Behandelter Abschnitt 1Mo 20
Nun folgt eine neue Begebenheit, in der Abraham leider wieder versagt. Es gibt keine Macht in den Formen, um die reichen Triumphe des Glaubens zu erhalten. Wie auf der einen Seite nach dem Versagen Gott in Tiefen der Gnade bringen kann, die nie zuvor erwiesen wurden, so gibt es auf der anderen Seite aus dem wirklichsten Segen kein Mittel der Kraft oder des Fortbestandes, sondern nur in Gott selbst. Wie groß auch die Freude für jemanden oder der Segen für andere sein mag, die Kraft gehört in jeder Hinsicht Gott und ist nur in Abhängigkeit von Ihm unser Teil. Und jetzt war es noch schmerzhafter als zuvor, denn Sara war die bekanntlich berufene Mutter des kommenden Erben. An ihr bestand ebenso wenig ein Zweifel wie an Abraham. Er war schon lange der bestimmte Vater, so wie sie später die bestimmte Mutter war. Trotz allem macht sich Abraham aus eigenen Gründen wieder einmal schuldig, die Verwandtschaft zu leugnen. Was ist der Mensch? Geliebte Brüder, wir kennen den, der um jeden Preis die engste Beziehung mit uns eingegangen ist, die nichts Geringeres verdient, und der sie niemals verleugnen wird. Möge Er unser unerschütterliches Vertrauen haben!
Aber Abimelech war offensichtlich gewissenhaft, und Gott kümmerte sich um ihn, obwohl ihm der Ernst der Sache nicht verborgen geblieben war. Gott ließ ihn in einem Traum wissen, wie die Sache wirklich stand, dass er die Frau des Mannes nicht anrühren dürfe: „denn er ist ein Prophet und wird für dich bitten“ (V. 7). Das ist ein höchst lehrreiches Beispiel dafür, wie Gott an seinen Prinzipien festhält. Er wird sogar Abraham vor Abimelech ehren, wie auch immer er in der Zucht gegenüber Abraham handeln mag. Vielleicht wäre Abimelech bereit zu sagen: „Wie kann Abraham ein Prophet sein, – ein Mann, der Lügen erzählt und seine eigene Frau verleugnet?“ Dennoch, sagte Gott, „er ist ein Prophet“; aber wir dürfen gewiss sein, dass der Herr den Mund Abimelechs keineswegs mit einer strengen Zurechtweisung zurückhielt, als er zu Sara sagte: „Siehe, ich habe deinem Bruder tausend Silberstücke gegeben; siehe, das ist eine Augendecke für dich vor allen, die bei dir sind, und in Bezug auf alles ist die Sache rechtlich geschlichtet“ (V. 16).29 Was für ein Schleier war Abraham für seine arme Frau gewesen! Er hätte besser mit den tausend Silberstücken einen Schleier für sie kaufen sollen. Es war eine scharf schneidende Verurteilung, eine Zurechtweisung, die zweifellos an Sara gerichtet war, aber wie sehr muss sie Abraham bis ins Mark getroffen haben! Die Bibel hat die Sünde des Vaters der Gläubigen zum Wohl aller Kinder aufgezeichnet. Wo war nun die Treue Abrahams? Gott sorgte zuerst dafür, dass sein Glaube nicht versagte. Möge uns die Sünde eine Warnung sein und die Gnade auch unseren Glauben stärken!
29 Es gibt hier einige Schwierigkeiten, die sich in den Unterschieden der Übersetzer zeigen. So übersetzt Benisch den letzten Satzteil: „und du darfst allen ins Angesicht sehen“, das heißt: Sie wurde durch die Strafe als Augendecke richtig gemacht. De Sola, Lindenthal und Raphall gehen in ihrer Version sogar noch weiter: „und allen anderen als Rechtfertigung.“↩︎