Behandelter Abschnitt 3Mo 1
Das dritte Buch Mose hat seinen eigenen Charakter, der genauso offensichtlich ist wie der beiden ersten Bücher Mose. Sein besonderes Merkmal ist, dass es von Anfang an die Offenbarung dessen ist, was Gott in Jesus Christus, unserem Herrn, gesehen hat, die vorbildliche Anwendung, die die Gnade von Ihm und seinem Werk auf Menschen, auf ein Volk und sein Land gebracht hat. Es ist das vollständigste Buch mit Anweisungen für die Priester, das in allen Einzelheiten des levitischen Dienstes die verschiedenen Ämter des Herrn Jesus darlegt. Aus diesem Grund sehen wir die Angemessenheit des Grundes und der Umstände, mit denen es anfängt: „Und der Herr rief Mose, und er redete zu ihm aus dem Zelt der Zusammenkunft“ (V. 1). Hier gibt es nicht den Abwechslungsreichtum des ersten Buches Mose und auch nicht den besonderen Gegenstand des zweiten Buches Mose, der die Erlösung und das Gesetz entfaltet, das das Volk in Unkenntnis über sich selbst und über Gott auf sich nahm. Hier haben wir als charakteristisches Merkmal den Zugang zu Gott; nicht Gott, der in Gnade an den Menschen handelt, um sie zu befreien, sondern Christus als das Mittel des Zugangs zu Gott für ein Volk, das in Beziehung zu Ihm steht, es dort unterstützt oder vor den Wegen und Folgen des Abfalls von Ihm warnt. Er ist wunderbar darauf abgestimmt, auf das Innere des Gläubigen einzuwirken und ihn besser mit Gott vertraut zu machen, wie Er sich in dem Herrn Jesus offenbart.
So beginnt der Geist Gottes nicht mit dem Sünder und seinen Bedürfnissen, sondern mit Christus. Daher finden wir in den einleitenden Vorbildern eine wunderbare Analyse seines Werkes und Opfers. Das ist eine bekannte Bemerkung, aber es ist gut, sie zu wiederholen. Und so wie der Geist Gottes mit Christus beginnt, so wird an erster Stelle der höchste Gedanke des Sühnetodes unseres Herrn vorgestellt: das Brandopfer. Es ist der Aspekt seines Opfers, der ausschließlich Gott zugewandt ist – ein Aspekt, bei dem die Gläubigen in nicht geringer Gefahr stehen, ihn abzuschwächen, wenn nicht sogar ganz aus den Augen zu verlieren. Es gibt kein Kind Gottes, das nicht die Notwendigkeit sieht, dass Christus ein Sündopfer für es ist, aber viel zu viele bleiben dabei stehen. Im Allgemeinen haben sie zweifellos das Empfinden für seine Gnade; aber da wir uns jetzt mit dem Opfer Christi in seiner ganzen Fülle beschäftigen, scheint es nicht zu viel, wenn man die gewohnheitsmäßige Neigung beklagt, beim Betrachten des Opfers Christi an nichts anderes zu denken als an die Anpassung an unsere Bedürfnisse. In der Tat ist dies der Grund, warum viele Gläubige die grenzenlose Gnade nicht zu schätzen wissen, die ihnen in ihren Nöten begegnet, die sie aber erheben würde, um das zu genießen, was unvergleichlich höher ist als sie selbst.
Daher beginnen wir hier mit dem Vorbild des Brandopfers, dem lieblichen Geruch Christi für Gott für uns, aber nicht durch den Kreis des menschlichen Denkens begrenzt, nicht seine bloße Anpassung an unsere Not. Freimütig muss ich gestehen, dass der Mensch, der mit Christus abseits von seinen eigenen Bedürfnissen und seiner Schuld beginnt, nur ein Theoretiker ist, wo es am meisten darauf ankommt, real zu sein. Wir dürfen wohl dem Glauben derer misstrauen, die behaupten, aus dem Schlaf des Todes erwacht zu sein, doch sie sorgen dafür, dass sie nur von der tiefen Wahrheit des Brandopfers im Tod Jesu hören. Müssen wir nicht befürchten, dass ein solcher Mensch sich selbst betrügt? Denn wenn Gott mit dem Sünder handelt, beginnt Er mit ihm, wie dieser ist. Und Sünder sind wir, durchaus schuldig. Zweifellos begegnet Gott dem Verstand und dem Herzen des Menschen, aber Er rettet nie wirklich, außer durch das Gewissen. Wenn jemand nicht bereit ist, sein Gewissen erforschen zu lassen, nämlich dass er nichts anderes ist als ein armer Sünder und so vor Gott zu beginnen, muss er irgendwann dorthin zurückgebracht werden. Glücklich ist der, der bereit ist, dort anzufangen, wo Gott anfängt. Glücklich auch, wer der schmerzlichen Sichtung und Demütigung entgeht, wenn er in der Zeit, in der er in der Erkenntnis Christi und seiner Gnade voranschreiten sollte, wieder umkehren muss, weil er seinen wirklichen Zustand vor Gott übersehen hat. Wenn er lernen muss, was er selbst ist, kann es Jahre dauern, nachdem er den ausgezeichneten Namen des Herrn getragen hat.
In 3. Mose zeigt uns der Geist Gottes also die alles entscheidende Wahrheit, dass Gott, was auch immer die göttliche Art sein mag, mit Einzelnen umzugehen, Christus vor sich selbst hat. Er denkt sicherlich an sein Volk als Ganzes, aber vor allem kann Er seine eigene Herrlichkeit, die in Christus bewahrt wird, nicht übersehen.
Zuallererst stehen wir also vor dem Ganz- oder Brandopfer (1Mo 1). Wir müssen diesen besonderen Aspekt des Herrn kennenlernen, wie Er sich „durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat“ (Heb 9,14). Das ist das Brandopfer. Dort, wenn überhaupt, könnte man sagen, dass Gott in Ihm verherrlicht wurde (Joh 13,31.32). Abgesehen davon sagt die Schrift nirgends, dass Gott als solcher in dem Menschensohn verherrlicht wurde, bis Christus sich selbst in den Tod gab. Der Vater war in jedem Schritt seines Lebens in Ihm verherrlicht worden; aber unser Herr Jesus unterlässt es zu sagen, dass Gott in Ihm verherrlicht wurde, bis zu der folgenschweren Nacht, als Judas hinausgeht, um Ihn an seine Mörder zu verraten und die ganze Szene vor seinen Augen ist (Joh 13,21-30). Da sehen wir den Herrn, wie „er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8).
Und dieses Prinzip finden wir auf eine sehr schöne Weise in Johannes 10 vor Augen geführt. Zweifellos hat Er sein Leben für die Schafe hingegeben; aber der Gläubige, der im Tod Christi nicht mehr als das sieht, hat noch sehr viel zu lernen. Es ist sehr offensichtlich, dass er nicht viel über Gott oder seinen Gesalbten nachdenkt. Er fühlt für sich selbst und für andere in ähnlichen Nöten. Es ist fraglos gut, dass er dort anfängt; aber warum sollte er damit aufhören? Unser Herr Jesus selbst gibt uns die volle Wahrheit der Sache, indem er sagt: „Ich bin der gute Hirte; und ich kenne die Meinen und bin gekannt von den Meinen [meinen Schafen], wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne; und ich lasse mein Leben für die Schafe. Und ich habe andere Schafe, die nicht aus diesem Hof sind; auch diese muss ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde, ein Hirte sein“ (Joh 10,14-16).
Nach diesen Worten kommen wir zu der besonderen Bedeutung des Brandopfers in der völligen und willigen Hingabe seiner selbst in den Tod: „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, damit ich es wiedernehme. Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selbst. Ich habe Gewalt, es zu lassen, und habe Gewalt, es wiederzunehmen“ (Joh 10,17.18). Der Einzige, der als Mensch ein Recht auf Leben hatte, mit aller Glückseligkeit und Herrlichkeit als lebender Mensch auf der Erde, ist auch der Einzige, der berechtigt war, sein Leben von sich aus hinzugeben. Und das tat Er, nicht nur für die Schafe, sondern Er legte es von sich selbst aus nieder; und doch konnte Er sagen: „Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen“ (V. 18b). Es war in seinem eigenen Herzen, und es war auch absoluter Gehorsam, im Vertrauen auf Gott. Es war die Verherrlichung Gottes im Tod, und das, wie wir wissen, wegen der Sünde, wegen unserer Sünde.
So verherrlichte Christus seinen Gott und Vater in einer Welt, in der sein Feind herrschte. Es war der völligste Beweis für jemand, der sich in allem dem anvertrauen konnte, der Ihn gesandt hatte; und das tat Er. Gott wurde in Ihm verherrlicht; und wenn der Sohn des Menschen Ihn verherrlichte, ist es kein Wunder, dass Gott Ihn in sich selbst verherrlichte und auch, dass Er Ihn alsbald verherrlichte (Joh 13,31.32). Dies tat Er, indem Er Christus nach oben aufnahm und Ihn zu seiner Rechten im Himmel setzte. Das ist natürlich nicht das Brandopfer, sondern eine Folge für Ihn, der so war. Das Brandopfer zeigt die absolute Hingabe des Herrn Jesus in den Sühnungstod zur Ehre Gottes des Vaters. Es ist völlig klar, dass es hier nichts gibt, was den Segen für den Menschen in den Vordergrund zu stellen scheint. Gäbe es keine Sünde, könnte es kein Brandopfer geben, nichts, was die völlige Hingabe an Gott bis in den Tod darstellen könnte. Aber der Ausdruck der Sünde in ihrer Abscheulichkeit und notwendigen Verbannung aus Gottes Gegenwart war einem anderen Opfer, und sogar einer anderen Klasse von Opfern, vorbehalten.
Der Hauptgedanke ist hier, dass alles als ein lieblicher Geruch der Beruhigung zu Gott emporsteigt, der dadurch verherrlicht wird. Daher ist das Brandopfer in diesem Kapitel freiwillig, und das gilt auch für das Speisopfer und für das Friedensopfer. Diese Opfer sind keine Verpflichtung. Das Opfer war Israel in keiner Weise verpflichtend. Wie wir in den Worten unseres Herrn sehen, nahm niemand sein Leben von Ihm; Er ließ es von sich selbst aus. „Wenn ein Mensch von euch dem Herrn eine Opfergabe darbringen will, so sollt ihr vom Vieh, vom Rind- und Kleinvieh, eure Opfergabe darbringen. Wenn seine Opfergabe ein Brandopfer vom Rindvieh ist, so soll er sie darbringen, ein Männliches ohne Fehl; am Eingang des Zeltes der Zusammenkunft soll er sie darbringen, zum Wohlgefallen für ihn vor dem Herrn“ (V. 2.3).
Das ist umso deutlicher, als wir in 3. Mose 4 eine ganz andere Ausdrucksweise finden. Wir begegnen dort einem anderen Charakter des Opfers, um es gleich vorwegzunehmen. „Wenn jemand … sündigt“ (V. 3), heißt es dort, „gegen irgendeines der Gebote des Herrn, … so soll er für sein Sünde“ und so weiter. Dies war eine absolute Forderung. Es gab keinen Ermessensspielraum für den Israeliten. Es war keine freiwillige Angelegenheit. Er musste es tun; und dementsprechend war es in jeder Hinsicht festgelegt. Ein Mensch hatte keine Wahl, das zu bringen, was er wollte. Wenn er ein Fürst war, musste er eine bestimmte Art von Opfer bringen; wenn er jemand vom einfachen Volk war, war eine andere Art vorgeschrieben. Es gab sowohl das Gebot an erster Stelle, als auch die genaue Anweisung, was im Fall einer Sünde Gott dargebracht werden musste.
Aber alle früheren Opfer in 3. Mose 1-3, das Brandopfer, das Speisopfer und das Friedensopfer, wurden dem Herzen des Opfernden überlassen – sie waren freiwillig, und zwar unter voller Berücksichtigung der vorhandenen Mittel. Gott wollte keine Last aus dem machen, was eine Freude sein sollte. Es war das Herz, das Ihm das gab, was es sonst vielleicht selbst wertschätzte, was aber auf jeden Fall seinen Wert für den Herrn ausdrückte. Wie vollkommen Jesus dies erfüllte, ja, wie Er alles übertraf, was ein Vorbild darstellen konnte, wissen wir nur zu gut. Er gab sich selbst.
Der Opfernde brachte dann für sein Ganz- oder Brandopfer, das zu Gott emporstieg, das beste Tier seiner Art, je nach seinem Herzen und seinen Mitteln, vom Vieh oder vom Kleinvieh, von den Turteltauben oder von jungen Tauben. Bei den edleren Formen (wenn es vom Vieh oder Kleinvieh war) wurde ein makelloses Männliches genommen, auf dessen Kopf der Opfernde seine Hand legte. Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass diese Handlung an sich ein Sündenbekenntnis beinhaltet oder immer davon begleitet war. Es war genauso oft das Zeichen für die Übermittlung eines Segens oder einer offiziellen Ehre. Und selbst wenn wir sie nur im Zusammenhang mit Opfern betrachten, hatte die Handlung beim Brandopfer eine ganz andere Bedeutung als beim Sündopfer. Übertragung gab es in beiden Fällen; aber in ersterem wurde der Opfernde mit der Annahme des Opfers identifiziert; in dem anderen wurde das Opfer mit der eingestandenen Sünde des Opfernden identifiziert. Der liebliche Geruch des Brandopfers fiel auf den, der es darbrachte. Das Tier wurde vor dem Herrn geschlachtet. Die Priester sprengten sein Blut ringsum an den Altar. Dem Opfer selbst, wenn es ein Stier war, wurde die Haut abgezogen; wenn es ein Stier, ein Schaf oder eine Ziege war, wurde es in seine Stücke zerlegt. Die Stücke, der Kopf und das Fett wurden auf das Holz auf das Feuer des Altars gelegt; die Eingeweide und die Schenkel wurden mit Wasser gewaschen; und dann ließ der Priester alles in Rauch auf dem Altar aufsteigen, ein Feueropfer lieblichen Geruchs für den Herrn. Alles wurde sichtbar gemacht; und wenn in dem Opfer irgendeine Frage der Verunreinigung sein konnte, machte das Waschen mit Wasser die Teile rein, innerlich oder äußerlich, damit sie ein passendes Abbild des Heiligen Gottes sein konnten.
Zu einer anderen Tatsache möchte ich kurz etwas sagen. Es gibt nicht nur eine Neigung, Dinge, die unterschiedlich sind, zu vermischen und das Opfer Christi nur für unsere Sünde, für unsere Bedürfnisse vor Gott, zu sehen. Es gibt jedoch in diesen verschiedenen Arten des Brandopfers einen – wie mir scheint – kleinen Hinweis auf diese Tendenz. Je geringer das Opfer wird, nähert es sich dem Charakter des Sündopfers an: „Und der Priester bringe sie zum Altar und knicke ihr den Kopf ab und räuchere sie auf dem Altar, und ihr Blut soll ausgedrückt werden an die Wand des Altars. Und er trenne ihren Kropf mit seinem Unrat ab und werfe ihn neben den Altar nach Osten, an den Ort der Fettasche“ (V. 15.16). Hier steigt das ganze Tier nicht als Wohlgeruch zu Gott empor, wie im ersten Fall. Das heißt also, je geringer der Glaube ist (was wohl mit dem geringeren Wert des Opfers gemeint ist), desto mehr ähnelt das Opfer dem Sündopfer: Das, was unwürdig ist, wird weggeworfen, das andere steigt zu Gott empor.