Behandelter Abschnitt Hiob 31
Nun, es gibt ein drittes Kapitel (31), zu dem wir jetzt kommen, das sich von diesen beiden unterscheidet, und dies ist seine letzte Bitte an Gott. Das alles sagt er nicht so sehr zu seinen Freunden, sondern zu Gott; aber im ersten dieser Kapitel hat er noch über die Vergangenheit geklagt; dann über das gegenwärtige Elend; jetzt ruft er feierlich Gott an, und zwar in Gegenwart aller.
„Ich habe mit meinen Augen einen Bund geschlossen, und wie hätte ich auf eine Jungfrau geblickt! Denn was wäre das Teil Gottes von oben gewesen und das Erbe des Allmächtigen aus den Höhen?“ (V. 1.2). Nichts für einen korrupten Menschen, der einen anderen ausnutzt. „Ist nicht Verderben für den Ungerechten und Missgeschick für die, die Frevel tun? Sieht er nicht meine Wege“ (V. 3.4a) – er war ein durch und durch gottesfürchtiger, gläubiger Mann – „... und zählt alle meine Schritte? Wenn ich mit Falschheit umgegangen bin und mein Fuß dem Trug zugeeilt ist – er wäge mich auf der Waage der Gerechtigkeit, und Gott wird meine Unsträflichkeit erkennen“ (V. 4b‒6). Er hatte ein völlig gutes Gewissen, aber das ist nicht genug. Es gibt das große Prinzip der Selbstbeurteilung; es gibt auch das große Prinzip der völligen Unterwerfung unter Gott und der Rechtfertigung durch Ihn – dass Er in allem recht und weise ist, nicht nur in dem, was Er tut, sondern auch in dem, was Er zulässt. Es ist alles zum Guten. Es mag für andere sehr schlimm sein, so wie es für Hiobs Freunde war, aber Gott hatte in allem eine gute Absicht für Hiob.
„Wenn mein Schritt vom Weg abgebogen“ und so weiter (V. 7a–12). Es ist klar, dass Hiob in seinem Verhalten und sogar im Zustand seines Herzens ein höchst untadeliger Mensch war. „Wenn ich das Recht meines Knechtes und meiner Magd missachtete“ – er geht nun zu anderen Pflichten über – „als sie mit mir stritten, was wollte ich dann tun, wenn Gott sich erhöbe; und wenn er untersuchte, was ihm erwidern?“ und so weiter (V. 13–23). „Wenn ich das Gold zu meiner Zuversicht gemacht“ – jetzt wendet er sich einer dritten Art von Fallstricken zu – „und zum feinen Gold gesagt habe: Mein Vertrauen!; wenn ich mich freute, dass mein Vermögen groß war“ – und wie viele es tun – „und dass meine Hand Ansehnliches erworben hatte“ (V. 24.25) und so weiter, so war es nicht bloß ererbt; sondern es war durch seinen eigenen Fleiß und Gottes besonderen Segen über ihn erworben.
Nun betrachtet er eine ganz andere Sache – „wenn ich die Sonne sah, wie sie glänzte, und den Mond in Pracht dahinziehen“ (V. 26a), das heißt in der Art und Weise irgendeiner Anbetung; in der Verneigung vor der Sonne oder dem Mond, was die früheste Form des Götzendienstes war. Wir hören nicht von Baals oder Astorets oder irgendeiner der schändlichen Götzenbilder und Schlechtigkeiten heidnischer Anbetungsobjekte; aber hier war ein Werk Gottes von höchster Natur, aber keine Anlehnung daran in irgendeiner Weise – „und mein Herz im Geheimen verführt wurde und mein Mund meine Hand geküsst hat“ – auch nicht die geringste Form der Anerkennung des Geschöpfes! – „auch das wäre eine gerichtlich zu strafende Ungerechtigkeit; denn Gott droben hätte ich verleugnet“ (V. 27.28). Da haben wir eine sehr solide Lehre. „Wenn ich mich freute über das Unglück meines Hassers und aufjauchzte, als Böses ihn traf“ (V. 29) – eine sehr häufige Schlinge für Menschen. Sie haben eine kleine Freude, wenn ihre Widersacher zu Schaden kommen oder bedrängt werden. „... (nie habe ich ja meinem Gaumen erlaubt zu sündigen, durch einen Fluch seine Seele zu fordern); wenn die Leute meines Zeltes nicht gesagt haben: Wer wäre nicht von seinem Fleisch satt geworden! (der Fremde übernachtete nicht draußen, ich öffnete dem Wanderer meine Tür): Wenn ich, wie Adam, meine Übertretungen zugedeckt habe, verbergend in meinem Innern meine Ungerechtigkeit, weil ich mich fürchtete vor der großen Menge“ (V. 30‒34a) – wir sehen, dass er mit der sehr bemerkenswerten und ergiebigen Geschichte des Falles Adams bestens vertraut war. Dort haben wir genau das, was jeder, der jetzt mit dem Licht Christi zurückblickt, auch sieht. Da war die große Sünde Adams. Anstatt sich vor Gott zu demütigen und zu Ihm zu gehen, um Ihm zu sagen, wie er sich selbst entehrt hatte, versteckte sich Adam; und die Kleidung, die er anlegte, zeigte, dass er nicht mehr unschuldig war.
„O dass ich einen hätte, der auf mich hörte“ (V. 35a). Hier ist nun Hiobs letzter Appell. „Hier ist meine Unterschrift – der Allmächtige antworte mir! –“ (V. 35b) – Hiob wollte, dass jemand darüber sprechen könnte – „und die Schrift, die mein Gegner geschrieben hat! Würde ich sie nicht auf meiner Schulter tragen“ – wenn jemand, der ihm Böses wollte, Anklage erheben würde „würde ich sie“, sagt er, „auf meine Schulter tragen, sie mir umbinden als Krone“ (V. 35c‒36) – denn er war überzeugt, dass es falsch war. „Ich würde ihm die Zahl meiner Schritte mitteilen, würde ihm nahen wie ein Fürst“ (V. 37). Ich denke, Ihm nahen, ist zum Herrn. „Wenn mein Acker über mich schreit und seine Furchen allesamt weinen, wenn ich seinen Ertrag ohne Zahlung verzehrt habe und die Seele seiner Besitzer aushauchen ließ, so mögen Dornen statt Weizen und Unkraut statt Gerste hervorkommen! Die Worte Hiobs sind zu Ende“ (V. 38‒40).
Nun, das war sehr erhaben; denn es war eine Rechtfertigung seiner selbst. Aber es war ein großer Irrtum, was das Geheimnis des Umgangs Gottes mit Hiob angeht, und deshalb erscheint ein neuer Gesprächspartner. Wir haben bisher nichts von ihm gehört. Das ist ein bemerkenswerter Hinweis auf primitive Gewohnheiten und Empfindungen. Er war ein junger Mann. Und dass er nicht beachtet wird, ist ganz im Sinn der alten Sitten. Und er zeigt, dass er sich selbst vollkommen darauf einlässt und sich in keiner Weise darüber beschwert. Elihu aber war ein von Gott eingesetzter Mann, um den Stolz des Alters und der Erfahrung, der Beobachtung und der Tradition zu brechen. Denn da haben wir, was zu jedem dieser Freunde gehörte. Sie waren alte Männer, und sie waren stolz auf ihre Stellung. Und Eliphas war, wie wir wissen, ein Mann, der sich stark auf das Urteil und das Empfinden der öffentlichen Meinung stützte – von gottesfürchtigen Männern, kein Zweifel, aber es war schließlich nur die der Menschen. Und eine der wunderbaren Weisen Gottes ist diese: dass keine Tradition jemals den gegenwärtigen Umständen entsprechen kann. Es können sogar dieselben Tatsachen vorkommen; aber sie stehen in einem anderen Licht, und die Umstände verändern sie gewaltig, und das alles muss berücksichtigt werden.
Wer also ist ausreichend für diese Dinge? Unsere Genügsamkeit ist von Gott. Es besteht die Notwendigkeit der Abhängigkeit von Gott. Man kann nicht auf diese Weise Weisheit für göttliche Dinge anhäufen. Das ist alles sehr schön in der Wissenschaft oder der Erkenntnis oder in der Kunst oder in der Literatur oder in irgendetwas in dieser Art; aber es ist nichts in den Dingen Gottes. Zophar scheint mehr Vertrauen in sich selbst zu haben als in irgendjemanden. Und Bildad war einer zwischen den beiden. Er war ein Mann von scharfer Beobachtung und guter Ausdruckskraft. Aber wie dem auch sei, alle hatten versagt, und nun tritt Elihu hervor.