Behandelter Abschnitt Apg 18,9-11
Eine neue Vision
Alle Visionen, die Paulus hatte, trugen zur Aufmunterung oder Wegleitung für weitere Dienste bei. Auch diese neue Vision hatte den Zweck, den offenbar etwas niedergeschlagenen Knecht Gottes aufzumuntern. Selbst die treuesten Diener Gottes sind nicht immer auf derselben Glaubenshöhe und so darf uns diese innere Not des Apostels zur Belehrung dienen.
Paulus unter dem Ginsterstraueh. Wir kennen den Ginster‑ oder Wachholderstrauch aus der Geschichte des entmutigten Elias (1Kön 19 3 ff.). In ähnlicher Weise scheint Paulus in Korinth ermattet gewesen zu sein. Die lange Einsamkeit, die dämonischen Einwirkungen und geringen Erfolge in Athen, die Lästerungen der Juden in Korinth, um deren Seelenheil der Apostel so sehr bemüht war, mögen stark zermürbend auf ihn eingewirkt haben. Paulus war schon voller Furcht, ehe er nach Korinth kam (1Kor 2,3). Der neue Anschlag der Juden, den sie gegen ihn vorhatten, mag ihn an die Steinigung zu Lystra oder an die Schläge in Philippi erinnert haben. Wenn schon unser Herr, angesichts der vor Ihm liegenden Leiden zu zittern und zu zagen begann, so dass Seine Seele bis zum Tode betrübt war, was ist dann erst mit uns, wenn Schweres auf uns lastet. ‑ Doch Paulus kannte den, der die Schwachen aufrichtet (2Kor 1,3; 7,6). Bald durfte er das trostreiche Wort hören: «Niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden.
Eine zeitgemäße Ermunterung. Gleich wie der Herr den Elias durch einen Engel erquickte, so wurde Paulus durch ein Gesicht erfreut. Und als der Herr in das bedrückte Herz Seines Dieners schaute, eilte Er zu seiner Hilfe wie eine Mutter zum weinenden Kinde. Und so wie Elias benachrichtigt wurde: es seien noch Siebentausend in Israel, die ihre Knie vor Baal nicht gebeugt hätten, so wurde Paulus gesagt: „Ich habe ein großes Volk in dieser Stadt.“ „Fürchte dich nicht.“ Solche Worte ruft man nur einem Beängstigten zu. Paulus fürchtete sich also; es erging ihm demnach nicht besser wie es uns allen auch schon ergangen ist. Gott aber sei Dank, der im Laufe der Zeit den Seinen immer wieder ein „Fürchte dich nicht“ zugerufen hat. So Seinem Knecht Abraham, angesichts der vielen Feinde (1. Mose 15,1); auch dem Josua, als er übermenschliche Aufgaben vor sich sah (Jos 1,9) ; dann der Witwe von Sarepta, im Hinblick auf die bevorstehende Hungersnot (1Kön 17,13); ferner dem Daniel, im Blick auf die Zukunft (Dan 10,19) und dem Petrus, als ihn die Wellen zu verschlingen drohten (Mt 14,27). Und wenn du und ich im Tale des Todesschattens wandern werden, so sagen wir mit dem Psalmisten: „Ich fürchte kein Unglück, denn du bist bei mir.“ Also ermuntert der Herr die Seinen in jeder Lage. „Rede und schweige nicht.“ Diese Aufforderung sagt uns, dass Paulus sich einschüchtern ließ, was geradezu unglaublich klingt. Zugleich war der Auftrag: „Rede und schweige nicht“ eine Ermunterung und neue Bestätigung seiner Berufung. Rufe laut; benütze fernerhin jede Gelegenheit; verwende alle deine Fähigkeiten und vergiss nicht, dass ich dich zu einem Zeugen und Botschafter gesetzt habe; sei nicht entmutigt; rede nur weiter (Jes 58,1) ; so oder ähnlich war die Botschaft an den Apostel. Wie oft benötigen gerade Gottes Diener diesen Zuspruch, denn Satan greift sie immer zuerst an. David sagt: „Ich glaube, darum rede ich.“ „Denn ich bin mit dir.“ Ähnlich hat der Herr schon zu vielen Seiner Kinder gesprochen. Zu Abraham (1. Mose 26,3), zu Isaak (1. Mose 26,24), zu Jakob (1. Mose 28,15), zu Mose (2. Mose 33,14), zu Josua (Jos 1,5) und zu vielen andern. «Ich bin bei euch alle Tage» ist mit Hauptinhalt des großen Missionsbefehls (Mt 31). Diese göttliche Zusage gilt aber nicht etwa nur für das Z e u g n i s der Gläubigen, sondern für alle Lebenslagen (Heb 13,5-6). „Niemand soll dich angreifen, dir Übles zu tun.“ Gott gab hier dem Apostel die absolute Zusicherung Seiner Bewahrung. Die Pläne der Juden gegen ihn durften also nicht ausgeführt werden. Damit sagte der Herr aber keineswegs, dass sonst alles glatt gehen werde; denn schon in Vers 12 lesen wir von neuen Schwierigkeiten. Die Feinde durften den Apostel nicht antasten (Jos 1,5-9; Jes 41,10). Paulus war wohl Zeuge, wie sie sich untereinander schlugen, er selbst aber ging unbelästigt davon. „Denn ich habe ein großes Volk in dieser Stadt.“ Gar nichts konnte einen Mann wie Paulus mehr ermuntern, als die Zusicherung von so reichen Segnungen. Neu gestärkt und entschlossen machte sich der Apostel an die Arbeit. Er war nicht der Meinung, wie manche in unserer Zeit: dass, wer vom Herrn erwählt sei, komme in jedem Fall zum Glauben. Diese törichte, bequeme Auffassung erhält durch eine Vision, wie sie hier der Apostel hatte, ihren wohlverdienten Hieb. Gottes Erwählung kennt keine Untätigkeit am Evangelium. Kürzlich sagte ein Bruder zu mir: «Hör nur auf mit deiner Zeltarbeit; bald wird Israel das Evangelium verkündigen, dann wird sich die ganze Welt bekehren.“ Dies ist nur teilweise wahr, das übrige ist Betrug Satans. In Korinth wollte der Herr noch viele retten, dazu brauchte Er aber Paulus. Der Glaube kommt aus der Predigt, und wie sollen sie glauben, so ihnen nicht gepredigt wird?
Die Folge dieser Vision. Paulus verharrte eineinhalb Jahre in Korinth und es entstand eine große Gemeinde mit vielen Männern, denen Gott reiche geistliche Gaben schenkte (1Kor 12-14). Der Herr wirkte mächtig in jener Stadt (1Kor 2,3-4). An diese Gemeinde schrieb Paulus später zwei sehr lehrreiche Briefe. All das ist die Frucht des unermüdlichen Dienstes des Apostels in jener gottlosen Stadt. Lernen wir von den Erfahrungen des Apostels in Entmutigungen das Angesicht Gottes zu suchen, und Er wird auch uns neue Segnungen schenken.