Behandelter Abschnitt Hiob 1
Jetzt habe ich nur die Einleitung gelesen, und zwar nur einen Teil der Einleitung, denn die beiden ersten Kapitel umfassen die Einleitung. Und danach folgt die leidenschaftliche und vehemente Eröffnungsrede des Patriarchen Hiob. Es ist klar, dass wir hier ein Buch aus der Zeit der Patriarchen haben. Alle Umstände deuten auf diese Zeit hin und auf keine andere; und außerdem ist es gut, schon jetzt festzustellen, bevor wir fortfahren, dass das Buch in der Zeit Moses geschrieben zu sein scheint, und wahrscheinlich von Mose.
Manche sind jedoch ein wenig durch die Tatsache verwirrt, dass es in der Bibel nach dem Buch Esther kommt. Das hat überhaupt nichts mit dem Datum zu tun. Die historischen Bücher sind von 1. Mose bis Esther angeordnet – das ist das Ende. Dann folgen die poetischen Bücher – Hiob, die Psalmen, Sprüche, Prediger und das Hohelied Salomos. Deshalb gehen wir hier notwendigerweise zurück; denn die poetischen Bücher wurden sicherlich nicht nach den geschichtlichen Büchern geschrieben, sondern gleichzeitig mit ihnen; und wir können leicht verstehen, dass das Buch Hiob uns in dieselbe Zeit zurückführt, in die auch das erste Buch der Geschichte zurückgeht. Alles stimmt überein, um das zu zeigen.
Hiob brachte zum Beispiel Brandopfer dar. Das tat er, damit seine Söhne nicht sündigten, aber es war kein Sündopfer, was natürlich der Fall gewesen wäre, wenn es nach dem Gesetz geschehen wäre; aber es war vor dem Gesetz, und die Opfer, die Abraham, Isaak und Jakob gewöhnlich darbrachten, waren unter allen Umständen Brandopfer. So finden wir hier ein sehr einfaches Zeichen im allerersten Kapitel. Auch finden wir, dass es zu dieser Zeit einen sehr eigentümlichen Götzendienst gab. Das Buch Hiob wurde nach der Sintflut geschrieben; vor der Sintflut gab es keinen Götzendienst. Natürlich sagen die Theologen zu dem Thema, was sie wollen, und sie sagen sehr oft etwas, was völlig unbegründet ist. Sie sind der Meinung, dass es Götzendienst gegeben haben muss, und also gab es ihn. Doch das ist überhaupt kein Beweis – es ist nur ihre Einbildung. Tatsache ist, dass der früheste Götzendienst in der Anbetung der Sonne, des Mondes und der Sterne bestand. Wir werden im Lauf dieses Buches sehen, dass dies der einzige Götzendienst ist, auf den sich Hiob bezieht. Es war das, was zu jener Zeit üblich war, und sie verfielen danach in noch viel entartetere Formen.
Daher hat man den Eindruck, dass der Schreiber des Buches Hiob eine gute Zeit nach Hiob lebte, aber dass Hiob in einer Zeit lebte, in der es Götzendienst gab. Doch das ist es, was er allein anmerkt; es ist ein Teil seiner Selbstverteidigung, nämlich dass er nicht schuldig war, denn diese Sünde vermuteten seine drei Freunde bei ihm. Ich nehme an, sie waren die rechtgläubigen Menschen jener Zeit; aber wie die rechtgläubigen Menschen vieler Tage war es eine arme, menschliche, verkürzte Vorstellung von Gott. Orthodoxie ist nur die populäre Meinung der Religion, als eine allgemeine Regel; und obwohl es Elemente der Wahrheit gibt, und Orthodoxie ist sicherlich viel besser als Heterodoxie, doch es nicht der Glaube. Sie hatten kein geistliches Urteil, das eine tiefe Bekanntschaft mit Gottes Gedanken voraussetzt. Nur müssen wir bedenken, dass zu der Zeit, als dieses Buch geschrieben wurde, sehr wenig geschrieben wurde, vielleicht nicht mehr als das erste Buch Mose. Ich urteile so, weil es keinen Hinweis auf das Gesetz gibt. Wenn Das Buch Hiob geschrieben worden wäre, nachdem das Gesetz auf dem Sinai gegeben wurde, könnten wir erwarten, darauf eine Anspielung zu finden, aber es gibt keine.
Es gibt noch eine andere Sache, die uns bei der Datierung hilft, und das ist das Alter Hiobs. Er war mindestens 140 Jahre alt. Es gibt einige Leute, die zu denken scheinen, dass er nach all seinen Schwierigkeiten 140 Jahre lebte; aber dafür gibt es keinen Grund. Es ist nur die Redeweise im letzten Kapitel, und ich nehme an, dass es wirklich bedeutet, dass das sein gesamtes Alter war, die Zeitspanne seines Lebens – nicht die Zeit, nachdem diese Katastrophen absichtlich über ihn hereinbrachen – aus Gründen, die ich noch erklären werde. Wenn dieses Alter nun das Alter von Hiob ist, zeigt es, dass wir uns nicht mehr vorstellen müssen, als das, was Gottes Wort erklärt, und er wäre daher eher ein jüngerer Mann gewesen, als er starb, als Jakob. Jakob lebte weniger als Isaak oder Abraham. Dies scheint also auf die Zeit des Patriarchats hinzuweisen, und alle Umstände passen dazu.
Wiederum gibt es etwas sehr Bemerkenswertes und Eigenständiges in diesem Buch. Es liegt völlig außerhalb Israels. Sicherlich gab es damals den ersten Anfang Israels; Abraham, Isaak und wahrscheinlich auch Jakob hatten gelebt, und es ist klar, dass dieser gottesfürchtige Heide, Hiob, viel von der Kenntnis dessen profitiert hatte, was Gott in seinem Umgang nicht nur mit diesen Patriarchen, sondern auch mit den Überlieferungen derer, die vorher gelebt hatten, offenbart hatte. Ich sage Überlieferungen, weil die Heilige Schrift noch nicht geschrieben war. Wenn es zu dieser Zeit überhaupt ein Buch der Schrift gab, dann konnte es meiner Meinung nach nur das erste Buch Mose gewesen sein, das möglicherweise geschrieben wurde. Das war aber nur sehr wenig. Nur das erste Buch Mose ist eines der lehrreichsten Bücher in der ganzen Bibel; es ist bemerkenswert, weil es eine Art Saatbeet ist (mit dem es schon einmal verglichen wurde), wo alle Keime, alle Pflanzen, die später sozusagen zu Sträuchern oder Bäumen oder was auch immer, heranwuchsen – dort haben sie alle in ihrem Anfang.
Es entspricht in dieser Hinsicht sehr dem Buch der Offenbarung; das erste Buch Mose ist das richtige Vorwort zur Bibel, und die Offenbarung der sehr passende Schluss der Bibel; und wir werden feststellen, dass es zwischen der dem ersten Buch Mose und der Offenbarung Verbindungsglieder gibt, die auffälliger sind als in irgendeinem anderen der beiden Bücher der Heiligen Schrift. Zum Beispiel der Garten, das Paradies Gottes und der Baum des Lebens – diese finden sich sehr früh im ersten Buch Mose und sehr früh in der Offenbarung. Im zweiten Kapitel von 1. Mose haben wir sie, und im zweiten Kapitel der Offenbarung haben wir sie wieder. Das ist eine Offenbarung höheren Charakters, gegründet auf jenes Paradies, das alle Leser von 1. Mose kannten.
Dann diese schreckliche Gestalt Satan, die Schlange – in der Offenbarung wird er die „alte Schlange“ genannt, was offensichtlich auf 1. Mose zurückverweist. Von der Schlange, dem Feind, wird auf verschiedene Weise gesprochen. Wir finden ihn als „Satan“ [o. Wiedersacher] in Psalm 109,6 und wir finden ihn auch in Kapitel 21 des ersten Buches Chronika. Dort versuchte Satan David und hatte Erfolg damit; er brachte David in eine große Sünde, die tiefes Leid über das Volk brachte, auf das er derart stolz war. Dadurch wurde das Volk geschlagen und seiner Stärke beraubt, weil David stolz auf dessen Stärke war. Nun denn, auch in Sacharja haben wir sie alle (Sach 3). Also ist die Vorstellung, dass es irgendetwas Besonderes in dem Bereich gibt, der dem Satan in diesem Buch Hiob gegeben wird, eine sehr absurde Vorstellung. Es ist eine sehr passende Sache, genau das, was gebraucht wird, und es ist die große Wahrheit, die im ganzen Buch vorgebracht und diskutiert wird.
Einige Geistliche sprechen sehr gern über das Buch Hiob als ein Drama – eine Art heiliges Drama. Nun, ich denke, sie sollten das Drama besser für sich behalten und das Buch in seiner eigenen Einfachheit und Schönheit belassen, und nicht bloße Begriffe von sehr niedriger und irdischer Art einführen. Es ist eine authentische Diskussion; es ist eine große Debatte. Es ist nicht das Problem, wie es den Bösen vergönnt ist, jetzt manchmal zu gedeihen und danach das Gericht Gottes zu erwarten. Hier haben wir vielmehr die weitaus ernstere Frage: „Wie kommt es, dass die Gerechten jetzt so viel leiden; ist es mit Gottes Gerechtigkeit vereinbar, dass ein Gerechter mehr leiden sollte als jeder andere Mensch?“ Nun, das ist genau das Thema, das in diesem Buch behandelt wird, und das Ziel ist es, zu zeigen, dass es nicht nur einen Gott gibt, der vollkommen gerecht und gut ist, sondern dass es auch einen Feind gibt, der vollkommen bösartig und raffiniert und aktiv ist. Nun wird dies alles in einem Buch dargelegt, das völlig außerhalb Israels liegt. Das Wunder ist, was die Rationalisten und die Juden betrifft – denn sie hatten ihre Rationalisten genauso wie die Christenheit jetzt ihre Rationalisten hat; sie waren die Leute, die das Wort immer herabsetzten, das Wort vermenschlichten und ihm außerdem Traditionen und alle möglichen Geschichten anhängten, die erfunden wurden, um das Wort Gottes zu verbessern und es den Lesern schmackhaft zu machen, die sich nicht mit der Wahrheit zufrieden gaben, sondern damals genauso gern Anekdoten erzählten wie die Leute heute, die mit dem Evangelium nicht glücklich werden können, wenn sie nicht diese Geschichten über Menschen haben.
Hier haben wir den Geist Gottes in diesem wunderbaren Buch, der Tatsachen hervorbringt. Die Juden mochten das nicht; und das können wir durchaus verstehen. Was! ‒ ein Heide, von dem mit stärkeren Worten gesprochen wird als von Jakob, unserem Vater Jakob, Israel! Die Schrift zeigt, dass Jakob ein sehr unsicherer Mann war. Er war ein wahres Kind Gottes, aber ein Mann, dessen Fleisch sehr wenig gebrochen war, und ein Mann, der von Natur aus anfällig war für Schlitzohrigkeit – „schlau“ ist, glaube ich, das moderne Wort dafür –, die Schlitzohrigkeit seiner Mutter und ihres Bruders, und alles, was mit dem auserwählten Geschlecht zusammenhing. Jakob erbte ein wenig von diesem Blut, und als Folge davon, dass er sich nicht selbst richtete, sich Gott unterordnete und Ihm vertraute, brachte er sich oft in sehr große Schwierigkeiten und versuchte, auf sehr unschöne Weise aus ihnen herauszukommen.
All dies ermittelt uns in der Tat eine sehr wichtige Lektion, aber im Buch Hiob ist es eine ganz andere. Hier ist ein Mann, den Gott selbst vor den Satan bringt. „Und es geschah eines Tages, da kamen die Söhne Gottes, um sich vor den Herrn zu stellen; und auch der Satan kam in ihrer Mitte“ (V. 6).
Wir haben ein höchst bemerkenswertes Ereignis – das, was ich heute Abend vorgelesen habe –, bei dem „die Söhne Gottes“ herzutraten, um sozusagen Gott selbst im Himmel ihre Ehrerbietung zu erweisen. Wir wissen, dass „die Söhne Gottes“ als Boten eingesetzt werden; und dementsprechend haben wir eine sehr eindrucksvolle Begebenheit an einem bestimmten Tag, an dem sie kamen – der Tag, nicht nur irgendein Tag. Es steht weder in der Revidierten noch in der Autorisierten Fassung, aber das ist das Wort, das gemeint ist. Nun waren diese „Söhne Gottes“ eindeutig Engel, und diese Engel waren mit ihrer Botschaft der Güte und Barmherzigkeit Gottes beschäftigt; denn Er liebt es, andere zu beschäftigen. Das wird uns jetzt auf segensreiche Weise gezeigt. Denn jeder von uns hat seine Arbeit; jeder von uns hat seine Aufgabe; wir haben alle einen Auftrag von Christus, auch der einfachste Bruder und die einfachste Schwester. Wir sind Glieder am Leib Christi, und jedes Glied hat seine Aufgabe. Es ist eine sehr interessante Sache, dass Gott die Glieder des Leibes Christi einsetzt, um das zu tun, was Er auch ohne sie hätte tun können. Er liebt es, ihnen zu vertrauen; Er liebt es, sie zu trainieren; Er liebt es, dass sie ihren Platz kennenlernen und dass sie ihren Auftrag während dieser kurzen Zeit erfüllen, in der wir auf Christus warten. Das gibt dem Platz des Christen eine große Würde und auch eine sehr feierliche Verantwortung. Das ist ein Teil des Weges Gottes.
Nun scheint es, dass es einen Tag gab, an dem die Engel kamen und Satan erlaubt wurde, unter sie zu kommen. Das ist eine erstaunliche Tatsache, die sich keineswegs auf diese Schriftstelle beschränkt. Wir haben sie sogar in der Offenbarung, dem letzten Buch des Neuen Testaments. Dort finden wir, dass der Tag kommt, an dem Satan und sein ganzes Heer aus den Himmeln vertrieben werden sollen. Und wir finden, dass es eine Lehre ist, die im Epheserbrief niedergelegt ist, dass wir mit diesen Mächten des Bösen nicht nur auf der Erde zu kämpfen haben, sondern dass sie den großen Vorteil gegenüber dem Gläubigen haben, einen Platz im Himmel zu besitzen. Warum ist es so, dass Christen das im Allgemeinen nicht glauben? Weil sie sich selbst glauben und nicht Gott. Weil sie auf das hören, was sie Theologie nennen, statt auf die Bibel, und die Folge ist, dass sie jede Berührung mit der göttlichen Wahrheit verlieren; sie verfallen mehr und mehr in den Glauben nicht nur an die Vorstellungen der Menschen von der Bibel, sondern an Fabeln und Ideen, die völlig unbegründet sind. Tatsache ist, dass es nichts gibt, was mehr die Macht Gottes und die Geduld Gottes zeigt, als dies, dass dem großen Bösen und seinen Abgesandten immer noch der Zugang zu den Himmeln gestattet wird. Sie sind noch nicht in die Hölle geworfen; sie sind nicht bloß hinuntergeworfen, um nur auf der Erde zu sein. Wir wissen, dass das eine Sache ist, die sein wird, aber erst, wenn wir in den Himmel aufgefahren sind. Manche Menschen haben die Vorstellung, dass sie aus dem Himmel hinausgeworfen werden, um Platz für uns zu machen, aber das ist ganz im Gegensatz zur Schrift. Die Entfernung der verherrlichten Heiligen in den Himmel geschieht, bevor Gott den Bösen und seine Heerscharen stürzt, bevor Er sie ausstößt und auf die Erde hinunterwirft, damit sie nie mehr in den Himmel zurückkehren können. Und das tut Er, weil Gott die absolute Macht hat, es in einem Augenblick zu tun; weil Er ein großes Werk ausführt; und ein Teil davon, der Seine wunderbaren Wege zum Vorschein bringt, ist die erlaubte Gegenwart der Sünde. Er gibt Satan jeden Vorteil, weil er seine ganze Bosheit und seine ganze Macht zur Förderung seines eigenen Weges mit seinen Kindern einsetzt; und das ist das Bemerkenswerte, was wir in diesem Buch Hiob finden.
Es gibt eine sehr starke Bestätigung dafür in einer Szene, die im ersten Buch der Könige beschrieben wird, und ich beziehe mich nur darauf, um es zu bestätigen, nämlich dort, wo es (1Kön 22) von Micha spricht, dem Mann, den der böse König nicht ertragen konnte, weil er nie etwas Gutes zu ihm zu sagen hatte. Das heißt: Micha war kein Schmeichler. Könige mögen in der Regel nur Schmeichler, und dieser Prophet ärgerte den bösen König sehr. Und leider versagte der gute König Josaphat in genau dem, in dem wir jetzt zu versagen pflegen: Gemeinschaft zwischen Licht und Finsternis! Gemeinschaft zwischen dem richtigen und dem falschen Volk! Gemeinschaft mit dem, was Gott ganz und gar entgegengesetzt ist, auf eine liebenswürdige Art, die uns keine großen Schwierigkeiten bereitet! Wir mögen den leichten Weg, wir mögen den geraden Weg nicht, wir mögen den Weg nicht, der Glauben erfordert, und das ist zu unserem eigenen Schaden. Nun, in diesem Fall spricht Micha, als er auf den Punkt gebracht wird, von einer ähnlichen Szene, wie Sie sie hier haben. Dort stellt Gott die Frage: „Wer wird hingehen und Ahab verführen?“ – das war der götzendienerische König Israels, „Wer wird ihn verführen?“ – mit dem Josaphat seine Freundschaft schloss, zu seinem eigenen Leid und zur Unehre des Herrn, und ohne dass Ahab etwas davon hatte, denn er fiel; er wurde keinen Zentimeter in das hinein gewonnen, was Gott gefiel. Das gute Verhalten Josaphats tat Ahab in keiner Weise gut, sondern im Gegenteil, Ahab zog Josaphat in das hinein, was Gottes und eines Kindes Gottes unwürdig war. Der böse Geist sagte, er würde hingehen und Ahab verführen. Er wirkte, ohne Zweifel, durch Ahabs falsche Propheten.
Petrus spricht von „falschen Lehrern“, die das gleiche schlechte Werk tun, das die falschen Propheten in Israel taten. Sie sind falsche „Lehrer“, weil die Wahrheit gekommen ist. Sie waren falsche „Propheten“, als die Wahrheit noch nicht gekommen war, als Christus noch nicht erschienen war, als alles noch zukünftig war. Aber jetzt ist die ernste und gesegnete Wahrheit, dass der Sohn Gottes gekommen ist und uns ein Verständnis gegeben hat, Ihn zu erkennen und das was wahr ist. Es ist also eine Frage der Lehre jetzt. Nichts ist so zerstörerisch wie das, was falsch ist, was im Widerspruch zu Gott und seinem Wort steht. Der Weltmensch kann die Moral beurteilen, auch wenn er äußerlich ein schlechtes Beispiel für die Moral ist; aber das ist etwas ganz anderes als der Charakter Hiobs.
Hier wird Hiob nicht nur vom Schreiber, sondern auch von Gott selbst in den schärfsten Worten beschrieben. Der Schreiber sagt: „Es war ein Mann im Lande Uz“ (das, wie Sie wissen, in der Nähe von Edom lag, an den Grenzen von Edom, und anscheinend stammten die Freunde Hiobs alle mehr oder weniger aus diesem Viertel), der großen Wüste an der Ostseite Palästinas, zwischen Palästina und dem Euphrat, wo die Beduinen ständig auf und ab ziehen – die Nomadenvölker, einige von ihnen Nachkommen Abrahams, ja einige von Ismael. Und es wird gesagt, „dass der Mensch vollkommen war“ – damit ist nicht gemeint, dass es kein Böses gab; das ist überhaupt nicht die Bedeutung von „vollkommen“ in der Schrift, sondern im Alten Testament ist es das Wort für einen Menschen, der durch und durch gesund war – ein gesunder Mensch, nicht bloß ein Moralist, sondern ein Mensch, der mit Gott im Reinen war. Und abgesehen davon, dass er in dieser Hinsicht gesund war, war er „aufrichtig“ mit den Menschen. „Vollkommen und aufrichtig“ zeigte die Beziehungen, die eine zu Gott, die andere zu den Menschen. Beides sollte zusammengehören. Das große Merkmal davon war „gottesfürchtig“. Ein weiteres großes Merkmal war, dass es auf diese anderen Begriffe antwortete – das Böse abzulehnen oder zu meiden. „Eschewing“ ist das alte englische Wort für „meiden“. Er mied es; er wollte nichts damit zu tun haben. Da haben wir also die Gottesfurcht, die große Wurzel seines „gesunden“ oder „vollkommenen“ Seins; und die Ablehnung des Bösen, das große Kennzeichen seines „aufrechten“ Seins. Und dann haben wir die Beschreibung seiner Familie.
Aber das Bemerkenswerte ist diese große Prüfung – und sie ist sehr tröstlich für uns – die bemerkenswerteste, die jemals auf der Erde stattgefunden hat, mit Ausnahme der Prüfung Christi. Im Gegensatz dazu steht das Buch Hiob. Wir haben es hier mit einem Mann zu tun, der vom Satan schwer versucht wurde. Aber was waren all die Versuchungen Hiobs im Vergleich zu denen des Herrn? Und ich nehme nicht nur die Versuchungen Hiobs, sondern das Ende – das Ende Hiobs war, dass er Gott voller Mitleid und zarter Barmherzigkeit fand; aber das Ende des Herrn Jesus in dieser Welt war das Kreuz. Hiob wurde im Todeskampf in den Staub hinabgestürzt, Christus aber wurde in den Staub des Todes hinabgestürzt. Der Herr spricht von sich selbst (Ps 22) als einem Wurm; und was war das Gericht, das auf Ihn fiel, als Er am Kreuz hing? Was war der ganze schreckliche Zustand von Hiobs Körper im Vergleich mit dem Gericht über unsere Sünden?
Zwischen den beiden gibt es noch etwas anderes. Wir werden in diesem Buch finden – ich greife jetzt vor, aber in einer Einführungsvorlesung muss man das erwarten –, dass Hiob sich eine Sprache und Gedanken über Gott erlaubte, die die größte Schande für Hiob war. Es war nicht nur, dass er seinen Tag verfluchte, was natürlich ein extremes Versagen war, und ein Versagen, das für uns sehr gewinnbringend zu beachten ist. Wodurch zeichnete sich Hiob mehr aus als jeder andere Mensch auf der Erde seiner Zeit? Geduld. „Ihr habt gehört von der Geduld Hiobs“; das ist genau das, woran er zerbrach. Er wurde ungeduldig mit seinen Freunden – und ich muss zugeben, sie waren ein höchst anstrengender Haufen, diese drei Männer, und es gab alles, um Hiob mit Empörung über ihre schlechten Gedanken über ihn zu erfüllen; denn was sie die ganze Zeit über dachten, war, dass er sich irgendeiner schrecklichen, unbekannten Sünde schuldig gemacht haben musste, die ihnen unbekannt war, und die die Ursache für all dieses Leid war. Das war die orthodoxe Vorstellung jener Tage, und sie ist es immer noch. Wenn irgendetwas sehr Belastendes passiert, muss mit dem Mann etwas nicht in Ordnung sein! Wenn es ihm sehr schlecht geht, sagen diese Weisen des Bösen: „Ach, mit dem Rauch muss auch ein wenig Feuer sein.
Nun ist es bemerkenswert, dass Gott dieses Buch zu dem Zweck gegeben hat, all diese oberflächlichen Torheiten auszurotten; all diese völlig unfreundlichen, ungnädigen Gedanken der Menschen, um etwas ganz anderes deutlich zu machen, nämlich, dass, was auch immer die Macht Satans sein mag, Gott derjenige ist, der am Ruder ist, und Gott ist derjenige, der alles schließlich zum Segen des versuchten Menschen und zur Ehre Gottes wendet. Es ist also nur der Anfang eines Kreises, der sich auf seine eigene Art und Weise dreht, in sehr frühen Tagen. Denn, wie ich schon bemerkt habe, wurde damals vielleicht nur ein Buch, das Buch Genesis, geschrieben – sicherlich nicht mehr, meiner Meinung nach; und dennoch haben wir in Hiob eines der großartigsten Bücher, das jemals geschrieben wurde. Ich meine sogar in der Bibel. Ich zähle es nicht zu den anderen Büchern; was sollen die schon zählen? – sondern sogar die Bibel. Es gibt nichts Erstaunlicheres für diejenigen, die sich mit diesem Buch befassen wollen; und deshalb hoffe ich, dass es einige geben wird, die es noch besser kennenlernen werden, als sie es bisher getan haben.
Es hat keinen Sinn, dass ich spreche, wenn das nicht das Ergebnis sein soll. Das ist das Ziel, das ich habe; und, zusammen mit dem, Segen für unsere Seelen. Hier ist es eminent Gott auf der einen Seite, der Mensch und Satan auf der anderen. Denken Sie nicht an ein altes Traktat, das früher bei uns im Umlauf war, geschrieben von einem sehr lieben Christen, aber unter einem sehr großen Irrtum, der behauptete, Hiob sei erst am Ende seines Lebens bekehrt worden. Unfug! Hiob war schon bekehrt, als Gott das erste Mal sprach. Glauben Sie, dass Gott von einem unbekehrten Menschen in den Worten sprechen würde, die ich jetzt vorlesen werde? „Hast du meinen Knecht Hiob bedacht, dass es keinen wie ihn gibt auf der Erde?“ (Ver. 8). Sie können verstehen, dass das den Juden nicht gefallen hat. Keiner wie Hiob, ein Nichtjude! Nach der Geschichte, nach dem Buch, nach der Wahrheit; keiner wie er! Und doch war es so.
Es ist nicht, liebe Freunde, die Menge der Wahrheit, die ein Mensch kennt, von der sein Stand vor Gott abhängt, sondern der vorzügliche Umgang mit ihr. Ihr werdet Männer finden, die eine große Menge an Wahrheit kennen, ganz ohne Prinzip; ganz ohne Gottesfurcht. Du wirst Männer finden, die sehr viel wissen, und alles, wofür sie es benutzen, ist nur, um sich selbst zu erhöhen. Manchmal für Geld, manchmal für einen Namen. Aber all das ist Gott höchst verhasst. Hier finden wir einen Mann, der nicht viel wusste und nicht viel wissen konnte in diesen Tagen, aber dennoch machte er den besten Gebrauch davon. Er lebte im Glauben daran, im Glauben an Gott selbst; und das Ergebnis war, dass es keinen wie ihn auf der Erde gab – einen vollkommenen Mann und einen aufrechten Mann, „einen, der Gott fürchtete und das Böse mied.“
Hier haben Sie die Bestätigung Gottes für das, was der inspirierte Schreiber über ihn sagte. Die Vorstellung, dass er kein bekehrter Mensch war! Das zeigt nur, wie Menschen von einer Vorstellung beherrscht werden, die sie in ihrem Kopf haben. Sie haben die Vorstellung, dass Bekehrung Rechtfertigung bedeutet. Das ist aber überhaupt nicht das, was Bekehrung bedeutet. Bekehrung bedeutet richtig und wahrhaftig die erste Hinwendung zu Gott; zu der Zeit, wo wir noch sehr viel zurückliegen, wo wir vielleicht keinen richtigen Glauben an die Erlösung haben, wo wir vielleicht nicht wissen, dass unsere Sünden ausgelöscht sind. Aber in Wirklichkeit haben wir ein neues Licht; wir hassen unsere Sünden; wir erkennen unsere Sünden an und wenden uns an Gott. Das ist der Anfang; es ist nicht das Ende. Es gibt natürlich noch eine andere Verwendung des Wortes, nämlich wenn wir wieder umkehren, nachdem wir Ihn verlassen haben; aber das trifft nicht auf Hiob zu, denn Hiob hatte Gott bis zu diesem Zeitpunkt nicht verlassen; und er wandte sich auch zu diesem Zeitpunkt nicht von Gott ab. Er war in der größten Not, und das ist kein Wunder, denn Christus war noch nicht gekommen; das Werk der Erlösung war noch nicht vollbracht. Wie konnte er den Frieden und die Freiheit haben, zu denen wir durch den Glauben nicht nur an Christus, sondern an das Werk Christi berechtigt sind?
Und das ist eines der großen Ziele dieses Buches: zu zeigen, dass ein Mensch, egal wie gut er zu sein scheint, zusammenbricht, wenn er in seinem eigenen Herzen auf die Probe gestellt wird, was er ist. Es wird mein Los sein, die Einzelheiten hiervon an einem anderen Tag zu zeigen; aber jetzt haben wir hier nur diese große Wahrheit vor uns; und sie ist ein ziemlicher Schlüssel zu Schwierigkeiten aller Art. Es ist Gott, der wirklich die Initiative ergreift, nicht Satan. Gott ist derjenige, der sich darin bewegt; und wenn es dazu führte, dass Hiob so schrecklich versucht wurde, was für ein Trost ist es dann, dies gewusst zu haben! Hiob wusste es nicht; das wissen wir; das zeigt das Wort hier; aber Hiob hatte keine Ahnung, dass, bevor all diese Prüfung auf der Erde über ihn kam, eine Szene im Himmel über ihn war!
Glaubst du, dass Gott nur an Hiob denkt? Meint ihr, dass Gott jetzt nicht an jeden einzelnen von euch denkt, und das in der Gegenwart des bösen Engels? Glaubt ihr, dass dies etwas ganz Außergewöhnliches war? Der Bericht darüber war es, die Erlaubnis dazu war es, die besonderen Umstände waren eigenartig; aber das Prinzip ist für jeden Gläubigen dasselbe. Gott hat in seiner souveränen Liebe und Gnade eine Freude an seinen Kindern, weit mehr als wir an irgendeinem der unseren. Und Sie wissen, was das für ein Elternteil bedeutet. Nun, Gott hat mehr Freude an Ihnen – nicht nur an Hiob – an Ihnen. Ich gebe zu, wir haben es nicht verdient; das ist eine ganz andere Sache. Die Liebe rechnet überhaupt nicht mit Verdiensten. Die Liebe geht aus, weil Gott Liebe ist, und zu seiner eigenen Ehre in Christus, dem Herrn. Nun ist Er fähig, es gerecht zu tun; fähig, es effektiv zu tun. Aber hier gab es ungeheures Leid, bevor Christus hereinkam, und bevor das volle Licht Gottes kam. Gott ließ all das zu; dennoch war Er es, der es begann; und wenn Gott beginnt, wie wird Er enden? Würdig seiner selbst. Es ist nicht bloßes Ausbessern; es ist nicht bloßes Reparieren, sondern ein radikales Werk der Selbstbeurteilung in der Seele.
Gott ist in seiner wunderbaren Art keiner, der auf den Teufel wartet. Er beginnt. Gott hatte einen Menschen, der in der Macht des Teufels war, zu seinem Kind gemacht; und als dieser subtile, aktive, bösartige Feind kam, in seinem rastlosen Umherstreifen auf der Erde hin und her, um Unheil anzurichten, sagte Gott: „Sieh dir meinen Knecht Hiob an.“ Der Feind empfand das sozusagen als Herausforderung an ihn. Gott legte zunächst eine gewisse Einschränkung fest, und das tut Er immer. Er erlaubt es nur bis zu einem gewissen Ausmaß; und in diesem Fall sollte es in einem sehr bemerkenswerten Ausmaß sein, damit es für immer eine Lektion sein würde, nachdem dieses Buch geschrieben wurde; damit es ein Licht auf den ganzen großen Kampf von Gut und Böse werfen würde, für jedes Kind Gottes von diesem Tag an bis heute.
„Und Satan antwortete Jehova und sprach: Fürchtet Hiob Gott umsonst?“ Es ist nur ein Stück Selbstsucht; es ist nur für seine eigenen Zwecke. Wie hat er das beurteilt? Von sich selbst. Es ist gefährlich, etwas von sich aus zu beurteilen. Es ist eine gesegnete Sache, nach Gottes Wort zu urteilen. „Hast du nicht eine Hecke gemacht um ihn und um sein Haus und um alles, was er hat auf allen Seiten? Du hast das Werk seiner Hände gesegnet, und sein Vermögen ist vermehrt im Lande. Aber wenn du nun deine Hand ausstreckst und alles anrührst, was er hat, so wird er dir ins Angesicht fluchen. Und Jehova sprach zum Satan: Siehe, alles, was er hat, ist in deiner Gewalt.“ Gott erlaubte ihm, es zu versuchen. „Nur über ihn selbst strecke deine Hand nicht aus.“
Das war die erste Prüfung. Hier haben wir Licht auf eine sehr wichtige Sache. Satan zeigte sich vor Gott, aber er verbirgt sich vor den Menschen, um sie umso mehr zu täuschen. Wir lesen, dass ein Bote kam, als alles wohlhabend war. Kein Mann in diesem Teil des Ostens war so wohlhabend wie Hiob; er war der Mann, der in den Staub hinuntergebracht werden musste. Das Gleiche gilt für seine Söhne und Töchter. Da waren sie. Wir haben hier ein wunderschönes Bild von sozialem Glück und familiärem Vergnügen, was eine Sache ist, an der Gott Gefallen findet, aber es wurde alles zunichte gemacht, und es wurde auch alles zunichte gemacht, was seine Substanz betraf. Alles – die Kinder, das Liebste von allem, was Hiob hatte – und auch sein ganzer Besitz. „Die Ochsen pflügten, und die Esel weideten neben ihnen, und die Sabäer fielen über sie her“ – sie waren ein Volk in jenem Teil des Landes, das immer von Süden nach Norden hinaufzuziehen pflegte – „und nahmen sie weg; ja, sie haben die Knechte mit der Schärfe des Schwertes erschlagen; und ich bin allein entkommen, um dir zu berichten.“ Während dieser Mann sprach, kam die Nachricht – und es waren weder die Sabäer noch die Chaldäer – „Das Feuer Gottes ist vom Himmel gefallen und hat die Schafe verbrannt.“ Die Schafherden waren natürlich riesig im Vergleich zu den Rindern, und sie wurden alle verbrannt, und auch die Knechte. Und während er redete, kam einer und erzählte ihm von den Chaldäern. Sie waren Feinde, Plünderer zu jener Zeit aus dem Osten, wie die Sabäer aus dem Süden; und sie fielen über die Kamele her, einen sehr wertvollen Teil von Hiobs Besitz, und trugen sie fort. Er war nur entkommen, um die traurige Geschichte zu erzählen. Und dann kam der letzte Schlag von allen – ein Wirbelwind, der das Haus auf allen vier Seiten angriff. Kein gewöhnlicher Wind würde das tun. Und er fiel über alle, die dort versammelt waren, und zerstörte sie genau an diesem Tag – dem Festtag, den sie zusammen gefeiert hatten.
Und wie wirkte es auf Hiob? Nur sehr wenige bekehrte Menschen würden heute so handeln wie Hiob damals. „Da stand Hiob auf und zerriss seinen Mantel und schor sein Haupt und fiel nieder zur Erde und betete an.“ Nun war er ein sehr liebevoller Mensch, und er war ein Mann voller Güte, sogar gegenüber Fremden. Was war es für ihn, alles zu verlieren, nicht nur seinen Besitz, sondern jede Seele der Familie, außerhalb seines eigenen Hauses? Und er sagte: „Nackt bin ich aus dem Schoß meiner Mutter gekommen, und nackt werde ich dorthin zurückkehren: Jehova hat gegeben, und Jehova hat genommen, gepriesen sei der Name Jehovas.“ Man kann sich keinen glücklicheren und entschiedeneren Ausdruck vollkommener Frömmigkeit aus einer tief geprüften Seele vorstellen. „In alledem sündigte Hiob nicht und klagte Gott nicht töricht an“, das heißt in einer Weise, die allem Anstand zuwiderlief.