Behandelter Abschnitt Phil 3,9-11
Was der Apostel erstrebte (Phil 3,9-11)
Wie straft uns der Heilige Geist, wenn wir in das Heiligungsleben des Apostels hineinschauen! Bei ihm sehen wir ein Streben, ein Ringen, ein Jagen und Kämpfen, ein Vorwärtsschreiten gleich einem, der unbedingt den ersten Preis gewinnen will.
Was wollte denn Paulus? Hatte er nicht schon nach der Damaskusstunde alles hingegeben? Ja, insofern es sich um seine grundsätzliche Haltung handelte (Gal 1,15,16). Nicht jedoch, insofern das wachstümliche, schrittweise Eindringen in die Erkenntnis Christi in Frage kam, wodurch ihm neue und größere Opfer auferlegt wurden. Paulus hatte sogar seine Freiheit um Jesu willen hingegeben; denn er nennt sich einen Gefangenen Christi Jesu. In Kap. 1 hat er bereits bezeugt, dass er seine Gefangenschaft im vollen Einverständnis mit der göttlichen Leitung hingenommen hat. Die Verse vor uns aber zeigen, dass dies alles dem Apostel noch nicht genügte. Er nennt nun sieben Dinge, denen er nachstrebt. Sie heißen:
I. In Christo erfunden zu werden.
Genau betrachtet stehen in diesem Kapitel zwei Dinge einander gegenüber: Gesetz und Gnade, Moses und Christus. Durch Moses ist das Gesetz gegeben, die Gnade und Wahrheit aber ist durch Jesum Christum geworden (Joh 1,17). Einst lebte Paulus im Gesetz, und zwar mit allen Fasern seines Lebens. Siehe Kap. 3, 5-6. Nachdem er aber Christus erkannt hatte und die Ihm, als dem Eingeborenen voller Gnade und Wahrheit eigene Herrlichkeit (Joh 1,14), wollte er nur noch in Christo erfunden werden. Was das Wasser für den Fisch bedeutet, war einst das Gesetz für den Apostel. Nun aber ist Christus sein Lebenselement. In Ihm will er erfunden werden vor Gott und Seinen auserwählten Engeln (1Tim 5,21).
II. In Seiner Gerechtigkeit.
Von zweierlei Gerechtigkeit redet der Apostel in Vers 9, nämlich von der Gerechtigkeit aus dem Gesetz, und von derjenigen in Christus. Der ersteren rühmte er sich, als er Christus noch nicht kannte. Nachdem er aber Christus als uns von Gott zur Gerechtigkeit, zur Heiligkeit und zur Erlösung gemacht, erkannt hatte, war seine eigene Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz war, verblichen vor dem Glanz der Sonne der Gerechtigkeit Jesu Christi (1Kor 1,30). Die unter dem Gesetz abmühenden Menschen; - die Gerechtigkeit Jesu Christi aber ist das Verdienst des Menschen, Christus Jesus, der sich für uns alle dahingegeben hat; und sie wird dem an Christus Glaubenden von Gott geschenkt. Und nur das, was uns von Gott geschenkt wird, kann vor Gott bestehen.
III. Ihn zu erkennen.
Hierbei denkt der Apostel wohl mehr an den Christus, der uns von Gott
auch zur Heiligung gemacht ist (1Kor 1,30). Christus ist in des
Wortes bestem Sinne der Gerechte, der Heilige, der sich in Wort und Werk
und allem Wesen von allen Menschen unterschied. Diesen Menschen Jesus
Christus, dem alles, was Er machte, geriet, dessen Ausgänge und Quellen
in der Ewigkeit liegen, wollte Paulus noch mehr erkennen. Der
hochgelehrte Paulus stellt all seine ganz vortreffliche Erkenntnis als
ungenügend hin, und will unbedingt weitere Fortschritte machen (
IV. Die Kraft Seiner Auferstehung.
Gemeint ist die überschwengliche Größe der Kraft Gottes, die Christus aus den Toten auferweckt hat (Eph 1,19-20). Gott hat Ihn ja auch uns zur Erlösung gemacht (1Kor 1,30). Dass es sich hierbei um die Erlösung vom Leib des Todes handelt, ist offenbar (Röm 7,14; 8,23). Diese Kraft ist dieselbe, die in Heb 7,16 „Kraft eines unauflöslichen Lebens“ genannt wird. In ihr kam der Mensch Christus Jesus in die Welt und ihr zufolge hatte Er Macht, Sein Leben zu geben, d. h. in den Tod, und es wieder zu nehmen (Joh 10,18). Hingegen kommen alle andern Menschen mit einem auflöslichen Leben in die Welt und sind darum unerbittlich und unwiderruflich dem Tode geweiht (Heb 9,27). So ist denn die Erkenntnis des wahren Gottes und Seines Sohnes das ewige Leben (Joh 17,3), und zwar in Gerechtigkeit, Heiligkeit und der noch zu erwartenden Leibeserlösung von Sterblichkeit und Verweslichkeit.
V. Die Gemeinschaft Seiner Leiden.
Der Philipperbrief spricht eigentlich nicht von dem Werke Gottes in Christo Jesu für uns, sondern von Gottes Wirken in uns (Kap. 2, 13). Von hier aus gesehen hat auch die Ermahnung: „Bewirket eure eigene Errettung" Sinn. In Paulus sehen wir einen Menschen im Glauben an Christus, der sich seiner ganzen Verantwortung bewusst ist und bereit, Christus Jesus nachzuahmen und darzustellen, wie er Ihn in Kap. 2, 6-11 sieht. Zuerst sieht er die Leiden des Christus und begehrt ihre Gemeinschaft kennen zu lernen, weil das allein der Weg ist, auf dem Christus, Sein Herr, zur Herrlichkeit schritt. Paulus begehrte also kein anderes irdisches Los, als dasjenige Seines Herrn (Mt 10,25). Niemand aber hat in sich die Kraft, solche Leiden zu begehren, noch sie zu tragen. Dazu bedarf es der Kraft Seiner Auferstehung.
VI. Indem ich Seinem Tode gleichgestaltet werde.
Am Ende des Leidensweges Christi steht der Tod, der, - von der menschlichen Seite aus gesehen, - diesen Weg beendet. Hier ist es nun nötig, die Betonung auf das Wörtlein "Seinem" Tode zu legen. „Er ward gehorsam bis zum Tode, ja, zum Tode am Kreuze.“ Gerade der Herr Jesus Christus, der treue und wahrhaftige Zeuge, wurde nicht, wie viele andere Märtyrer, enthauptet, sondern mit dem qualvollen und den Menschen entehrenden Kreuzestode umgebracht. Diesem Tode wünscht der Apostel gleichgestaltet zu werden, er wäre also am liebsten auch am Kreuz gestorben. Diese Gesinnung kann nur die Kraft der Auferstehung Christi schaffen. Das alles zeigt sehr deutlich, dass der Apostel Paulus in Christo aufging.
VII. Um hinzugelangen zur Auferstehung aus den Toten.
Vor Pauli Blick steht der Erstling aller Entschlafenen von Adam an, der aus dem Bereich des Todes zurückgekehrt ist, und nie mehr sterben wird. Und nun will der Apostel zu dieser Auferstehung aus den Toten hingelangen. Kein Preis ist ihm zu hoch. Alles nimmt er in Kauf, sogar die Gemeinschaft Seiner Leiden und die Gleichgestaltung mit Seinem schmachvollen Tode am Kreuz.