Behandelter Abschnitt Hiob 30
Nun, in diesem Kapitel haben wir eine völlig andere Geschichte. Hiob sagt nun: „Und nun lachen über mich Jüngere als ich an Jahren.“ Man kann sich vorstellen, wie schmerzlich das für einen Mann war, der viel von den großen Taten und der hohen Meinung über sich hielt, und die bescheideneren Klassen waren ausnahmsweise einmal ganz auf der Seite der Großen. Denn sie lieben es zuweilen wahrlich, sich zu unterscheiden, „deren Väter ich verschmähte, den Hunden meiner Herde beizugesellen“ (V. 1). Ach Hiob, du kannst bissig sein, du kannst tief zuschlagen, wenn du willst. Er hätte ihre Väter nicht zu den Hunden seiner Herde gesellt! Bedenken wir das. Und er gibt seinen Grund an. Er sagt: „Wozu sollte mir auch die Kraft ihrer Hände nützen?“ (V. 2a). Hiob war ein weiser Mann, und wenn er Diener hatte, dann hatte er Diener, die ihre Pflicht tun konnten. Aber wie es oft bei den Elendesten der Welt der Fall ist, sind sie schwach und unfähig, ein gutes Tagwerk oder eine gute Stunde Arbeit zu tun. Was sie auch immer tun, sie tun es auf eine Art und Weise, die ausreicht, jeden Menschen zu provozieren, der sie ansieht. Und so sagt er: „Durch Mangel und Hunger abgezehrt, nagen sie das dürre Land ab, das längst öde und verödet ist; sie pflücken Salzkraut bei den Gesträuchen, und die Wurzel der Ginster ist ihre Speise. Aus der Mitte der Menschen werden sie vertrieben; man schreit über sie wie über einen Dieb“ (V. 3–5) – sie waren höchst anrüchig, und Hiob hätte auf keinen Fall einen von ihnen haben wollen, der ihm diente. Er wäre bereit gewesen, ihnen zu essen zu geben, wenn sie hungrig gewesen wären; und wenn sie keine Kleidung gehabt hätten, hätte er sie auch damit reichlich versorgt. Aber er empfand es sehr, dass diese Männer ihn verspotteten und alles taten, um seine Leiden zu verhöhnen, und nicht nur mit diesen Männern im Allgemeinen, sondern sie waren junge Männer, die seine wankenden Schritte zum Stolpern bringen wollten! Denn ihr wisst, dass seine Fußsohlen unerträglich waren – vom Kopf bis zu den Füßen war nicht nur jeder Nerv sozusagen aktiv, sondern die Würmer fingen schon an, ihn bei lebendigem Leib durch alle offenen Wunden zu befallen. Es war ein höchst schrecklicher Zustand.
Doch was ist das im Vergleich zum moralischen Leiden? Meint ihr, der Apostel Paulus hätte nicht viel schwerer darunter gelitten als unter irgendeinem körperlichen Leiden? Er litt sehr unter den falschen Brüdern. Und ich denke, er muss sehr oft unter wahren Brüdern gelitten haben – vielleicht sogar noch mehr, aber auf eine andere Art und Weise. „In grausigen Klüften müssen sie wohnen, in Erdlöchern und Felsenhöhlen“ (V. 6). Er wird nicht zulassen, dass sie redeten – sie kreischten. „Zwischen Gesträuchen kreischen sie, unter Dorngestrüpp sind sie hingestreckt. Kinder von Verworfenen, ja, Kinder von Ehrlosen, sind sie hinausgepeitscht aus dem Land“ (V. 7.8) – das heißt von Vätern, die selbst keinen Namen hatten. „Und nun bin ich ihr Spottlied geworden und wurde ihnen zum Gerede“ (V. 9). Denkt daran – diese Worte waren alle wahr. „Sie verabscheuen mich, treten fern von mir weg, und sie verschonen mein Angesicht nicht mit Speichel“ (V. 10). Sie konnten es nicht ertragen, ihn anzusehen – die Qualen und die schreckliche Wirkung all dieser Wunden an seinem Körper. Sie konnten sich ihm nicht nähern. „Denn er hat meinen Strick gelöst und mich gebeugt; so lassen sie vor mir den Zügel schießen. Zu meiner Rechten erhebt sich die Brut; sie stoßen meine Füße weg und bahnen gegen mich ihre Wege des Unheils. Sie zerstören meinen Pfad, befördern meinen Untergang, sie, die selbst hilflos sind. Sie kommen wie durch einen weiten Riss, unter Gekrach wälzen sie sich heran. –Schrecknisse haben sich gegen mich gekehrt; man verfolgt wie der Wind meine Würde, und meine Rettung ist vorübergezogen wie eine Wolke. Und nun ergießt sich in mir meine Seele; Tage des Elends haben mich ergriffen“ (V. 11–16). Es gab schließlich etwas, was das Herz des armen Hiob mehr als alles andere betrübte. Es war Gott. Er meint nicht den Teufel; es war nicht der Teufel.
Wir sehen, dass es jetzt nicht um seine drei Freunde geht. Er blickt wirklich auf diese ungeheure Prüfung, die seinen Körper heimsuchte und ihn all dieser Geringschätzung und Verachtung der niedrigsten Kreaturen der Erde aussetzte. „Die Nacht durchbohrt meine Gebeine und löst sie von mir ab, und die an mir nagenden Schmerzen ruhen nicht. Durch die Größe ihrer Kraft verändert sich mein Gewand, es umschließt mich wie der Halssaum meines Untergewandes“ (V. 17.18). Seht euch den Schmerz an, den all das verursachen würde. „Er hat mich in den Schmutz geworfen, und ich bin wie Staub und Asche geworden. Ich schreie zu dir, und du antwortest mir nicht“ (V. 19.20a). Aber Gott erhörte ihn. Es gab einen Grund, warum er nicht antwortete. „... ich stehe da, und du starrst mich an. In einen Grausamen verwandelst du dich mir“ (V. 20b.21a). Da lag er ganz falsch. „... mit der Stärke deiner Hand befeindest du mich. Du hebst mich empor auf den Wind, du lässt mich dahinfahren und zerrinnen im Sturmgetöse. Denn ich weiß es, du willst mich in den Tod zurückführen“ (V. 21b–23a) – da hat er sich wieder geirrt. Gott hatte Gutes mit Hiob vor. „... und in das Versammlungshaus aller Lebendigen. Doch streckt man beim Sturz nicht die Hand aus, oder erhebt man bei seinem Untergang nicht deswegen einen Hilferuf? Weinte ich denn nicht über den, der harte Tage hatte? War meine Seele nicht um den Armen bekümmert?“ (V. 23b–25) – geht er wieder darauf ein. „Und so ist meine Laute zur Trauerklage geworden und meine Schalmei zur Stimme der Weinenden“ (V. 31).