Behandelter Abschnitt Jes 39,1-8
Dieses Kapitel, so scheint es, verdankt seinen Platz hier vor allem als Grundlage für den sehr wichtigen Platz, den Babylon (wohin Juda in die Gefangenschaft ging) in der Kontroverse einnimmt, die der Herr mit seinem Volk hatte. Hiskia war nicht sanftmütig geworden, als die Gesandten von Merodak-Baladan kamen, um ihm zu gratulieren, sondern hatte sich auf ihr Niveau herabgelassen. Deshalb schickte der Herr die Androhung eines sicheren Gerichts. Alles, was Davids Sohn in seiner Eitelkeit vor den Augen der Fremden ausgebreitet hatte, sollte in die Stadt der Verwirrung gefegt werden, der Züchtiger des Götzendienstes Jerusalems; nur sollte es nicht in die Tage des frommen Königs fallen, ungeachtet seines Versagens.
Zu jener Zeit sandte Merodak-Baladan, der Sohn Baladans, der König von Babel, Brief und Geschenk an Hiskia; denn er hatte gehört, dass er krank gewesen und wieder gesund geworden war. Und Hiskia freute sich über sie und zeigte ihnen sein Schatzhaus: das Silber und das Gold und die Gewürze und das kostbare Öl und sein ganzes Zeughaus und alles, was sich in seinen Schätzen vorfand; es gab nichts in seinem Haus und in seiner ganzen Herrschaft, was Hiskia ihnen nicht gezeigt hätte. Da kam Jesaja, der Prophet, zum König Hiskia und sprach zu ihm: Was haben diese Männer gesagt? Und woher sind sie zu dir gekommen? Und Hiskia sprach: Aus fernem Land sind sie zu mir gekommen, von Babel. Und er sprach: Was haben sie in deinem Haus gesehen? Und Hiskia sprach: Sie haben alles gesehen, was in meinem Haus ist; es gibt nichts in meinen Schätzen, was ich ihnen nicht gezeigt hätte. Da sprach Jesaja zu Hiskia: Höre das Wort des Herrn der Heerscharen! Siehe, es kommen Tage, da alles, was in deinem Haus ist und was deine Väter aufgehäuft haben bis auf diesen Tag, nach Babel weggebracht werden wird; es wird nichts übrigbleiben, spricht der Herr. Und von deinen Söhnen, die aus dir hervorkommen werden, die du zeugen wirst, wird man nehmen, und sie werden Hofbeamte im Palast des Königs von Babel sein. Und Hiskia sprach zu Jesaja: Das Wort des Herrn ist gut, das du geredet hast; und er sprach: Es wird ja Frieden und Bestand sein in meinen Tagen (39,1–8).
Das Kapitel ist von besonderem Interesse als erster deutlicher Hinweis auf eine Macht in späterer Zeit, die dazu bestimmt war, das mächtige Königreich Assyrien zu stürzen, um dann vom Gott des Himmels nach der Eroberung Jerusalems auf dem Herrschersitz der Welt als fortan konkurrenzloser König der Könige eingesetzt zu werden. Noch war es der Kampf einer Provinz um ihre Unabhängigkeit. Eben dieser Mann, dessen Name sowohl in den assyrischen Inschriften als auch in einem Fragment des Polyhistor (Euseb. Chron. Can. i. v. 1) und im Kanon des Ptolemäus genannt wird, „hielt zwei Kämpfe mit der Macht Assyriens aus, wurde zweimal besiegt und zweimal gezwungen, sein Land zu verlassen. Seine Söhne, unterstützt vom König von Elam oder Susiana, setzten den Kampf fort und sind unter den Gegnern von Esar-Haddon, Sanheribs Sohn und Nachfolger, zu finden. Seine Enkel kämpfen gegen Assurbanipal, den Sohn von Esar-Haddon. Erst in der vierten Generation scheint die Familie auszusterben, und die Babylonier, die keinen Verfechter ihrer Sache haben, fügen sich zufrieden dem Joch des Fremden“ (Canon Rawlinson in Smiths Dictionary of the Bible, ii. 332).
Diese Skizze von kompetenter Hand mag dazu dienen, zu zeigen, welch ungeheure Kluft der Umstände noch mehr als der Zeit das Babylon des Nebukadnezar von dem trennte, der seine Gesandten zu Hiskia schickte, mehr noch von jenem Babylon, dessen Sturz vom höchsten Sitz auf der Erde lange vorher von Jesaja in zwei seiner bemerkenswertesten „Aussprüche“ (Jes 13; 14; 21) angekündigt worden war. Aber alles erwies sich umso mehr als vor Gott, der das Ende von Anfang an offenbaren wollte. Hiskia hätte es in jeder Hinsicht besser wissen müssen, aber er vergaß sogar die Lehren aus seiner Krankheit und aus Gottes Handeln mit Sanheribs Heer, gab sich den Dingen der Menschen hin und sank auf das Niveau eines weltlichen Politikers hinab. Aber wenigstens rief ihn die ernste Zurechtweisung des Herrn durch Jesaja dazu zurück, das göttliche Wort demütig mit der gewohnten Frömmigkeit und Dankbarkeit anzunehmen, wovon der Rationalismus keine Ahnung hat und daher mit bösem Auge nichts als verächtlichen Egoismus in einer Seele sieht, die sich selbst richtete und vor Gott verneigte.
Bei der Betrachtung der eingefügten Geschichte der Kapitel 36‒39 kann der Gläubige nur die göttliche Weisheit ihrer Anordnung zwischen dem ersten großen Teil der Prophezeiung und der letzten anerkennen. Niemand könnte so geeignet sein, sie an dieser Stelle einzuführen, wie der inspirierte Verfasser des ganzen Buches. Obwohl sie streng historisch sind, sind sie sehr viel mehr als das, denn sie sind eine Besonderheit der Prophezeiung und bereiten auf die gerichtliche Kontrolle vor, die Assyrien gegeben wurde, und bereiten auf die Vorrangstellung vor, die Babylon, so wenig dies damals erwartet wurde, als das Mittel, Juda und das Haus Davids in die Gefangenschaft zu fegen, bald erhalten wird. Aber sie deuten auch auf den Sohn Davids und den Herrn Davids hin, der, anstatt krank und geheilt zu werden, zu Gottes Ehre und in seiner Gnade über alles menschliche Denken hinaus in den wahrhaftigen Tod als Opfer für die Sünde hinabsteigen würde, um dann wieder aufzuerstehen und einen ewigen Bund zum Segen Israels und der ganzen Erde zu schließen, wenn die Könige ihren Mund vor Ihm verschließen werden, der einst mehr als alle anderen misshandelt, dann aber erhoben und über alle Maßen erhöht war. Beeindruckend ist, in Kapitel 35,4 zu lesen: „Siehe, dein Gott, die Rache kommt“ ‒ womit keineswegs das Evangelium, sondern das zukünftige Königreich völlig charakterisiert wird: „die Vergeltung Gottes. Er wird selbst kommen und euch retten“; und in Kapitel 40,10: „Siehe, der Herr, Herr, kommt mit Kraft, und sein Arm übt Herrschaft für ihn aus; siehe, sein Lohn ist bei ihm, und seine Vergeltung geht vor ihm her.“ Derselbe Geist, dieselbe Hand hat beide Abschnitte geschrieben.