Behandelter Abschnitt Phil 1,12-20
Die Freude des Apostels (Phil 1,12-20)
Wir wissen, dass Paulus als Gefangener Christi Jesu und um des Evangeliums willen nach Rom gekommen war. Die Gläubigen freuten sich sehr auf sein Kommen, als sie davon hörten. Sie kannten den Apostel bereits durch seinen Brief an die Römer, und etliche kannten ihn auch persönlich. Hier in Rom durfte Paulus durch Wort und Schrift ein großer Segen sein, und in den folgenden Versen lässt er uns ein wenig in seine Lage blicken, die selbst in seinen Banden gesegnet war.
I. Berechtigtes Empfinden. Die Philipper, die dem Apostel zu seiner Notdurft eine Gabe schickten, werden gedacht haben, dass nun das Werk des Herrn durch die Gefangenschaft des Apostels leide. Dieses Empfinden war sehr natürlich. Notzeiten sind aber in den meisten Fällen nützlicher als gute Tage. Man denke an Stellen wie 2. Mose 1; Dan 3 und 6. Als der Herr am Kreuze hing, glaubten gewiss die meisten, dass nun alles aus sei, aber gerade durch das Kreuz bekam Er die Menge zur Beute. Wenn die Welt unsere Freude und Geduld in Leiden sieht, so glaubt sie an die Kraft des Evangeliums. Wahrer Glaube nimmt auch das Schwere aus Gottes Hand und erfährt darin die Treue Gottes (Vers 19, 28; 2, 27).
II. Die Wirkung des Evangeliums. Paulus nennt: a) Die Soldaten. Da Paulus in einem gemieteten Hause wohnte, wurde er ständig von Soldaten bewacht. Diese Wachen lösten sich jeden Tag einige Male ab. Dadurch kam Paulus mit sehr vielen verschiedenen Soldaten in Berührung. Bald merkten sie, dass Paulus kein Verbrecher war, sondern seines Glaubens wegen litt. Im ganzen Prätorium sprach man von diesem sonderbaren Gefangenen, von seiner Güte und Liebe. Sie sahen ihn so oft im Gebet; denn Paulus war ja nie allein, sondern er musste stets vor andern beten. Sie hörten ihn vom Herrn zeugen, und mit den Brüdern stets von Jesus reden. Er hat bestimmt den Soldaten den Herrn bekannt gemacht und sie zur Bekehrung ermuntert. Einige glaubten dem Evangelium, andere werden, wie das meistens der Fall ist, versucht haben, den Apostel zu reizen. Paulus war mit einer Kette an die Leibwache gebunden, so war es ihr also leicht, ihm Grobheiten zu machen. Er war jedoch stets derselbe. Das ist Gnade! Die Frucht dieses Dienstes am Militär wird sich besonders dadurch gezeigt haben, dass die gläubig gewordenen Soldaten das Evangelium weitergetragen haben. b) Die Brüder. Als die Gläubigen in Rom vom Zeugenmut des Apostels (trotz seiner Bande) erfuhren, wurden manche in sich selbst beschämt. Mehrere Brüder gaben ihre Menschenfurcht auf und bekannten desto freier den Herrn. Ohne Zweifel gingen sie hin und her, um das Wort zu verkündigen, und es gab überall Bekehrungen. Das Evangelium wurde auf diese Weise ausgebreitet. Verfolgungszeiten dienten meistens mehr der Ausbreitung des Evangeliums als Zeiten der Ruhe. Sind wir auch dabei, wenn es gilt, das Evangelium zu verteidigen und auszubreiten? c) Die Gegner. Je treuer wir dem Herrn nachfolgen desto mehr Gegner bekommen wir. Paulus hatte viele Gegner. Er ging ständig durch gute und böse Gerüchte. Wehe uns, wenn uns die Menschen wohl reden; dann stimmt etwas nicht. Des Apostels Gegner hier waren unaufrichtige Brüder, wohl meistens Juden, die an ihren alten Formen und Überlieferungen festhielten und den neuen Wein in alte Schläuche füllen wollten. Das hat sich bis heute nicht geändert. Man verleumdet Brüder, die man nicht einmal kennt, man hat einiges über sie gehört und schon ächtet man sie. Das ist eine grobe Sünde und nicht selten gerade von sog. Großen begegnen. Pauli Gegner verkündigten aber dennoch das Wort. Obwohl der Apostel die Beweggründe durchschaute, ärgerte er sich nicht darüber, sondern freute sich, dass auf alle Fälle das Evangelium verkündigt wurde. Freuen wir uns auch so aufrichtig, wenn Andersdenkende als wir, das Evangelium verkündigen, oder gleichen wir Feuerwehrmännern, die löschen gehen. Es ist möglich, rechte Worte mit falschen Beweggründen zu verkündigen; aus Ehrsucht, aus Neid, aus Geldliebe, und nicht, weil die Liebe Christi drängt. Paulus schaute nicht auf die Beweggründe, sondern auf die Botschaft.
Das Ganze zeigt, dass in Rom wahrscheinlich eine Art Trennung war. Es mag gewesen sein wie in den galatischen Versammlungen, in denen die judaistischen Lehrer Zerstörungen anrichteten. Die Gefangenschaft war an sich schon Trübsal genug, aber die Feinde wollten sie durch ihr Wirken noch mehr belasten. Paulus kümmerte sich nicht um Neid und Streitsucht, - sein Herzenswunsch war: "Das Christus verkündigt wird", das freute ihn, und dafür war er bereit zu leiden.
III. Ich freue mich. Das ist ein wahres Siegeswort. Freuen oder
ärgern wir uns über ähnliche Arbeiten, wie das Paulus tat? Wir wollen
nicht sündigen durch Geringschätzung und Verleumdung einer Arbeit, auch
dann nicht, wenn wir sie anders getan hätten. Paulus ließ die Philipper
wissen, dass er noch ebenso glücklich war wie immer. Er konnte jetzt in
Rom im Gefängnis den Herrn genau so gut loben, wie damals zusammen mit
Silas im Kerker zu Philippi. Das war seine Freude, dass durch seine
Leiden das Evangelium ständig ausgebreitet wurde, wie schon damals, als
man ihn in Jerusalem gefangen nahm und vor den Rat führte (