Behandelter Abschnitt 2Kön 11
Aber im elften Kapitel haben wir eine andere Begebenheit von großer Bedeutung und Interesse. Da ist eine böse Frau – und wenn eine Frau böse ist, gibt es keine Bosheit wie die ihre: „Und als Athalja, die Mutter Ahasjas, sah, dass ihr Sohn tot war, da machte sie sich auf und brachte alle königlichen Nachkommen um. Aber Joscheba, die Tochter des Königs Joram, die Schwester Ahasjas, nahm Joas, den Sohn Ahasjas, und stahl ihn weg aus der Mitte der Königssöhne, die getötet wurden, und brachte ihn und seine Amme in die Bettenkammer; und so verbargen sie ihn vor Athalja, und er wurde nicht getötet“ (V. 1.2).
Wir wissen, was die Liebe eines Elternteils und eines Großelternteils ist, aber hier in Athalja war kein rechtes Empfinden. Ihr eigenes Blut war in ihren Adern verdorben. Und diese elende und selbstsüchtige Frau – diese Erbin der Bosheit Isebels – hat nun, leider, in der Linie Judas die Möglichkeit, wie sie meint, die königliche Linie Judas auszulöschen. Sowohl der Wunsch nach Herrschaft als auch der Hass auf die Absichten Gottes – böse Verbündete! – strebten zusammen, um dieses ruchlose Ziel zu erreichen.
War die Linie Ahabs ausgelöscht worden? Waren Ahasja und seine Brüder gefallen? Die schuldige Absicht erhob sich in ihrem Herzen, dem Königreich der Nachkommen Judas ein Ende zu bereiten, wie das von Israel bereits ausgelöscht worden war. Welches Interesse hatte sie? Wie kümmerte sie sich um sie? Das Wort Gottes hatte ihnen deutlich zugesichert, dass die Linie Judas niemals erlöschen würde – die einzige wirkliche Linie, die von Anfang an ununterbrochen geblieben ist und in alle Ewigkeit bleiben wird. Ich spreche jetzt für die Erde – zumindest bis in die Ewigkeit, denn auch wenn wir nur die Erde unter der Regierung Gottes betrachten, so bleibt diese Linie, und nur diese Linie, bestehen.
Und doch gab es nie eine Linie, die so schlank war; es gab nie eine Linie, die so oft an einem seidenen Faden hing. Man vergleiche das mit Israel. Denk an siebzig Söhne aus einer Familie! Und, ich will nicht sagen, die Verheißung, aber die scheinbare moralische Gewissheit, dass diese Linie für immer fortbestehen muss! Aber nein – sie wurde an einem Tag ausgelöscht! Wer hätte sich das vorher ausdenken können? Und das auch noch in der Stadt des Königs und durch königliche Diener: So ist der Mensch, so ist die Welt. Das Wort des Herrn hatte es vorhergesagt.
Oh, was für eine Torheit unsererseits, je an einem Wort Gottes zu zweifeln! Und wozu hat uns Gott das alles gegeben? Wir sollten wissen, dass, wenn dieses Wort im Blick auf Böses feststeht, wie viel mehr im Guten? Wenn Gott seine Drohungen buchstabengetreu ausführt, können dann seine Verheißungen auch nur einen Augenblick lang versagen? Ich gebe in der Tat zu, dass seine Verheißungen immer wieder zu scheitern scheinen, und zwar gerade deshalb, damit unser Glaube nicht auf Äußerlichkeiten, sondern auf dem Wort Gottes beruht. Es wäre kein Glaube dabei, wenn alles leicht und dahinplätschern würde; aber es ist gerade das Gegenteil. Alles spricht dagegen, aber Gott wacht immer noch. Wenn es nur ein schwacher Spross jenes Hauses wäre, so wäre es genug. Es war ein Spross jenes Hauses, und jenes Haus steht für immer, weil Gott es gesagt hat. Und das werden wir also auch in diesem Kapitel sehen.
Athalja also, Joas eigene Großmutter – die von ihrem Verwandtschaftsgefühl her am ehesten die Vormundschaft über diesen einen einzigen Nachkommen von ihr selbst hätte übernehmen sollen, der ihr eigenes Blut in seinen Adern hatte – eben diese Athalja versucht, den letzten verbliebenen Spross des Hauses David zu vernichten. Nun, es schien unmöglich! Denn glaubt ihr, dass sie bei dem Gedanken, den königlichen Nachkommen zu töten, den kleinen Jungen vergessen hat? Nicht sie, sie wusste gut über ihn Bescheid. Es steht mir nicht zu, zu sagen, wie die Sache vertuscht wurde – wie es war, dass Joscheba es verstand, das Kind vor den Verdächtigungen und der Inquisition zu schützen, die natürlich auf ein gerettetes Kind folgen würden, denn wenn es eine Frau gab, die listig im Bösen war, dann war es Athalja. Ich nehme an, es ist nicht zu viel verlangt, sich vorzustellen, dass es eine kleine Verschwörung auf der Seite dieser guten Joscheba gegeben haben könnte, auch auf der anderen Seite. Jedenfalls möchte ich nichts zu ihrer Verunglimpfung sagen, aber ich sage, dass, was auch immer die Mittel sein mögen, Gott die Absicht ihres Herzens für den Schutz des Kindes einsetzte. Es war damals versteckt, und zwar dort, wo es niemand erwartet hätte – im Tempel. Ein solcher Zustand erfordert keinen gewöhnlichen Schutz für ein königliches Kind, und sicherlich wachte Gott über den Schutz, der ihm gegeben wurde. Und obwohl dieser Tempel für Priester und nicht für einen König in Not gebaut worden war, erhebt sich doch die Gnade des Herrn über alle solchen bloß rituellen Umstände.
„Und im siebten Jahr sandte Jojada hin und ließ die Obersten über Hundert der Karier und der Läufer holen und zu sich in das Haus des Herrn kommen“ (V. 4a). Hier sehen wir wieder, dass bloßer Ritualismus nichts gegen das ausrichten kann, was moralisch ist – nicht gegen das ausrichten kann, was das Wort Gottes in seiner Erfüllung für den betrifft, den Gott über sein Volk Israel gesetzt hatte. „Und er schloss einen Bund mit ihnen und ließ sie schwören im Haus des Herrn, und er zeigte ihnen den Sohn des Königs“ (V. 4b). Der Königssohn war nur ein kleiner Junge, aber er war der rechtmäßige König Israels – eigentlich nur der König von Juda, aber dem eigentlich Anspruch nach wirklich auch von Israel. „Und er gebot ihnen und sprach: Dies ist es, was ihr tun sollt: Ein Drittel von euch, die ihr am Sabbat antretet, soll Wache halten im Haus des Königs, und ein Drittel soll am Tor Sur, und ein Drittel am Tor hinter den Läufern sein; und ihr sollt über das Haus Wache halten zur Abwehr“ (V. 5.6).
Dann ist alles vorbereitet. „Und die Obersten über Hundert taten nach allem, was der Priester Jojada geboten hatte; und sie nahmen jeder seine Männer, die am Sabbat antraten, mit denen, die am Sabbat abtraten, und kamen zum Priester Jojada. Und der Priester gab den Obersten über Hundert die Speere und die Schilde, die dem König David gehört hatten, die im Haus des Herrn waren. Und die Läufer stellten sich auf, jeder mit seinen Waffen in seiner Hand, von der rechten Seite des Hauses bis zur linken Seite des Hauses, gegen den Altar und gegen das Haus hin, rings um den König. Und er führte den Sohn des Königs heraus und setzte ihm die Krone auf und gab ihm das Zeugnis, und sie machten ihn zum König und salbten ihn; und sie klatschten in die Hände und riefen: Es lebe der König!“ (V. 9–12).
Athalja brauchte nicht lange, um den Tumult zu hören. So kommt sie zum Volk und in den Tempel des Herrn. Ein seltsamer Ort für sie, die den Herrn hasste und den Götzendienst in seiner schlimmsten Form förderte! Sie kommt und sieht, und siehe da, der König steht an dem Standort. Der König! Und das war alles, wozu ihre mörderische Politik geführt hatte und wo sie endete. „Und siehe, der König stand auf dem Standort, nach dem Brauch, und die Obersten und die Trompeter beim König; und alles Volk des Landes war fröhlich und stieß in die Trompeten. Da zerriss Athalja ihre Kleider und rief: Verschwörung, Verschwörung!“ (V. 14).
Die alte Stimme – die Stimme ihrer Mutter, vor ihr, und auch die Stimme ihres Sohnes nach ihr, und nun ihre eigene. Aber die Wahrheit war, dass sie es war, die die Verräterin war. Sie war es, die versucht hatte, den König vom Thron zu stoßen; und daher trifft sie die gerechte Belohnung eines Verräters, denn „Jojada gebot den Obersten über Hundert, die über das Heer bestellt waren, und sprach zu ihnen: Führt sie hinaus außerhalb der Reihen, und wer ihr folgt, den tötet mit dem Schwert! Denn der Priester sprach: Sie soll nicht im Haus des Herrn getötet werden“ (V. 15). Es gab niemanden, der ihr folgen konnte. Sie war allein, nicht allein in ihrem Bösen, aber jetzt hatte ihr Böses keinen Sympathisanten. „Und sie legten Hand an sie, und sie ging in das Haus des Königs auf dem Weg des Eingangs für die Pferde; und sie wurde dort getötet. Und Jojada schloss einen Bund zwischen dem Herrn und dem König und dem Volk, dass sie das Volk des Herrn sein sollten, und zwischen dem König und dem Volk. Da ging alles Volk des Landes in das Haus des Baal und riss es nieder“ (V. 16–18). Und so wurde mit der Anbetung Baals in Juda verfahren, wie es zuvor in Israel geschehen war.