Behandelter Abschnitt 2Kön 5
Und das ist es, was wir in dem nun folgenden Kapitel lernen, und dass Gott uns die Vollmacht gegeben hat, es so auszulegen, lässt sich leicht zeigen. Unser Herr selbst zeigt, dass der eigentliche Inhalt der Lehre dieses Kapitels die Gnade ist, die souverän ausging, um die Heiden zu aufzusuchen. Es gab viele Aussätzige in Israel, aber dort wirkte die Gnade nicht. Wenn die Gnade wirkt, dann beweist sie ihren eigenen Charakter, sie beweist ihre eigene Souveränität, sie beweist ihre eigene Weisheit. Gott suchte den Bedürftigsten dort, wo man ihn am wenigsten erwarten konnte – wo es offensichtlich keinen Anspruch darauf gab. Naaman, der Syrer, Oberbefehlshaber des mächtigsten heidnischen Heeres, das sich Israel entgegenstellte, war es, dem Gott sich mit seiner Barmherzigkeit zuwenden wollte, und zwar in einer ganz besonderen und sehr ermutigenden Weise. Eine junges Mädchen aus Israel, das gefangen weggeführt worden war, wird zum Werkzeug, um das bekanntzumachen. Aber die eigene Ohnmacht des Königs von Israel kommt zum Vorschein, denn er wusste sehr wohl, dass es nicht in der Macht des Menschen lag, den Aussatz zu heilen; es war eines der Dinge, die Gott sich in seiner eigenen Macht vorbehielt. Doch genau hier war die Gelegenheit des Propheten.
Ich habe bereits auf die Tatsache hingewiesen, und es ist im Fall Elisas noch bemerkenswerter als im Fall Elias, dass diese beiden Propheten mehr in der Tat als im Wort Gott offenbarten. Taten können genauso prophetisch sein wie Worte, und ihre Taten waren es auch. Wir sind daher berechtigt, ihnen die vollste Bedeutung zu geben, die sie haben können – eine Bedeutung, die natürlich von der Schrift an anderer Stelle nahegelegt wird; wir sollten nämlich bedenken, dass die symbolische Sprache genauso präzise ist wie die gewöhnliche Sprache des Alltags, und ich denke, eher noch präziser. Nicht jeder kann sie so leicht verstehen, aber wenn sich das Herz an die Sprache des Buches Gottes gewöhnt hat, wird sie nicht mehr als so schwierig empfunden. Es muss natürlich ein hörendes Ohr und ein aufmerksames Herz vorhanden sein; aber ich sage noch einmal, dass die Symbole der Schrift in ihrer Bedeutung ebenso feststehen wie die klare Sprache der Schrift.
Nun haben wir in diesem Fall den Heiden, der zum Propheten kommt, und er kommt, wie es Heiden tun werden, sehr voll von ihren eigenen Gedanken und ihren eigenen Erwartungen. Aber das Herz muss seine eigene völlige Unvernunft und Torheit offenbaren; nur so kann der volle Segen kommen. Wie auch immer, er soll zum Jordan gehen. Die Flüsse des eigenen Landes würden nicht ausreichen, nur weil sie seine eigenen sind. Der Fluss Gottes – das ist der Fluss für den Aussätzigen. Und dort geht er hinunter in das Wasser des Todes, denn das ist die Bedeutung des Jordans, und das nicht nur für Juden, um hineinzugehen, sondern durch die Gnade auch für Heiden, um den vollen Segen Gottes zu empfangen. Und das war auch der Fall, als Israel sich völlig von dem lebendigen Gott entfernt hatte und unter einer Wolke war. Dieses Kapitel drückt es sehr stark aus, denn ich habe keinen Zweifel daran, dass schuldig, begehrlich und ungläubig, den Zustand Israels heute genauso treffend beschreibt wie damals.
Naaman war von der heidnischen Rasse; aber ach, der Jude ist mit dem Aussatz verflucht, von dem der Heide befreit ist. Und so war der Zustand nicht nur ohne Segen, sondern unter einem Fluch des Gerichtes Gottes. Dann wird der Heide befreit, und wir sehen das schöne Bild eines Mannes, der nicht nur befreit ist, sondern dessen Gewissen aktiv ist, weil er befreit wurde. Ich sage nicht, dass plötzlich alles bei ihm in Ordnung war; es ist vergeblich, das auf einmal zu erwarten, aber er war auf dem richtigen Weg. Und wie schön ist es, liebe Freunde, die Lektion zu lernen – ich denke, wir alle brauchen sie manchmal –, die Bekehrten nicht zu überfordern und nicht darauf bedacht zu sein, sie nach unserer eigenen Vorstellung oder unserem eigenen Maß zu formen.
So sehen wir, dass der Prophet, obwohl er sofort auf die Schwierigkeit, die Naaman darstellte, hätte antworten können, ihn in den Händen Gottes ließ. Er hatte das getan, was das Gewissen des Heiden aufwecken und weiterhin bewegen sollte. Er würde ihn lieber sich selbst überlassen, als ihm zu frühes Wissen zu geben. Es gibt nichts, was das göttliche Leben oft mehr unterdrückt. Wenn Menschen ihr Weniges gut gebrauchen wollen, sollten sie im richtigen Gebrauch des Wenigen, das sie bereits wissen, geübt werden. Dies war damals bei Naaman der Fall. Gehasi verschwindet leider aus dem Blickfeld: Er hat die Gegenwart Gottes verlassen, wie Israel jetzt gleichsam die Gegenwart Gottes verlassen hat.