschieden werde. „Das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit" — verborgene Herrlichkeit in jedes Leben seiner Kinder! Herrlichkeit bricht überall da durch, wo die Sünde das Feld hat räumen müssen, wo das eigene Ich nicht mehr im Mittelpunkt steht, wo das Auge sich öffnet für die Bedürfnisse der Gemeinde und vor allem für die Verherrlichung des Herrn und die Wiederkunft Christi.