Behandelter Abschnitt 2Kön 4
Aber wir finden im nächsten Kapitel noch mehr, und zwar auf eine sehr schöne Weise – nicht in diesen äußeren Ereignissen, die die Welt groß nennt, sondern in dem, was nach meinem Urteil ein noch gesegneteres Unterpfand ist, ein Zeugnis der wirklichen Größe Gottes. Die Größe Gottes zeigt sich vielmehr in seiner Fürsorge für Menschen, für Einzelne und in seiner Fähigkeit, an den geringsten Mangel und an die geringste Notwendigkeit seines Volkes zu denken. „Und eine Frau von den Frauen der Söhne der Propheten schrie zu Elisa und sprach: Dein Knecht, mein Mann, ist gestorben, und du weißt ja, dass dein Knecht den Herrn fürchtete; und der Schuldherr ist gekommen, um sich meine beiden Knaben zu Knechten zu nehmen“ (V. 1). Elisa fragte sie, was sie von ihm wolle, und was sie im Haus habe. „Und sie sprach: Deine Magd hat gar nichts im Haus als nur einen Krug Öl“ (V. 2). Nun ist es so, dass Gott es liebt, uns zu segnen, je nachdem, was wir empfangen können. „Geh hin, erbitte dir“, sagt er, „Gefäße von draußen, von allen deinen Nachbarn, leere Gefäße; nimm nicht wenige; und geh hinein und schließe die Tür hinter dir und hinter deinen Söhnen zu und gieße in alle diese Gefäße; und was voll ist, setze beiseite. Und sie ging von ihm weg und schloss die Tür hinter sich und hinter ihren Söhnen zu; diese reichten ihr die Gefäße, und sie goss ein. Und es geschah, als die Gefäße voll waren, da sprach sie zu ihrem Sohn: Reiche mir noch ein Gefäß. Aber er sprach zu ihr: Es ist kein Gefäß mehr da. Und das Öl stand“ (V. 3–6). Es ist nur so, dass der Segen bleibt. Der Segen kann niemals aufhören, solange es ein Herz gibt, das ihn empfangen möchte. Was für eine bemerkenswerte Veranschaulichung! „Und sie kam und berichtete es dem Mann Gottes; und er sprach: Geh hin, verkaufe das Öl und bezahle deine Schuld“ (V. 7).
Aber das ist noch nicht alles. Es gibt zweifellos die reiche Versorgung mit dem, was auch das bekannte Vorbild ist, was nämlich wesentlich ist: dem Geist Gottes. Aber weiter: „Und es geschah eines Tages, da ging Elisa nach Sunem hinüber; und dort war eine wohlhabende Frau [das heißt, eine angesehene Person], und sie nötigte ihn, bei ihr zu essen. Und es geschah, sooft er durchzog, kehrte er dort ein, um zu essen“ (V. 8) – denn Elisa war nicht wie Elia. Elia war mehr nach der Art Johannes des Täufers – der die Annäherungsversuche von Menschen zurückwies; der zurechtwies, wenn er auf solche stieß, die einen hohen Stand hatten, aber zur Unehre Gottes lebten. Elisa dagegen war ein Zeuge der Gnade, und deshalb wendet er sich nicht von den Wohnungen der Menschen ab und geht in die Wüste, sondern kann, wie wir sehen, zu dieser Sunamitin gehen, um Brot zu essen. „Und sie sprach zu ihrem Mann: Sieh doch, ich merke, dass dieser ein heiliger Mann Gottes ist, der ständig bei uns durchzieht. Lass uns doch ein kleines gemauertes Obergemach machen und ihm Bett und Tisch und Stuhl und Leuchter hineinstellen; und es geschehe, wenn er zu uns kommt, kann er dort einkehren“ (V. 9.10).
An einem Tag, als er dort war, dachte er daran, sich für die Liebe, die ihm erwiesen wurde, erkenntlich zu zeigen. Er rief daher die Sunamitin, und als sie vor ihm stand, sagte er zu ihr: „Siehe, du hast dir unsertwegen all diese Sorge gemacht; was ist für dich zu tun? Ist für dich mit dem König zu reden oder mit dem Heerobersten?“ (V. 13a). Wir können uns eine solche Anfrage von Elia kaum vorstellen; sie war ganz im Sinne Elisas; und ich bin bestrebt, den Gegensatz zwischen diesem doppelten Dienst stark hervorzuheben.
„Und sie sprach: Ich wohne inmitten meines Volkes“ (V. 13b); sie hatte recht, sie war zufrieden; und Gottseligkeit mit Genügsamkeit ist ein großer Gewinn. „Und er sprach: Was ist denn für sie zu tun? Und Gehasi sprach: Doch! Sie hat keinen Sohn, und ihr Mann ist alt. Und er sprach: Rufe sie! Und er rief sie, und sie trat in die Tür. Und er sprach: Zu dieser bestimmten Zeit übers Jahr wirst du einen Sohn umarmen. Und sie sprach: Nicht doch, mein Herr, du Mann Gottes, belüge deine Magd nicht!“ (V. 14–16) – aber so war es nach dem Wort des Propheten.
Doch in dieser Welt sind auch die Barmherzigkeit und die Gaben Gottes nicht ohne gründliche Erprobung, und so kam es, dass der Sohn der Sunamitin – denn je mehr er als Gabe Gottes geliebt und geschätzt wurde, vor allem von seiner Mutter, desto größer war ihr Leid – krank wurde, nach Hause zu seiner Mutter kam und starb. „Da ging sie hinauf und legte ihn auf das Bett des Mannes Gottes und schloss hinter ihm zu und ging hinaus. Und sie rief ihren Mann und sprach: Sende mir doch einen von den Dienern und eine von den Eselinnen, und ich will zu dem Mann Gottes laufen und wiederkommen“ (V. 21.22). Ihr Mann, der kaum wusste, was los war, wunderte sich, aber er gab nach, und sie machte sich auf und kam in großer Eile auf den Berg Karmel. Und der Mann Gottes, der sie von weitem sah, bemerkte es gegenüber seinem Diener Gehasi. Und als sie zu ihm kam, ergriff sie ihn bei den Füßen, so dass der Diener sie wegstoßen wollte. Aber der Prophet wusste sehr wohl, dass es einen würdigen Grund für ein so eigenartiges Verhalten gab. „Lass sie, denn ihre Seele ist betrübt“, sagte er ganz sicher, „und der Herr hat es mir verborgen“ – und das, obwohl er nicht weniger war als der Zeuge der Gnade. „Und sie sprach: Habe ich einen Sohn von meinem Herrn erbeten? Habe ich nicht gesagt: Täusche mich nicht?“ (V. 28).
Er versteht es. Er sagt zu Gehasi: „Gürte deine Lenden, und nimm meinen Stab in deine Hand und geh hin“ (V. 29). Er sollte mit Entschlossenheit gehen, niemanden beachten, niemanden grüßen. Er hatte den Auftrag, den Stab des Propheten auf das Gesicht des Kindes zu legen. Das würde den Glauben der Mutter nicht befriedigen. Der Stab würde nicht genügen. Der Prophet, und nichts anderes als der Prophet, musste gehen. Sie sagte: „So wahr der Herr lebt und deine Seele lebt, wenn ich von dir lasse! Da machte er sich auf und ging ihr nach“ (V. 30).
Hier war also wieder eine Glaubensprüfung, und sie hatte recht. „Gehasi aber war ihnen vorausgegangen und hatte den Stab auf das Gesicht des Knaben gelegt; aber da war keine Stimme und kein Aufmerken“ (V. 31a). Ja, sie hatte Recht. „Und er kehrte zurück, ihm entgegen, und berichtete ihm und sprach: Der Knabe ist nicht erwacht. Und als Elisa in das Haus kam, siehe, da war der Knabe tot, hingelegt auf sein Bett. Und er ging hinein und schloss die Tür hinter ihnen beiden zu und betete zu dem Herrn. Und er stieg auf das Bett und legte sich auf das Kind, und er legte seinen Mund auf dessen Mund, und seine Augen auf dessen Augen, und seine Hände auf dessen Hände und beugte sich über ihn; und das Fleisch des Kindes wurde warm“ (V. 31b–34).
Alle Welt hätte es vergeblich versuchen können. Gott hatte Gefallen daran, den Geist und das Herz des Propheten so zu erproben. Es sollte nicht nur eine kalte Bitte oder gar eine ernste Bitte sein. Es zeigte auf die anschaulichste Weise, dass Gott ein Interesse an dem Propheten hatte und auf den Glauben antwortet. „Und er kam zurück und ging im Haus einmal dahin und einmal dorthin, und er stieg wieder hinauf und beugte sich über ihn. Da nieste der Knabe siebenmal, und der Knabe schlug seine Augen auf. Und er rief Gehasi und sprach: Ruf diese Sunamitin. Und er rief sie, und sie kam zu ihm herein. Und er sprach: Nimm deinen Sohn! Da kam sie und fiel ihm zu Füßen und beugte sich zur Erde nieder. Und sie nahm ihren Sohn und ging hinaus“ (V. 35–37).
Hier war also nicht nur die gnädige Antwort des Guten, sondern die Macht, die dem Bösen überlegen war, in ihrer für den Menschen auf der Erde schrecklichsten Form, dem Tod überlegen. Und auch dies geschah in vollkommener Gnade. Es war nicht so, dass die Sunamitin ihn um den Segen gebeten hätte, denn er war es, der den Segen zu geben suchte. Aber gleichzeitig bewirkte Gott in ihrem Herzen, dass sie einen anderen erwartete, und sie wurde nicht enttäuscht.
Doch es war nicht nur so; denn nun finden wir einen Mangel im Land. Und die Söhne der Propheten waren da. „Setze den großen Topf auf und koche ein Gericht für die Söhne der Propheten. Da ging einer auf das Feld hinaus, um Kräuter zu lesen, und er fand eine wilde Ranke und las davon wilde Koloquinthen, sein Gewand voll, und er kam und zerschnitt sie in den Kochtopf, denn sie kannten sie nicht. Und sie schütteten es aus zum Essen für die Männer. Aber es geschah, als sie von dem Gericht aßen, da schrien sie und sprachen: Der Tod ist im Topf, Mann Gottes! Und sie konnten es nicht essen. Da sprach er: So holt Mehl her! Und er warf es in den Topf und sprach: Schütte es aus für die Leute, damit sie essen. Und es war nichts Schlimmes mehr im Topf“ (V. 38–41). Es ist derselbe Charakter der gnädigen Macht.
Und noch etwas – es war selbstlos gnädig; denn als dem Propheten zwanzig Gerstenbrote und Jungkorn gereicht wurden, sagt er wieder: „Gib es den Leuten, damit sie essen!“ (V. 42). Wir erinnern uns an den bemerkenswerten Unterschied im Fall Elias, der den Glauben der armen Witwe prüfte, indem er zuerst einen Kuchen für sich selbst erbat. Er kannte zwar nicht die Kraft, die ihr Bedürfnis befriedigen würde, aber dennoch prüfte er sie nach so strenger Art. Aber in diesem Fall, der sehr charakteristisch für Elisas Dienst ist, gibt er das, was ihm geschickt wird, anderen. Und sein Diener fragte ihn erstaunt: „Wie soll ich dies hundert Männern vorsetzen? Und er sprach: Gib es den Leuten, damit sie essen! Denn so spricht der Herr: Man wird essen und übriglassen. Und er setzte es ihnen vor; und sie aßen und ließen übrig, nach dem Wort des Herrn“ (V. 43.44). Bei Gott gibt es kein Zögern. Aber nicht nur inmitten der Bedrängten, der Trauernden, der Bedürftigen, der Sterbenden oder der Toten des Volkes Gottes. Die Gnade Gottes, wenn sie einmal zu fließen beginnt, sprengt alle Grenzen.