Jetzt brachte Er dem Propheten die Erkenntnis, dass das babylonische Reich gedemütigt werden sollte. Es sollte als Nation nicht völlig zerstört werden, aber als herrschende Macht in der Welt vollständig niedergeschlagen werden. Das wurde dadurch angedeutet, dass die Flügel ausgerissen wurden und das Tier wie ein Mensch auf die Füße gestellt würde, was natürlich seine Kraft zerstören würde. Denn wie angemessen eine solche Haltung für einen Menschen auch sein mag, so ist es doch klar, dass sie für ein gefräßiges Tier eher eine Demütigung wäre. In Übereinstimmung damit wurde ihm auch ein „Menschenherz gegeben“. Hierin mag eine Art Kontrast zu dem liegen, was im Fall von Nebukadnezar tatsächlich geschah, dem das Herz eines Tieres gegeben wurde. Der stolze König blickte nicht auf zu Gott, was eindeutig die oberste Pflicht jedes Menschen ist. Der ist kein richtiger Mensch, der nicht den Gott anerkennt, der ihn ins Leben gerufen hat und der über ihn wacht und ihm jeden Tag Wohltaten erweist: den Gott, der die Treue des Gewissens fordert und der allein das Herz bekehren kann. Im Fall Nebukadnezars war der Mensch mit sich selbst beschäftigt. Die Gabe der universellen Herrschaft Gottes wurde durch die Macht Satans so verdorben, dass er sich selbst und nicht Gott zum Gegenstand seiner Gedanken machte. Um es mit den Worten der Schrift auszudrücken: Es war nicht das Herz eines Menschen, das nach oben schaut und jemanden über sich hat, sondern das eines Tieres, das nach unten schaut, um sich selbst zu befriedigen und seinen eigenen Instinkten nachzugehen. Dies war der Fall bei Nebukadnezar, und deshalb wurde ein höchst ernstes und persönliches Gericht über ihn vollzogen. Aber die Barmherzigkeit Gottes griff nach einer gewissen Zeit der Demütigung ein, und er wurde wiederhergestellt. Dies war ein Zeichen des Zustandes, in den die heidnischen Mächte gebracht werden sollten, weil sie den wahren Gott nicht anerkannten. Es war aber auch das Zeugnis ihres zukünftigen Segens und ihrer Wiederherstellung, wenn sie das Reich der Himmel nach und nach besitzen werden. In dem vor uns liegenden Fall wurde der Löwe von seiner Macht als Tier in eine Position der Schwäche gebracht. Dies geschah tatsächlich, als Babylon seine Vormachtstellung in der Welt verlor, was eindeutig die Bedeutung des letzten Teils des Verses zu sein scheint. Wir haben zuerst Babylon in der Fülle seiner Macht, und dann die große Veränderung, die eintrat, als es der Weltherrschaft beraubt wurde.
Und siehe, ein anderes, zweites Tier, glich einem Bären; und es richtete sich auf einer Seite auf, und es hatte drei Rippen in seinem Maul zwischen seinen Zähnen; und man sprach zu ihm so: Steh auf, friss viel Fleisch! (7,5).
In diesem Vers wird eine Beschreibung des Persischen Reiches gegeben, das in dem großen Bild als die Brust und die beiden Arme aus Silber dargestellt worden war. Hier haben wir ein bemerkenswertes Merkmal, das auf den ersten Blick vielleicht nicht offensichtlich ist, das aber bald erklärt wird. Es war ein Reich, das nicht so einheitlich war wie das babylonische. Es bestand aus zwei Völkern, die unter einem Haupt vereint waren. Ein weiteres bemerkenswertes Merkmal ist dieses: Es war das unterlegene der beiden Reiche, das sich durchsetzte. Der Perser hat die Oberhand über den Meder. So sahen wir in Daniel 5, dass Darius, der Meder, das Königreich einnahm; aber Kores folgte bald darauf, und von da an war es immer der Perser, der regierte, und nicht der Meder. Wir haben in diesem Umstand ein neues Beispiel dafür, dass wir die Geschichte nicht wirklich brauchen, um die Prophezeiung zu verstehen. Die Nichtbeachtung dieser Tatsache stürzt die Menschen in Unsicherheit. Wir mögen auf die Geschichte als eine Art Huldigung der Prophezeiung zurückgreifen, aber die historische Bestätigung der erfüllten Prophezeiung ist eine ganz andere Sache als ihre Auslegung. Die Prophetie wird, wie die ganze Schrift, nur durch den Geist Gottes erklärt; und Er braucht das geschriebene Wort nicht der menschlichen Hilfe zu überlassen, um zu erklären, was Er inspiriert hat: Nur Er, der der Autor der Schrift ist, ist wirklich in der Lage, sie zu erklären. Ich sollte nicht darauf drängen müssen, da es ein erster Grundsatz der Wahrheit ist; aber wir müssen auf den ersten Grundsätzen der Wahrheit heute so sehr bestehen wie früher.