Behandelter Abschnitt Neh 2
Wir erfahren aus Kapitel 2, dass der König Nehemias Gesichtsausdruck traurig findet, und das bemerkt er sofort. Das war keine Sache, die diesen Königen gefiel. Menschlich gesprochen würde ein Mann, der insbesondere in einer solchen Stellung war, wohl nur wenig Respekt vor dem Monarchen haben, denn natürlich hegten diese großen Könige die Vorstellung, dass alles, was traurig war, ihrer Anwesenheit nicht würdig war. Selbst wenn ein Mensch jemals so traurig wäre, so sollte doch in ihrer Gegenwart genügend Licht und Herrlichkeit vorhanden sein, um alle solch traurigen Gedanken zu verbannen. Doch die Wahrheit ist, dass, wenn es nur um äußere Verluste gegangen wäre – um den Verlust von materiellen Dingen oder irgendeiner natürlichen Sache hier auf der Erde – Nehemias Tränen und Trübsal in der Gegenwart des Herrn verschwunden wären, aber die Gegenwart des Herrn vertiefte diese. Je mehr er vor Gott trat und den Zustand der Juden in Jerusalem überdachte, desto betrübter war er. Es war nicht so, dass sein Herz nicht aufgewühlt war, aber dafür flossen die Tränen natürlich umso schneller. Das tiefe Gefühl würde er genauso empfinden, weil er spürte, was für ein Gott ihr Gott war, und was sie für Gott gewesen waren – was sie jetzt für Gott waren! Nehemia wurde also in keiner Weise durch sein Gebet von der Traurigkeit befreit. Und das ist es, was ich zeigen möchte. Es gab Zuversicht, zu Gott zu gehen, aber gleichzeitig gab es immer noch das tiefe Empfinden der Verwüstung.
Der König aber stellt die Frage, und wir finden, dass Nehemia uns offen sagt, wie sehr er sich fürchtete, denn es hätte ihn in der tatsächlich das Leben kosten können. Der König hätte Verrat vermuten können oder eine dunkle Verschwörung – und dass Nehemias Gewissen am Werk war. Alles Mögliche hätte ihm in den Sinn kommen können, um diese außergewöhnliche gedrückte Stimmung zu erklären, die das Gesicht seines Dieners erkennen ließ. Aber Nehemia sagt ihm die einfache Wahrheit. „Warum sollte mein Angesicht nicht traurig sein, da die Stadt, die Begräbnisstätte meiner Väter, wüst liegt und ihre Tore vom Feuer verzehrt sind?“ (V. 3).
Vielleicht ist es erwähnenswert, aber ich bemerke es nur, um zu zeigen, was für ein Unterschied zwischen dem Wort Gottes und dem Wort der Menschen besteht. Im Buch der Makkabäer wird von Nehemia gesagt, er sei ein Priester, und auch, eigenartigerweise, aus dem Geschlecht Davids. Nun, was auch immer der Fall sein mag, was das Geschlecht Davids angeht, so konnte er genau aus diesem Grund nicht ein Priester sein. Ich erwähne es, damit wir sehen, wie die Menschen, wenn sie einmal versuchen, über die Dinge Gottes zu schreiben, nur ihre Unwissenheit offenbaren. Dennoch ist dies ein Buch, das behauptet, inspiriert zu sein – zumindest wird es von einem großen Teil der Christenheit als solches anerkannt.
Sehr wahrscheinlich gehörte Nehemia dem Stamm Juda an. Wenn Jerusalem der Ort war, an dem seine Väter begraben wurden, dann wäre es wohl so. Dort wurden sie ganz im Allgemeinen begraben; aber er war kein Priester. Das ist ein Irrtum. Er war ein ziviler Statthalter; und das führt mich zu einem sehr wichtigen Punkt, was dieses Buch betrifft. Der Tempel ist nicht der Punkt, sondern das gewöhnliche Leben des Volkes Gottes. Und, lasst mich sagen, liebe Brüder, dass dies für euch und für mich in unserer Zeit von großer Bedeutung ist.
Christentum einmal pro Woche
Das Christentum ist nicht nur eine Sache der Anbetung Gottes: Das Christentum soll jeden Tag bestimmen. Ich mag eure Sonntagschristen nicht, ich mag keine Männer oder Frauen, die einfach nur ihren Platz behaupten, indem sie zum Tisch des Herrn kommen. Das ist beschämend. Wir sind dazu berufen, seine Ansprüche für jeden Tag zu erkennen, und das umso mehr, als es Schwierigkeiten geben kann.
In einem geschäftigen Ort, wie wir ihn in unserer unmittelbaren Nachbarschaft kennen, haben viele von uns ihre Pflichten, wenn auch nicht alle die gleichen. Einige von uns haben Arbeit. Einige von uns wissen vielleicht, was es heißt, früh und spät zu arbeiten. Einige von uns wissen vielleicht, was es heißt, sowohl in der Nacht als auch am Tag zu arbeiten. Und das gilt nicht nur für Männer, sondern auch für Frauen, denn es gibt solche, die arbeiten, und zwar hart und fleißig; und ich weiß nicht, wozu wir hier sind, außer um fleißig zu sein in dem, was auch immer vor uns liegen mag.
Doch ich sage trotzdem, dass es eine traurige Sache ist, für die Welt fleißig zu sein und nicht für den Herrn, und dass wir verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass unser gewöhnliches Leben jeden Tag ein Zeugnis von Christus ist. Ich sage nicht, dass wir alle dazu berufen sind, dieselbe Arbeit zu tun, aber ich sage, dass wir alle zu demselben Christentum berufen sind, und dass wir alle dazu berufen sind, dass Christus in dem, was wir jeden Tag tun, sichtbar wird, und nicht nur am Tag des Herrn oder am Morgen des Tages des Herrn. Nein, geliebte Brüder, das wird dem Herrn nicht genügen, und das Versäumnis, auf diese Weise für den Herrn Jesus auf unseren täglichen Wegen und in unseren gewöhnlichen Angelegenheiten, unserem gewöhnlichen Leben, unserem gesellschaftlichen Leben, unserem Arbeitsleben, welcher Art es auch sein mag, Zeugnis abzulegen, ist eine Verleugnung des großen Ziels, zu dem wir durch die Gnade Gottes berufen sind.
Kurz gesagt, während Esra sich auf das bezieht, was offensichtlich der geistliche Teil ist – das, was die Anbetung des Herrn und den Altar betrifft, und während der Tempel – das Haus Gottes – dort der große Punkt ist, haben wir hier in Nehemia die Mauer von Jerusalem; nicht den Tempel, sondern Jerusalem. Hier finden wir nicht das Haus, das gebaut wird, sondern die Mauer wird gebaut. Es ist also die Verwüstung dessen, was das Volk tagtäglich betraf. Es ist das, was ihr gewöhnliches Leben betraf, und zwar aus dem einfachen Grund, dass das Volk Gottes immer zu dem berufen ist, was, wenn ich so sagen darf, außergewöhnlich ist – auf jeden Fall zu dem, was göttlich ist. Es mag das Gewöhnlichste auf der Welt sein, aber wir sollten nichts Gewöhnliches tun, außer auf eine gottgemäße Weise.
Was auch immer wir tun – ob wir essen oder trinken –, wir sollten alles im Namen des Herrn Jesus tun, um alles zur Ehre Gottes zu tun. Das ist unsere Berufung. Das war es, was die Juden vergessen hatten. Sie dachten nicht daran. Die Folge war, dass sie herabgesunken sind; sie sanken unter die Heiden. Denn bisher hatten die Heiden etwas, wofür sie lebten und was sie aufweisen konnten. Was hatten diese armen Juden? Sie hatten ihr Herz und ihren Mut verloren; und – was das Wichtigste von allem war – sie hatten den praktischen Glauben an den Herrn verloren.
Nun, aber ich würde gern wissen, liebe Freunde, ob es nicht dieselbe Gefahr unter euch gibt oder ähnlich für mich, denn angenommen, wir kommen frisch und glücklich aufgrund des Namens des Herrn Jesus zusammen, so finden wir uns doch sofort in keineswegs glatten Gewässern.
Wir finden, dass es Stürme gibt; wir finden, dass es Felsen und Untiefen gibt, und wir finden auch, dass unsere Boote nicht sehr stark sind, und dass wir auch nicht sehr geschickt darin sind, sie zu steuern, das heißt, wir kommen in Schwierigkeiten. Ist es nicht so? Und nachdem wir ein wenig raues Wetter erlebt haben, sind wir geneigt, niedergeschlagen und entmutigt zu werden. Wir bemängeln dies oder jenes. Ist es nicht so? Nun, ich leugne nicht im Geringsten, dass es Fehler gibt, aber lasst uns nicht vergessen, dass wir Fehler haben. Und weiter, dass es nicht eine Frage ist, ob ich oder du Fehler haben – der eine oder der andere oder beide (was der Wahrheit etwas näherkommt), sondern der große Punkt ist dieser – ob du und ich auf den Herrn schauen oder nicht. Das ist die Sache, die das Herz glücklich macht – das Vertrauen, auf den Herrn zu schauen, und auch, dass ich in diesem Schauen auf den Herrn lebe, nicht nur für mich selbst, sondern auch für dich; denn das ist der wahre Weg, einen anderen zu gewinnen, das heißt, über den anderen hinweg auf den Herrn zu schauen. Angenommen, es gibt eine Person, gegen die du etwas hast, oder die etwas gegen dich hat; wie sollt ihr euch begegnen? Nicht durch Verstand, nicht durch Macht, nicht durch Einfluss. Auch wenn alle Geschwister versuchen würden, es in Ordnung zu bringen –, doch der Herr kann es, und in dem Moment, in dem unser Herz in dieser Sache völlig gefestigt ist, gibt es Ruhe und Zuversicht – es gibt Frieden und Sicherheit für immer. Der Herr gebe, dass es bei uns so sei!
Aber was ich noch einmal betone, ist, dass es hier um das tägliche soziale, zivile Leben Israels geht, und nicht nur um das, was sich in der Religion zeigte, sondern es geht darum, Gott in die alltäglichen Dinge des Lebens hineinzubringen, in das alltägliche Leben. Das war der große Punkt hier, und genau da hat Israel versagt. Zweifellos versagten sie, wie wir im Buch Esra gesehen haben, weil die beiden Dinge zusammengehören, und du wirst nie finden, dass jemand, der viel in der Anbetung genießt, viel im Wandel versagt; aber du wirst im Gegenteil finden, dass dort, wo es eine Schwäche des Glaubens in der Anbetung des Herrn gibt, auch eine Schwäche im Wandel sein wird. Was Gott will, ist, dass es in beidem Glauben gibt, und wo es Glauben gibt, wird auch Treue sein. Das ist das ganze Geheimnis. Es ist schließlich ein Mangel an Übereinstimmung mit Gott in jeder Sache, ob es sich nun um die Anbetung der Gläubigen oder um den täglichen Wandel handelt. Es gibt nur eine Quelle für beides, und die ist für beides gleich.
Nehemias stilles Gebet
Diese Abhängigkeit von Gott erfüllte das Herz Nehemias. Er empfand das so. Er breitet es aus, sogar als der König sprach. Und hier möchte ich zeigen, wie sehr es eine Frage des Glaubens ist. „Und der König sprach zu mir: Um was bittest du denn?“ Was tut er? Richtet er eine Bitte an den König? Nein, er richtet seine Bitte an Gott: „Da betete ich zu dem Gott des Himmels“ (V. 4). Es ist nicht so, dass er es dem König nicht sagt; aber sogar in diesem Augenblick, in der Gegenwart des Königs selbst, war sein Herz vor dem Herrn. Kein Wunder, dass seine Bitte erfüllt wurde. Kein Wunder, dass Gott zuhörte und erhörte, und Nehemia konnte es als von Ihm kommend annehmen. Und warum? Weil er zuerst zum Herrn gebetet hatte. Es war nicht so, dass er nicht eine gute Beziehung zum König hatte, aber die frischen Erstlingsfrüchte standen sozusagen dem Herrn zu.
„Und ich sprach zum König: Wenn es der König für gut hält und wenn dein Knecht wohlgefällig vor dir ist, so bitte ich, dass du mich nach Juda sendest zur Stadt der Begräbnisse meiner Väter, damit ich sie wieder aufbaue. Da sprach der König zu mir – und die Königin saß neben ihm –: Wie lange wird deine Reise dauern, und wann wirst du zurückkehren? Und es gefiel dem König, mich zu senden; und ich gab ihm eine Frist an. Und ich sprach zum König: Wenn es der König für gut hält, so gebe man mir Briefe an die Statthalter jenseits des Stromes, dass sie mich durchziehen lassen, bis ich nach Juda komme; und einen Brief an Asaph, den Hüter des königlichen Forstes, dass er mir Holz gebe, um die Tore der Burg, die zum Haus gehört, mit Balken zu versehen und für die Mauer der Stadt, und für das Haus, in das ich ziehen werde. Und der König gab es mir, weil die gute Hand meines Gottes über mir war“ (V. 5–8). Die Briefe wurden bewilligt. Das Holz und andere Materialien, die ihm fehlten, wurden vom König gewährt, und er zieht bewacht nach Jerusalem hinauf, und dasselbe, was sein Herz inmitten seines Kummers mit Freude und Dankbarkeit erfüllte, betrübte die Feinde des Volkes Gottes.
Aber es gibt noch eine andere Sache, nämlich dass wir uns nicht zu sehr damit beschäftigen dürfen, was andere Leute tun oder sagen. Achte auf Nehemia! Nun war sein Herz bei dem Volk Gottes, aber trotzdem wusste er, was es heißt, in Abhängigkeit von Gott zu handeln; und das zeigt sich gleich zu Beginn überdeutlich. Du wirst dem Volk Gottes am meisten helfen, wenn du ganz einfach auf Gott schaust. Es heißt nicht, auf die Menschen zu schauen und zu versuchen, sie aufzurichten.
Nein, sondern ich muss selbst auf den Herrn schauen. Er sagt: „Und ich machte mich in der Nacht auf, ich und wenige Männer mit mir; ich hatte aber keinem Menschen mitgeteilt, was mein Gott mir ins Herz gegeben hatte, für Jerusalem zu tun; und kein Tier war bei mir, außer dem Tier, auf dem ich ritt“ (V. 12). Es war keine Sache der Prunks oder der Darstellung oder irgendetwas, was unter Menschen üblich wäre. Es ging nicht darum, eine Anzahl von Technikern und anderen geschickten Handwerkern zu holen, um zu sehen, was zu tun war; sondern er selbst, sein Herz, war dabei. Er wartet nicht auf all das.
Er geht sofort mit aller Einfachheit an die Sache heran, und er geht nachts mit dem ausdrücklichen Zweck heran, dass er sich sofort ein Bild machen kann, ohne unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Es war nicht so, dass es etwas gab, was er anderen schuldig war. Mangel an Offenheit wäre eine traurige Sache unter dem Volk Gottes, aber es war keine Frage der Offenheit. Hier war es Weisheit, und der Mann, der nicht weiß, wann er schweigen soll, wird kaum wissen, wann er sprechen soll. Es ist eine wichtige Sache zu lernen, dass es eine Zeit für beides gibt.
Er ging also bei Nacht hinaus, und er sah alles, und sah es mit großer Traurigkeit; er nahm alles in Augenschein. „Die Vorsteher wussten aber nicht, wohin ich gegangen war und was ich tat; denn ich hatte den Juden und den Priestern und den Edlen und den Vorstehern und den Übrigen, die das Werk taten, bis dahin nichts mitgeteilt“ (V. 16). Es war zwischen ihm selbst und Gott, mit den wenigen Männern, die damals bei ihm waren. „Und ich sprach zu ihnen: Ihr seht das Unglück, in dem wir sind, dass Jerusalem wüst liegt“ (V. 17). Er beugte sich tiefer hinab als je zuvor. Er erkannte, wie wir sehen werden, den Zustand der Dinge mehr als je zuvor. „Und ich teilte ihnen mit, dass die Hand meines Gottes gütig über mir gewesen war“ (V. 18a).
Du siehst, es waren zwei Dinge – das Empfinden des Verderbens und das Vertrauen auf Gott, und beides zusammen erfüllte sein Herz. Und sieh die entsprechende Wirkung. Sie sagten: „Da sprachen sie: Wir wollen uns aufmachen und bauen! Und sie stärkten ihre Hände zum Guten“ (V. 18b). Du siehst also, wenn ein Mann des Glaubens vorangeht, geht er nicht in seiner eigenen Kraft oder seinem eigenen Verstand voran, sondern in einer demütigen Gesinnung und in Abhängigkeit von Gott. Die Hände der Schwachen werden für das Werk gestärkt. Es ist Gott, der hilft. Es ist Gott, der die Herrlichkeit hat, aber Gott bedient sich des Glaubens eines Menschen. So hat Er es auch hier getan.
Dennoch, in dem Moment, in dem Gott zu handeln beginnt, versucht der Teufel, ihn zu hindern. „Als aber Sanballat, der Horoniter, und Tobija, der ammonitische Knecht, und Geschem, der Araber, es hörten, spotteten sie über uns und verachteten uns“ (V. 19). Dies war der erste Versuch des Feindes. Es war, Verachtung über ein so einfaches und unbedeutendes Werk zu gießen; aber darüber hinaus war es die Offenbarung ihrer Bosheit. Dennoch benutzte Gott es zu ihrem Besten. Nehemia lernt mehr denn je angesichts der den Widersacher, die da waren. Aber das ist kein Grund, beunruhigt zu sein. Wie der Apostel Paulus sagt: „denn eine große und wirkungsvolle Tür ist mir aufgetan, und die Widersacher sind zahlreich“ (1Kor 16,9). So war es auch jetzt bei Nehemia. Es wurde eine wirksame Tür geöffnet. Die Widersacher erschreckten ihn in keiner Weise. „Und ich gab ihnen Antwort und sprach zu ihnen: Der Gott des Himmels, er wird es uns gelingen lassen; und wir, seine Knechte, wollen uns aufmachen und bauen. Ihr aber habt weder Teil noch Recht noch Gedächtnis in Jerusalem“ (V. 20). Aber das ist noch nicht alles.