Behandelter Abschnitt Nehemia 2,1-2
Einleitung
Dieses Kapitel ist in zwei Abschnitte unterteilt. Erstens finden wir die Aufzeichnung der Art und Weise, in der Gott das Gebet seines Knechtes beantwortete und das Herz des Königs dazu bewegte, für alles zu sorgen, was für Nehemias Reise und seinen Auftrag nötig war (Verse 1–8). Dann folgt eine kurze Beschreibung seiner Reise nach Jerusalem und der Wirkung, die diese in bestimmten Gegenden auslöste (Verse 9–11). Als nächstes beschreibt Nehemia seine nächtliche Begutachtung des Zustandes der Stadtmauern sowie seine Beratung mit den Vorstehern über das Vorhaben, das er ins Auge gefasst hatte (Verse 12–18). Schließlich lesen wir von dem Widerstand der Feinde des Volkes Gottes und Nehemias Antwort darauf (Verse 19–20).
„Und es geschah im Monat Nisan, im zwanzigsten Jahr des Königs Artasasta, als Wein vor ihm war, da nahm ich den Wein und gab ihn dem König; ich war aber nie traurig vor ihm gewesen. Und der König sprach zu mir: Warum ist dein Angesicht traurig? Du bist doch nicht krank! Es ist nichts anderes als Traurigkeit des Herzens. Da fürchtete ich mich sehr“ (2,1–2).
Es ist überaus interessant, die Art und Weise zu betrachten, in der Gott die Erfüllung des Wunsches Nehemias herbeiführt. Vier Monate waren vergangen, seitdem er das Gebet in Kapitel 1 an Gott gerichtet hatte. Mit Sorgfalt gibt er uns die genauen Zeitpunkte an. Im Monat Kislew (entspricht unserem November) hatte er gebetet, und im Monat Nisan (entspricht unserem März) erhielt er die Antwort. Während dieser Zeit muss er als Mann des Glaubens in täglicher Erwartung auf Gott geharrt haben. Er konnte nicht vorhersehen, wie die Antwort kommen würde, doch er wusste, dass Gott eingreifen konnte, wann und wie Er wollte. Und so, um einen hebräischen Ausdruck zu verwenden, „wartete er im Dienst“.
Auf diese Weise prüft Gott den Glauben seines Volkes, während Er ihn gleichzeitig stärkt. Er wartet, während sein Volk wartet. Doch wenn Er wartet, tut Er dies nur, um sein Volk zu vollkommenerer Abhängigkeit von Ihm zu führen und so die Herzen der Menschen mehr auf die Segnung vorzubereiten, die Er geben möchte. Und wenn Er eingreift, tut Er dies (wie auch hier) auf eine so stille und unbemerkte Weise – unbemerkt von allen, aber nicht von den Augen des Glaubens –, dass es einen geübten Glauben braucht, um seine Gegenwart zu erkennen. Dennoch, wie natürlich ist – oberflächlich betrachtet – die Art, auf die Artasasta dazu bewegt wird, Nehemia die Erlaubnis zum Besuch Jerusalems zu geben. Doch wir sollten daran denken, dass Nehemia von Gott „Barmherzigkeit vor diesem Mann“ erbeten hatte. Lasst uns die Begebenheit genauer betrachten.
Zu Beginn des Kapitels finden wir Nehemia beschäftigt mit den Pflichten seines Amtes – als Mundschenk des Königs. Er „nahm . . . den Wein und gab ihn dem König“, doch sein Herz war mit anderen Dingen beschäftigt, denn es war mit unsäglichem Kummer über den Zustand seines Volkes belastet. Aber Wein und Traurigkeit passen nicht zusammen, denn Wein macht nach der Schrift das Herz des Menschen fröhlich. Für den König war es daher nicht zu ertragen, dass sein Mundschenk zu einem solchen Anlass ein besorgtes Gesicht aufsetzte. Es zerstörte sein eigenes Vergnügen.
Und Nehemia bezeugt, dass er „nie traurig vor ihm gewesen“ war. Der König ergrimmte daher und sprach: „Warum ist dein Angesicht traurig? Du bist doch nicht krank! Es ist nichts anderes als Traurigkeit deines Herzens.“ „Da fürchtete ich mich sehr“, sprach Nehemia. Und er hatte allen Grund dazu, denn für eine solche Stimmung hätte Artasasta ihn als orientalischer Herrscher auf der Stelle zum Tod verurteilen können. Doch trotz der Angst erhielt Gott ihm seine Geistesgegenwart und führte ihn dazu, den Grund seines Kummers einfach und ehrlich aus der Fülle seines Herzens zu erzählen.