Behandelter Abschnitt Off 14,17-20
Auf die Ernte folgt die Weinlese. Im landwirtschaftlichen Betrieb ist es auch so. Gott handelt nie überstürzt. Er macht eins nach dem andern. Er rechtet mit den Nationen und verschont das untreue Israel nicht. Und wenn auch Gott die Verwaltung der Erde Israel viel früher entziehen musste als den Nationen, so harrte Er mit dem Gericht über Israel doch bis zuletzt. Gottes Botschaft durch den Propheten Hosea an Sein Volk Israel bleibt bestehen: «Ich habe dich je und je geliebt.» Dieser unwiderrufliche Ausspruch kommt durch die Langmut Gottes so recht zum Ausdruck. Beachten wir nun die hier genannte Weinlese, die letzte des Zeitalters.
Der Weinstock. Ist nicht Israel der Weinstock, den Gott sich aus Ägypten geholt und in das Land Kanaan verpflanzt hat? (Ps 80,8; Jes 5,1-7.) Um diesen Weinstock hat Gott sich sehr bemüht und ununterbrochen war Er darauf bedacht, seine Fruchtbarkeit zu fördern. Aber anstatt dass Israel, der Weinstock, die erwartete Frucht brachte, zeitigte er nur Herlinge, Frucht für sich selbst (Hos 10,1). Und als der Herr des Weinbergs seine Knechte sandte, die Frucht in Empfang zu nehmen, misshandelten die Weingärtner die Knechte und warfen sie hinaus. Sie töteten sogar etliche und verschonten selbst den Sohn nicht (Mt 21,33-43). Als der wahre Israel, der Herr Jesus, auf Erden wandelte, nannte Er sich selbst den wahren Weinstock, s o eins machte Er sich mit Seinem Volke (Joh 15,1). Der Weinstock der Erde, von welchem unser Wort redet, ist Israel. Gegenwärtig ist Gott wieder sichtlich bemüht, diesen Weinstock nach Palästina zu verpflanzen, obgleich Israel heute im Unglauben wandelt und handelt. Der Unglaube eines Volkes hindert Gott aber keineswegs an der Ausführung Seines Vorsatzes. Da nun Israel nach dem Fleische, in Blindheit dahingehend, unmöglich Gott die erwarteten Früchte bringen kann, wird es in die Kelter des Zornes Gottes geworfen werden.
Ein neuer Gerichtsvollstrecker (Vers 17). Abermals öffnet sich der Tempel im Himmel, und ein weiterer Engel tritt heraus. Auch er hält eine scharfe Sichel in seiner Hand, um Gericht zu üben. Zum zweiten Male soll die Sichel angeschlagen werden, doch der Engel wartet erst auf den Befehl, der ihm durch einen weiteren Engel erteilt wird, jenem Engel, der Gewalt über das Feuer hat (Vers 18). Der Altar ist die Stätte, die von Jesu Opfer redet; der Ort, von welchem alle Segnungen fließen. Anders ist es aber hier. Israel hat den Altar verschmäht, und nun bringt er ihm Gericht.
Engel sind Gottes Diener und waren des öftern auch Seine Gerichtsvollstrecker. Wir erinnern an Sodom (1. Mose 1,19), an das Schlagen der Erstgeburt (2. Mose 1,12) und an jenen Engel, der Assyrien schlug (2Kön 19,35). Auch in Zukunft wird Gott sich der Engel in gleicher Eigenschaft bedienen. Wir denken an die vier Lebewesen in Off 6, die den Gerichtsreitern ein lautes «Komm» zurufen, dann an die sieben Posaunenengel und an die Engel mit den Zornschalen.
Die Stunde des Gerichts. In Vers 7 haben wir bereits von dieser Stunde gelesen. Eindringlich redet Joel von dem schweren Gericht über Israel: «Leget die Sichel an, denn die Ernte ist reif, kommet, stampfet, denn die Kelter ist voll, die Kufen fließen über! Denn groß ist ihre Bosheit» (Joel 3,13). Zwischen der Ankündigung und der Vollstreckung des Gerichtes liegt nur eine ganz kurze Frist. Aber diese Frist bedeutet eine letzte Verlängerung der Gnadenzeit und gibt somit jedem Umkehrenden die Möglichkeit, dem bevorstehenden Gericht zu entfliehen. Gott fügte einst bei Noah der Gnadenzeit noch sieben Tage hinzu, und ähnlich ist es hier. Und später, als Gott das Hagelgericht über die Ägypter ankündigen ließ, gab Er noch 24 Stunden Gnadenfrist (2. Mose 9,18), damit jeder, der der Botschaft des Mose glaubte, Gelegenheit hatte, sich mit seiner Herde in Sicherheit zu bringen.
Die Weinpresse. Das Bild der Weinpresse stellt den Eifer und Zorn Gottes über Israel dar (Off 19,15). In Jes 63,1-6 sehen wir Christi Anteil an diesem Gericht. Die Weinpresse selbst wird in Palästina stehen, und Gott wird sogar den Antichristen in eigener Person brauchen, um Israel zu züchtigen. Immanuels Land wird also nochmals der Schauplatz furchtbarster Verheerungen sein, ja, das Hinschlachten Israels wird ein solches Ausmaß annehmen, dass das Land im Blut ertrinken wird. In Sacharja 13,8 steht geschrieben: «Und es wird geschehen im ganzen Lande, spricht Jehova: zwei Teile davon werden ausgerottet werden und verscheiden, aber der dritte Teil davon wird übrig bleiben.» Das Treten der Weinpresse wird der Herr selbst besorgen. Dann werden die Völker zum Kampfe gegen den Herrn versammelt stehen. Der Herr selbst fordert sie zum Kampfe auf, denn Er kennt den Ausgang durch die Verheißung in Joel 13,12-14. Gleichzeitig befreit Er aber Seine Geliebten aus größter Bedrängnis. Off 14,20 ist sozusagen eine Erfüllung des Tages der Rache, den alle Propheten geweissagt haben (Jes 63).
Des Herrn eigene Verheißung. Nicht allein die Propheten, auch der Herr Jesus hat auf diesen schauerlichen Tag hingewiesen. Wir kommen noch einmal zurück auf das Gleichnis vom Weingärtner (Mt 21,33-41). In vortrefflicher Weise zeigt der Herr darin Seine Gnadenabsichten mit Israel. Schon damals redete Er zu einem Volke reif zum Gericht, denn obwohl Israel wusste, wer der Herr war, stieß es Ihn, den Sohn, den Erben des Weinbergs, zur Stadt hinaus. Nikodemus, einer ihrer Führer und Lehrer, bekannte unverhohlen: «Wir wissen, dass du bist ein Lehrer von Gott gekommen» (Joh 3). Und obgleich er in der Mehrzahl für sich und seine Kollegen redete, legten sie trotz dieses besseren Wissens Hand an den Sohn und realisierten den Ausspruch im Gleichnis: «Lasst uns Ihn töten.» Diese teuflische Handlung musste unweigerlich Gericht zur Folge haben, das dann auch hier, in Off 14, erfolgt. Der Herr hatte gesagt, Er werde kommen, diese Mörder umzubringen, und hier ist Er dabei, Seine Drohung wahr zu machen.
Wie ernst ist das Ganze in der Anwendung auf alle Hörer des Wortes, die, wie einst Israel, das selige «Heute» des Redens des Heiligen Geistes unbeachtet lassen und schließlich gerichtet werden müssen. Möchte unser Zeugnis ein ständiger Hinweis auf die Notwendigkeit der Bekehrung sein, auf dass ihr Blut nicht von uns gefordert werde wie einst von den Propheten (Hes 3,17-19). Der Apostel Paulus sagt nicht umsonst: «Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündige. »