Behandelter Abschnitt Hld 6,1-12
Die Anfrage der Töchter Jerusalems dient nur dazu, den Fortschritt der Braut in ihrer Wertschätzung des Wertes und der Liebe des Bräutigams sowie ihres Wertes für die Beziehung deutlich zu machen.
Wohin ist dein Geliebter gegangen, du Schönste unter den Frauen? Wohin hat dein Geliebter sich gewandt? Und wir wollen ihn mit dir suchen.
Mein Geliebter ist in seinen Garten hinabgegangen, zu den Würzkrautbeeten, um in den Gärten zu weiden und Lilien zu pflücken. Ich bin meines Geliebten; und mein Geliebter ist mein, der unter den Lilien weidet.
Du bist schön, meine Freundin, wie Tirza, lieblich wie Jerusalem, furchtbar wie Kriegsscharen. Wende deine Augen von mir ab, denn sie überwältigen mich. Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die an den Abhängen des Gilead lagern; deine Zähne sind wie eine Herde Mutterschafe, die aus der Schwemme heraufkommen, die allesamt Zwillinge gebären, und keines unter ihnen ist unfruchtbar; wie ein Schnittstück eines Granatapfels ist deine Schläfe hinter deinem Schleier. Sechzig Königinnen sind es und achtzig Nebenfrauen und Jungfrauen ohne Zahl: Eine ist meine Taube, meine Vollkommene; sie ist die Einzige ihrer Mutter, sie ist die Auserkorene ihrer Gebärerin. Töchter sahen sie und priesen sie glücklich, Königinnen und Nebenfrauen, und sie rühmten sie.
Wer ist sie, die da hervorglänzt wie die Morgenröte, schön wie der Mond, rein wie die Sonne, furchtbar wie Kriegsscharen?
In den Nussgarten ging ich hinab, um die jungen Triebe des Tales zu besehen, um zu sehen, ob der Weinstock gesprosst hätte, ob die Granatbäume blühten.
Unbewusst setzte mich meine Seele auf den Prachtwagen meines willigen Volkes (V. 1‒12).
Wie wunderbar ist die Gnade Gottes immer und in jeder Beziehung! Auf seiner Seite, auf der Seite dessen, der allein das vollkommene Ebenbild Gottes ist, der Vollstrecker seiner Ratschlüsse und der Ausdruck seiner Wege, bleibt die Liebe, obwohl sie niemals unempfindlich gegenüber dem Versagen dessen ist, den sie liebt, und wendet das Versagen stets zur Korrektur von Fehlern und zu einem vertieften Sinn für die Beziehung an. So ist es auch hier. In der früheren Phase sagte die Braut: „Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein, der unter den Lilien weidet“ (2,16). Und das ist die richtige Reihenfolge des Begreifens. Sie denkt an Ihn als den, der ihr Herz erfüllt und freut sich, dass Er da ist, obwohl sie selbst dann sagen kann, dass sie zu Ihm gehört. Aber die Seelenübungen, die sie infolge ihres Versagens in der Beantwortung seiner Liebe und ihrer Überprüfung und Selbstgericht durchläuft, führen sie nun ebenso passend zu der Aussage: „Ich bin meines Geliebten; und mein Geliebter ist mein“ (V. 3). Das ist nicht weniger wahr, und erfahrungsgemäß mehr als am Anfang; aber so ist jetzt das tiefe Empfinden ihres Herzens, und aus dessen Fülle spricht sie. Wie überwältigend, dass solche wie wir Ihm so nahe sein sollten! Und wie beruhigend, dass der einzig Würdige unser Bräutigam ist! So wird Jerusalem in Wahrheit des Herzens bald sprechen.
Dann folgt die erneute Erklärung des Bräutigams über die Schönheit der Braut in seinen Augen. Die Nationen werden an jenem Tag gesegnet werden, einige von ihnen in besonderer Weise in dieser verlängerten und zukünftigen Stunde des Segens der Erde zum Lob Jesu. Jesaja 19,23-25 ist deutlich genug, wenn die Ohren nicht stumpfsinnig wären. Der Segen folgt auf das Gericht des Herrn, das an diesem Tag beginnt. Statt gegenseitiger Feindschaft, und jeder suchte die Herrschaft über Israel, wird Ägypten mit Assyrien Gott dienen: Beide sind dem Gott Israels unterworfen. An jenem Tag wird Israel der Dritte sein mit Ägypten und Assyrien, sicherlich nicht um Stellen wie Jesaja 11,12,14,24–27 (um sich auf nichts anderes als auf denselben Propheten zu beziehen) zu entkräften, sondern um allen die göttliche Barmherzigkeit zuzusichern, die noch im Unglauben sind, wenn ganz Israel errettet werden wird und Er sich aller erbarmen wird (Röm 11).
Der Herr der Heerscharen wird herrschen auf dem Berg Zion und in Jerusalem und vor seinen Ältesten in Herrlichkeit. Der Name der Stadt ist von jenem Tag an Jahwe-Schamma. Wie groß ist die Gunst für Israel an jenem Tag, für die Söhne Abrahams und nicht nur seiner Nachkommen, wenn sie ein Segen inmitten der Erde sein werden, nicht ein Vorwurf und ein Fluch wie jetzt wegen ihrer Untreue! Wenn aber der Herr der Heerscharen sie gesegnet hat, so wird es in großer Barmherzigkeit sein und wird Er sagen: Gesegnet sei mein Volk Ägypten und das Werk meiner Hände Assyrien und mein Erbteil Israel. Israel ist Ihm so nahe, dass es in keiner Weise herabgesetzt wird, indem es an dritter Stelle genannt wird.
Die Braut des Geliebten ist seine Einzige, seine Unbefleckte, die einzige ihrer Mutter, die Auserwählte derer, die sie gebar; so wird sie singen. Wie der Herr zählt, wenn Er die Völker aufschreibt: „Dieser ist dort geboren“ (Ps 87,6). Sein Blut hat die Schmach des Blutvergießens für das gläubige und gesegnete Jerusalem abgewaschen und einen Segen gebracht. Die Töchter sahen sie und priesen sie, die Königinnen und die Nebenfrauen, lobten sie.
Es gibt dann keine Rivalität mehr, noch verräterischen Handel der Niederträchtigen, die edel genannt werden; denn ein König wird in Gerechtigkeit herrschen, und der Geist wird von oben ausgegossen werden (Jes 32), um die Menschen auf der Erde zu segnen, statt der Menschen, die in Sünde von ihr getrennt sind, außer denen, die jetzt mit Christus in der Höhe für den Himmel vereint sind.
Wenn der Bräutigam die Braut nach ihrem einmaligen Platz und ihrer bestimmten Herrlichkeit auf der Erde ansieht (V. 10), da Er erneut zum Ausdruck gebracht hat, was sie für ihn ist, geht Er hinab, um zu sehen, wie alles durch seine Gnade gedeiht, und ehe Er sich versieht, setzt Ihn seine Seele auf den Wagen seines willigen Volkes in der Herrlichkeit. Es heißt nicht mehr: „Wer ist sie, die da heraufkommt von der Wüste her wie Rauchsäulen?“ wie in Hohelied 3,6, wo Er sie wiedergefunden und zu sich zurückgerufen hatte. Hier nimmt Er ihre triumphale Herrlichkeit vorweg, wenn Er Israel am Tag seiner offenbarten Macht führt; und sie, sein Volk, das nicht mehr unwillig ist, haben mit gläubigem Herzen gesagt: „Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn“ (Mt 23,39). Dann wird die Sulamith in der Tat von langer und fruchtloser und trauriger Wanderung zurückgekehrt sein, und Israel, nicht mehr schwach und nicht mehr eines Stabes bedürftig, wird wie der Reigen von Machanaim werden, zu zwei Lagern, dem Heer Gottes (7,1).