Behandelter Abschnitt Joel 2,1a-1b
Bevor ich etwas mehr über den Assyrer sage, möchte ich etwas zu der Posaune (oder Trompete) auf Zion sagen. Das ist ein klarer Hinweis auf den in 4. Buch Mose 10 vorgeschriebenen Gebrauch. Die Trompete sollte von den Priestern zu zwei Hauptanlässen geblasen werden. Die eine war für den Auszug aus dem Lager, die andere für den Aufruf der Versammlung zum Eingang des Zeltes der Zusammenkunft. Wenn sie in den Krieg zogen, sollte mit den Trompeten Alarm geblasen werden, und der Herr erinnerte sich und rettete sie vor ihren Feinden. Wir können also vielleicht sagen, dass letzteres von Seiten des Volkes geschah, um den Herrn herbeizurufen, während das gewöhnlichere Blasen von Seiten des Herrn geschah, um das Volk im Hinblick auf seine feierlichen Feste und Opfer vor seinem Gott zu versammeln. Dies waren die wichtigsten Anlässe, wo die silbernen Trompeten geblasen wurden, und Joel weist auf beide hin. „Stoßt in die Posaune auf Zion, und blast Lärm“ (V. 1a). Es braucht nicht viel Geschick in der Auslegung, um die Bedeutung dieser Trompete zu erkennen, denn der Geist Gottes hat ihren Charakter und ihren Zweck klar definiert. „blast Lärm auf meinem heiligen Berg! Beben sollen alle Bewohner des Landes; denn es kommt der Tag des Herrn, denn er ist nahe“ (V. 1b).
Dies war eine Warnung vor dem Ungeheuerlichen, das Israel bevorstand. Der Tag des Herrn war nahe, – ein Tag, an dem nicht nur Feinde da sein würden, sondern der Herr würde sich an Israel erinnern, nicht um sein Volk zu retten, sondern um den Feind als Geißel für sie zu benutzen. Dies könnte durchaus ein Alarmzeichen sein; der Herr würde nicht abwesend sein. Es war nicht nur der Tag des Assyrers, sondern der Tag des Herrn. Ist es denkbar, dass die Juden, da das Gericht, vor dem sie gewarnt wurden, so weit entfernt war, sagen würden: „Es wird nicht zu unserer Zeit oder über unsere Kinder kommen“? Ich antworte, dass es zu ihrer Zeit gekommen ist. Dieselbe assyrische Macht, die damals nahe an die Zeit Joels herankam, wird in der Endzeit wieder auftauchen. Dies ist der wahre Schlüssel zu all den Schwierigkeiten, die die Menschen im Alten Testament heraufbeschwören. Wir müssen bedenken, dass diese fremden Nationen genauso wenig vergangen sind wie die Juden. Viele von ihnen haben ihren Namen verloren oder geändert, aber sie leben immer noch. Und wenn die Zeit für die Wiederherstellung Israels durch Gerichte zur Zeit des Endes kommt, werden auch sie wieder auftauchen und wieder als Assyrer bekannt sein. Nationen sterben ebenso wenig, wie einzelne Menschen nie endgültig auferstehen.
So sicher, wie es eine Auferstehung von Menschen gibt, so sicher wird es eine Wiederauferstehung jener heidnischen Feinde der Juden geben. Es ist auch bemerkenswert, dass ihre letzten Taten denselben moralischen Charakter tragen werden wie ihr anfängliches Verhalten. Dies macht ein göttliches Prinzip deutlich, am Ende die Sünden am Anfang zu behandeln, weil sie am Ende ihre alten Sünden wiederholen werden. Dieselbe Eifersucht auf Israel, dieselbe Entschlossenheit, den Juden auszurotten, dieselbe ungläubige Opposition gegen Gottes Ratschlüsse, die sie in ihren frühesten Epochen kennzeichnete, wird auch bei ihrem letzten Auftreten zu finden sein. Der Kreis ihrer geschichtlichen Einheit wird vom moralischen Standpunkt aus sichtbar gemacht werden, derselbe Charakter der Schuld kommt zum Vorschein und deshalb kommt das Gericht Gottes über sie.
Ich zweifle also nicht daran, dass die wunderbare Niederwerfung der Assyrer zur Zeit Sanheribs das Bild des endgültigen Umsturzes am Tag des Herrn ist. Andres ausgedrückt war das vergangene Ereignis ein Tag des Herrn, nicht im vollen Sinn, sondern eine wirkliche, wenn auch vorbereitende Anwendung des Tages des Herrn und ein unfehlbares Unterpfand der endgültigen Katastrophe. Dies, was nichts anderes als die einfache Tatsache ist, scheint mir die Schrift mit dem größtmöglichen Interesse auszustatten; und, mehr als das, es zeigt ihren lebendigen Charakter. Statt nur auf längst vergangene Dinge zurückzublicken, lesen wir in dem, was gewesen ist, von dem, was sein wird, in noch größerem Ausmaß und mit weitaus ernsteren, aber auch erfreulicheren Themen. Daher können wir verstehen, wie dieser Tag schon damals einen praktischen Zweck hatte; aber er hatte nichtsdestoweniger die weitergehende Bedeutung, auf die ich bereit hingewiesen habe.
An dieser Stelle gehen die Rationalisten verhängnisvoll in die Irre, weil sie die Bibel sowohl prophetisch als auch historisch als eine bloße Mumie, wenn nicht sogar als eine dürftige, verdorbene Zusammenstellung der alten Aufzeichnungen der Hebräer behandelt, mit Blicken auf andere Stämme, die einst existierten, aber nun für immer vergangen sind.