Behandelter Abschnitt 3Mo 4
In den folgenden Sünd- und Schuldopfern (3Mo 4,1 - 6,7) haben wir eine andere Linie der Wahrheit, in der sowohl die Person als auch die Art des Vergehens charakteristisch hervorgehoben werden. Es ist nun nicht die Wahrheit, dass Christus sich sowohl im Tod als auch im Leben Gott hingegeben hat; es ist auch nicht der Charakter des Dank- oder Friedensopfers im Lob, Gelübde oder freien Willen. Wir haben hier stellvertretende Opfer für die Sünde, einen Stellvertreter für den Sünder. Es werden verschiedene Handlungen vorgeschrieben.
Im Fall des gesalbten Priesters (V. 3–12) – denn dieser kommt zuerst – soll ein junger Stier ohne Fehl dem Herrn zum Sündopfer dargebracht werden. „Und er soll den Stier an den Eingang des Zeltes der Zusammenkunft vor den Herrn bringen und seine Hand auf den Kopf des Stieres legen [o. stemmen] und den Stier schlachten vor dem Herrn. Und der gesalbte Priester nehme vom Blut des Stieres und bringe es in das Zelt der Zusammenkunft; und der Priester tauche seinen Finger in das Blut und sprenge von dem Blut siebenmal vor dem Herrn gegen den Vorhang des Heiligtums hin“ (V. 4–6). Auch sollte er etwas von dem Blut an die Hörner des Altars des wohlriechenden Räucherwerks tun. Es ist von großem Interesse zu bemerken, dass es hier keine Verheißung der Sühnung für den Hohepriester gibt, daher auch nicht der Vergebung, wie in allen anderen Fällen. Ist das ein Zufall oder Teil des tiefen Gedanken Gottes in der Heiligen Schrift?
Es ist im Wesentlichen dasselbe, wenn die ganze Gemeinde sündigte (V. 13–20). Auch in diesem Fall musste ein junger Stier geschlachtet werden, und die Ältesten mussten das tun, was der gesalbte Priester im ersten Fall getan hatte. Das Blut wurde genau auf dieselbe Weise gesprengt und an die Hörner desselben Altars getan, und der Rest wurde wie zuvor ausgegossen. Auch das Fett wurde auf dem kupfernen Altar geräuchert, und der Rest des Opfers wurde außerhalb des Lagers verbrannt, wie im vorigen Fall.
Aber wenn wir zu einem Fürsten kommen, gibt es ein anderes Verfahren. Das Wort in diesem Fall ist, dass er einen Ziegenbock opfern soll, nicht einen Stier; und der Priester soll das Blut an die Hörner des Brandopferaltars tun – nicht an den goldenen Altar.
Wenn eine Privatperson oder einer aus dem einfachen Volk sündigte, musste es eine weibliche Ziege sein, deren Blut an den Fuß desselben kupfernen Altar gegossen wurde. In keinem der beiden letzten Fälle wurde der Körper des Tieres draußen verbrannt.
Es ist also offensichtlich, dass wir eine abgestufte Skala in diesen verschiedenen Fällen finden. Warum ist das so? Wegen eines höchst ernsten Prinzips. Die Schwere der Sünde hängt von der Stellung dessen ab, der sündigt. Es ist nicht so, dass der Mensch geneigt ist, die Dinge zurechtzurücken, obwohl sein Gewissen ihre Rechtschaffenheit fühlt. Wie oft würde der Mensch das Vergehen einer bedeutenden Person abschwächen, wenn er könnte! Dasselbe mag den Armen, Freundlosen und Verachteten hart treffen. Das Leben einer solchen Person scheint jedenfalls nicht viel wert zu sein. Bei Gott ist das nicht so, und es soll auch nicht so sein in den Gedanken und der Einschätzung der Gläubigen. Ein weiteres Zeugnis hiervon ist nicht ohne Interesse für uns. Nur einer Person aus dem gemeinen Volk wird die Möglichkeit eines weiblichen Lammes anstelle einer Ziege zugestanden (V. 32–35), dessen Opferung für seine Sünde mit der gleichen Sorgfalt im Blick auf die Einzelheiten wiederholt wird.2
Wenn der gesalbte Priester sündigte, hatte genau das zu geschehen wie bei dem Opfer, wenn die ganze Gemeinde sündigte. Wenn ein Fürst sündigte, war es eine andere Sache, wenn auch ein stärkerer Fall für ein Opfer, als wenn es ein Privatmann war. Kurzum, die Beziehung der Person, die sich schuldig gemacht hat, bestimmt das relative Ausmaß der Sünde, obwohl keiner so unklar war, dass seine Sünde übergangen werden konnte. Unser gepriesener Herr hingegen begegnet jedem und allen, Er selbst ist der wahre gesalbte Priester, der Einzige, der keiner Opfergabe bedarf – der also das Opfer für alle, ja, für jeden sein konnte. Das ist die allgemeine Wahrheit, zumindest an der Oberfläche des Sündopfers. Das Vergehen wurde vorgebracht, bekannt und verurteilt. Der Herr Jesus wird in diesem Fall zum Stellvertreter für den, der schuldig war; und das Blut wurde im Fall von Einzelnen an die Hörner des kupfernen Altar getan, da es nur an der Stelle des Zugangs des sündigen Menschen zu Gott behandelt werden musste. Aber wenn der gesalbte Priester oder die ganze Gemeinde sündigte (bei Unterbrechung der Gemeinschaft), wurde es auf eine viel ernstere Weise getan. Folglich musste das Blut in das Heiligtum gebracht und an die Hörner des goldenen Altars getan werden.
Es gibt einen deutlichen Unterschied in den folgenden Opfergaben. Es scheint, dass das Sündopfer mehr mit der Natur der Sünde zusammenhängt, obwohl es durch eine besondere Sünde offenbar wurde; und dass das Schuldopfer mehr mit dem zusammenhängt, was, obwohl es in den heiligen Dingen des Herrn oder zumindest gegen Ihn sein konnte, den Übeltäter in einen Fehler oder ein Unrecht gegenüber seinem Nächsten verwickelte und Wiedergutmachung sowie ein Schuldbekenntnis durch das Opfer erforderte. Darüber braucht man aber jetzt nicht zu debattieren. Es konnte eine Art von Vermischung der beiden Dinge geben, und darauf scheint der Anfang von Kapitel 5, Verse 1–13, hinzuweisen. Es gibt nichts Erstaunlicheres als die Genauigkeit des Wortes Gottes, wenn wir uns demütig und aufrichtig hinein vertiefen.
Man beachte außerdem, dass bei allen passenden Sündopfern der Priester nicht nur etwas von dem Blut an die Hörner des Altars (golden oder kupfern, je nach Fall) tat, sondern das ganze Blut am Fuß des Brandopferaltars ausgoss. Es war ein Ersatz für das Leben des Sünders und wurde so dort ausgegossen, wo Gott ihm in der Gerechtigkeit, aber auch durch Christus in Liebe begegnete, des Christus, der von der Erde erhöht, alle zu sich ziehen würde. Dort also, genau wie in den Anweisungen für die Friedensopfer (3Mo 3,9.10), wurde das Fett, besonders an den Eingeweiden, den Nieren und dem Netz über der Leber, genommen und auf dem Altar verbrannt, während der Stier als Ganzes, Haut, Fleisch, Kopf, Beine, Eingeweide und Mist, außerhalb des Lagers gebracht3 und dort an einem reinen Ort verbrannt werden musste, als Zeugnis für das Gericht Gottes über die Sünde – zumindest dort, wo das Blut vor den Herrn, vor den Vorhang, gesprengt wurde (vgl. 3Mo 4,7-12.17-21). Im Fall eines einzelnen Israeliten, sei es ein Fürst oder jemand aus dem Volk des Landes, wurde weder das Blut vor dem Vorhang des Heiligtums gesprengt noch der Körper außerhalb des Lagers verbrannt, und das Blut wurde vom Priester an die Hörner des kupfernen (nicht des goldenen) Altars getan.
2 Bedeutet nicht [das Hebräische, das mit „auf den Feueropfern“ übersetzt ist] „nach den Feueropfern des Herrn“? De Wette versteht es als „nach den Feueropfern“.↩︎
3 Es mag nicht vergeblich sein, eine Probe von Bischof Colensos kritischer Offenheit und Intelligenz in seinen Bemerkungen zu 3. Mose 4,11.12 zu nennen (Teil 1. Kap. 6; ich zitiere aus der 4. revidierten Auflage von 1863). In seinem Zitat wagt er es, (den Priester) nach „soll er“ und vor „hinausbringen“ einzufügen. Sein Kommentar ist: „In diesem Fall hätten die Innereien der Opfer von Aaron selbst oder einem seiner Söhne über eine Entfernung von sechs Meilen (!) getragen werden müssen; und die gleiche Schwierigkeit hätte jede der anderen oben erwähnten Transaktionen begleitet. In der Tat müssen wir uns vorstellen, dass der Priester selbst – wir können annehmen, mit der Hilfe anderer – die ,Haut und das Fleisch und den Kopf und die Beine und die Eingeweide und den Mist, sogar den ganzen Stier‘ von St. Pauls bis an den Rand der Metropole transportieren müssen; und die Leute mussten ihren Abfall auf die gleiche Weise heraustragen und ihre täglichen Vorräte an Wasser und Brennmaterial herbeischaffen, nachdem sie Letzteres zuerst gefällt hatten, wo sie es finden konnten.“ Nun wäre es selbst in unserer Sprache für einen Mann, der sich als ehrlich oder wahrhaftig bekennt, nicht vertretbar, an den Worten „soll tragen“ die Notwenigkeit festzumachen, diese Arbeit persönlich zu verrichten, um die Aufzeichnung in Zweifel zu ziehen oder lächerlich zu machen. Was soll man von jemandem sagen, der angeblich in der Stellung eines Hauptdieners Christi ist und dies nach der Heiligen Schrift tut? Aber das ist weit entfernt von der Schwere seiner Schuld. Denn ein Anfänger im Hebräischen weiß, dass Verben für eine Formänderung empfänglich sind, die eine kausale Kraft verleiht. Das ist hier der Fall. Das Verb bedeutet ursprünglich „hervorgehen“; im Hiphil bedeutet es „hervorgehen lassen“, wobei völlig offenbleibt, welches Mittel eingesetzt wird. Wenn es bedauerlich ist, in guter und ehrfürchtiger Absicht Fehler bei der Auslegung der Schrift zu machen, was kann dann eine solch übermäßige Unwissenheit erklären, wie sie in diesem Fall gezeigt wird? Wäre es ein heidnischer Feind, der Gott und sein Wort so beschuldigte, könnte man verstehen, dass die Eile, das zu tadeln, was über dem Verstand des Menschen ist, sich oft so entlarvt; aber was sollen wir von jemandem sagen, der so zu uns kommt, nicht nur im Gewand eines Schafes, sondern eines Hirten?↩︎