Behandelter Abschnitt Apg 28,30-31
Das Evangelium ist nicht gebunden
Rom, die schöne Stadt der sieben Hügel, hat während zwei Jahren den größten Mann der Geschichte beherbergt. Nicht Nero und sein Reich, sondern Paulus, der einfache Verkündiger des Gottesreiches, repräsentiert das unvergängliche Reich. Indessen wartete er in seinem gemieteten Hause auf das Urteil, das Nero beliebte über ihn zu fällen. Aber Nero, mit all seiner Grausamkeit den Heiligen gegenüber, war der Kirche Christi bei weitem nicht so gefährlich, wie die Schmeicheleien späterer Kaiser, die sich zum Haupt der Kirche machten, sie mit weltlichen Ehren überhäuften und ruinierten.
Ein plötzlicher Abbruch. Allzuschnell bricht Lukas seinen Bericht ab. Wahrscheinlich hatte er die Apostelgeschichte in Rom geschrieben und eine Fortsetzung beabsichtigt, da viele Fragen über Paulus und das weitere Werk unbeantwortet bleiben. Die Apostelgeschichte scheint, wie wir am Anfang unserer Betrachtungen sagten, ein nicht abgeschlossenes Buch zu sein. Lukas beendet seinen Bericht mit dem Schiffbruch und mit der Gefangenschaft in Rom. Schiffbruch und Gefangenschaft sind auch das Ende der Kirche. Allein der Name „Rom“ klingt wie ein schweres Unglück. Rom hat stets dem schlichten, prunklosen Evangelium widerstanden. Es hat die alte Bitterkeit des Judentums wider die Heiligen des Herrn übernommen.
Ein Blick in das gemietete Haus. Wie verbrachte denn Paulus die Zeit seines Wartens? Bereitete er seinen Prozess vor? Nein! Der junge, weltlustige Herrscher ließ den Apostel volle zwei Jahre warten. Ist Paulus darob etwa ungeduldig geworden? Nein! Aber was machte er denn?
Er empfing alle, die zu ihm kamen. Wenn wir nicht immer erledigen können, was wir gerne möchten, so wollen wir doch das tun, was Gott uns jeweils in die Hände legt. Der Apostel hat es uns vorgelebt. Da kam mancher müde und beladene Sünder, wie z. B. der davongelaufene Sklave Onesimus, der in jenem gemieteten Hause den Herrn fand. Sein Besuch war dem Apostel genau so wichtig, wie der der Ältesten der Juden. In jedem Falle bleibt uns ein dauerndes Andenken über den Besuch dieses armen Sklaven, nämlich der Brief des Apostels an Philemon.
Hier wurde auch mancher bedrückte Heilige aufgerichtet. Enttäuschte und müdegewordene Älteste und Diener Gottes wurden durch die vorbildliche Haltung des Apostels zum Aufblicken ermuntert und neu angespornt, den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen. Wieder andere verkündigten, angeregt durch den unerschrockenen Bekennermut des Apostels, den Herrn mit großer Freimütigkeit (Phil 1,14).
Er predigte das Reich Gottes. Wir sahen bereits, was Paulus den Juden über das Reich Gottes zu sagen hatte. In vorliegendem Falle handelt es sich aber um die innere Seite des Reiches Gottes, um die Wiedergeburt, um jenes Reich, das, wie die Schrift sagt, inwendig in uns ist. Paulus schreibt ja gerade den Römern: „Das Reich Gottes ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geiste“ (Röm 14,17). Es ist also ein persönliches, inwendiges Erlebnis (Lk 17,21; Joh 3,3).
Er diente den Heiligen. Paulus sprach mit seinen Besuchern vom Herrn. Jesus (Vers 31). Der Welt verkündigte er das Reich Gottes, den Heiligen aber die Dinge, die den Herrn betreffen. Selbst durch die Briefe, die er in jenem gemieteten Hause geschrieben hatte, belehrte er die Gläubigen: dass Jesus die Quelle aller Freude (Phil 4,4); die Hoffnung der Herrlichkeit (Kol 1,27) ; das Haupt und die Fülle dessen ist, der alles erfüllt (Eph 1,22-23). Und wiederum schrieb Paulus an die Kolosser und Epheser, dass die Gemeinde die weitaus größte Aufgabe und das unvergleichliche Vorrecht habe, nämlich die mannigfaltige Weisheit Gottes, sowohl vor Menschen, als auch vor der Engelwelt darzustellen. Auch unterließ es der Apostel nie, die praktische Seite des Glaubenslebens hervorzuheben, indem er immer wieder in vielseitiger Weise die Absonderung von Welt und Sünde und die Umgestaltung in Jesu Bild verkündigte.
Er diente mit seiner Feder. Unsagbar viel hat die Gemeinde dem Apostel für seine schriftlichen Dienste aus der Gefangenschaft zu verdanken (Dasselbe trifft auch für den Apostel Johannes zu, dessen Offenbarung ebenfalls aus der Gefangenschaft auf Patmos stammt.). Diese Nichtsbesitzenden in der Gefangenschaft haben der Welt den größten Reichtum hinterlassen. Wahrlich, es braucht nicht immer materielle Güter, um andere reich zu machen. Und obwohl der Apostel schon lange beim Herrn ist, spricht er noch heute zu uns durch seine Briefe.
Er diente durch Fürbitte. Im Gebet legte er Gott die Sorge um alle die Gemeinden dar, in die der Feind gerade während seiner Abwesenheit einzudringen versuchte (2Kor 11,28). Gar nichts beschäftigte den Apostel so sehr wie das Wohl der Gemeinden, auch der ihm unbekannten. Wie weit sind wir nach der Seite hin von der Gesinnung des Apostels beseelt? Kennen wir nicht in der Regel nur unsern Kreis und sind nur um ihn allein besorgt! Paulus aber trat für alle Heiligen ein.
Liebliche Gemeinschaft. Neben der vielen und anstrengenden Arbeit, die Paulus bewältigte, gab es für ihn köstliche Stunden der Gemeinschaft. Seine Briefe zeugen davon, wie sehr er das Zusammensein mit den Brüdern schätzte. Lukas und Aristarchus waren beständig bei ihm; zeitweise auch sein treuester Mitarbeiter Timotheus (Phil 2,19-22). Auch Tychikus hielt sich einige Zeit bei Paulus auf, der ihn aber bald mit einem Briefe nach Kolossäa schickte. Epaphroditus erfreute den Apostel in besonderer Weise und war ihm eine Hilfe (Phil 3,25-30). Weiter nennt Paulus den Epaphras, dem er ein sehr gutes Zeugnis ausstellte (Kol 1,7; 4,12-13). Ferner wurde Markus, von dem Paulus sich einst getrennt hatte, dem Apostel sehr nützlich. Die Verbundenheit der Gläubigen untereinander ist ein kostbares Gut.
Alle Dinge müssen zum Besten dienen. Mehrere Heilige jener Tage werden gedacht und auch gesagt haben: Was hätte während den zwei Jahren doch alles durch Paulus geschehen können, wäre er frei gewesen! ‑ So z. B. die Philipper (Phil 1,12 ff.). Paulus selbst war anderer Meinung. Er hatte sich dem Herrn anvertraut und wusste, dass Er alles zu Seiner Ehre lenken und hinausführen werde (Bist du vielleicht ans Krankenlager gefesselt, so diene in deinem gemieteten Hause, wie Paulus es tat.). Zugleich blickte der Apostel mutig in die Zukunft. Er sollte ja auch noch die Freiheit erhalten (2Tim 4,16-18). Im Glauben bat er Philemon im voraus, ihm eine Herberge zu besorgen (Philemon 22).
Ungehindert. So lautet das letzte Wort der Apostelgeschichte. Zwar war Paulus gebunden, aber nicht so das Evangelium. Dieser treue Knecht Gottes ließ sich auch keineswegs durch neue Trübsale hindern (Phil 1,16). Der Glaube kennt keine Hindernisse, er schaut nicht auf das Sichtbare, sondern auf den ewig treuen Herrn, und hat acht auf Seine Befehle. Paulus erfüllte auch in der Gefangenschaft seinen Dienst und es ist niemand, der ihn nicht am scheinbar unmöglichsten Ort und in den schwierigsten Umständen erfüllen könnte. So lasst auch uns mit gleichem Eifer die Hoffnung auf den wiederkommenden Herrn unentwegt festhalten bis ans Ende (Heb 6,11) und Seinen großen Auftrag erfüllen: Ihr sollt meine Zeugen sein!