Behandelter Abschnitt Apg 9,26-30
Der erste Besuch in Jerusalem
Die Rückkehr von Damaskus nach Jerusalem war so ganz anders, als Paulus sie sich gedacht hatte. Mit einer Anzahl Gefangener wollte er wie ein Feldherr mit reicher Beute in Jerusalem einziehen. Nun kommt er als Sklave Jesu Christi, als ein der Gefangenschaft Entronnener. Manch schmerzliche Erinnerung wird ihn während der Rückreise beschäftigt haben. Wie mag ihm zumute gewesen sein, als er sich Jerusalem näherte und jenes Haus der Opfer, „den Tempel“ sah. Wie ganz anders schaute er ihn nun an, nachdem er das wahre Opfer „Christus“ für uns geschlachtet, erkannt hatte. Schmerz muss seine Seele erfasst haben, als er durchs Stadttor ging, durch das er Stephanus hinausbegleitete. Und blutete nicht sein Herz, als er an den Häusern vorbeiging, aus denen er die Gläubigen herausgeschleppt hatte. Interessant ist, wie der Herr die Seinen leitet. So musste die erste Verfolgung gegen Paulus zu dieser Jerusalemreise führen.
In Jerusalem. Dieses Jerusalem, das, wie wir sahen, dem Apostel zunächst höchst demütigende Erinnerungen wachrief, weil er die Heiligen zum Lästern des Namens Jesu gezwungen hatte, wurde bald eine Stätte reicher Segnungen für ihn. Doch nicht Jerusalem, das Zentrum der zwölf Apostel, sollte sozusagen das Hauptquartier Pauli sein, sondern Cäsarea, Antiochien, Athen, Korinth, Ephesus, Rom usw.
In Verlegenheit (Vers 26). In Jerusalem versuchte Paulus sich den Jüngern anzuschließen. Er wird in eine Versammlung gegangen sein. Alle entsetzten sich, als sie den einstigen Verfolger sahen und fürchteten sich. Wie langsam glauben wir oft der Schrift, die verheißt, dass Er die Starken zur Beute haben soll. Gott vermag den Schlimmsten zu retten.
Ein liebender Helfer. Barnabas, der Sohn des Trostes, machte erneut seinem schönen Namen Ehre und tröstete Paulus. Er kannte Pauli großes Erlebnis und führte ihn zu den Aposteln. Barnabas erzählte die einzigartige Bekehrung des Paulus und dass er bereits in der Synagoge zu Damaskus freimütig Jesus als Sohn Gottes verkündigt habe. In Barnabas und Saulus trafen sich zum ersten Male zwei Männer, die der Heilige Geist später zum Dienst an den Nationen zusammenschmiedete. Der Barnabasdienst des Trostes und des Zurechthelfens ist sehr wichtig in der Gemeinde, der leider oft fehlt und Suchenden den Weg erschwert. Nicht unbedeutender ist Pauli Verhalten, dessen erstes Interesse der Gemeinde galt und sie aufsuchte. Bekehrte gehören in die Gemeinde der Gläubigen. Wie viel Unfug wird heute mit dem beliebt gewordenen Ausdruck „ich will frei bleiben“, getrieben. Die Schrift kennt keine Einzelgänger, sondern sie lehrt, dass die Gläubigen sich versammeln sollen (Heb 10,25; 1Joh 1,7; Apg 2,42).
Zu Gast bei Petrus. Nach Gal 1,18 sehnte sich Paulus darnach, Petrus kennenzulernen. Früher betrachtete Paulus die Apostel als seine Feinde, weil sie die Anführer der Sekte der Nazarener waren. Durch seine Bekehrung aber waren sie seine größten Freunde geworden. Man versuche sich auszudenken, was diese Zusammenkunft besonders für Paulus bedeutete. Hier lernte er auch Jakobus, den Bruder des Herrn kennen. In den fünfzehn Tagen wird Paulus den Petrus mit Fragen über den Herrn überhäuft haben. Und Petrus wird all die großen Begebenheiten dem Paulus berichtet haben. Als sie gemeinsam wanderten und an den „Bach Kidron“ kamen, wird Petrus erzählt haben, dass sie einst in der Nacht, da Jesus verraten wurde, über diesen Bach gingen. Er wird ferner gesagt haben: dort im „Garten Gethsemane“ rang der Herr, da ward Sein Schweiß wie große Blutstropfen, aber auch dort versagten wir, indem wir schliefen. ‑Petrus wird ihm den Platz gezeigt haben, wo die Kriegsknechte Jesus gefangen nahmen und Judas Ihn mit einem Kuss verraten hatte. ‑ Hier schlug ich unsinnig mit dem Schwerte drein, und wenn nicht der Herr eingegriffen hätte, lebte ich heute nicht mehr, wird er weiter gesagt haben. Er wird auch seine Verleugnung bekannt und auf die letzten Stunden auf „Gabatha und Golgatha“ hingewiesen haben. Begeistert wird er von der Auferstehung und von Jesu glorreicher Himmelfahrt Zeugnis abgelegt haben. Dieser Jesus hat uns den Auftrag gegeben: Seine Zeugen zu sein; und nun, lieber Bruder Paulus, begreifst du, weshalb wir nicht schweigen können.
Bei den früheren Freunden (Vers 29). Paulus weilte nicht nur in der Versammlung (Vers 28), nein, er ging auch in die Synagoge. Hier verkündigte er wie zuvor in Damaskus, dass Jesus der Sohn Gottes sei. Die Liebe zu seinen Brüdern nach dem Fleische, für die er am liebsten durch einen Fluch von Christus verbannt gewesen wäre, um sie zu retten, trieb ihn in die Synagoge. Gläubige sollen sowohl die Gemeinschaft untereinander suchen, als auch hinausgehen und zeugen. Wie Stephanus, so stritt auch Paulus mit den Hellenisten, aber sie vermochten ihm nicht zu widerstehen.
Ein neuer Mordversuch. Die Juden versuchten Paulus umzubringen. In Damaskus war er dem Tode entgangen, und nun ergeht es ihm ähnlich in Jerusalem. Seine Flucht war nicht Feigheit, sondern Weisheit (Spr 22,3; Mt 10,23). Paulus erfuhr zwar den harten Widerstand der Feinde, zugleich aber auch die Liebe der Brüder und die treue Bewahrung des Herrn. Der neue Anschlag musste nur die Pläne Gottes mit Seinem Diener erfüllen. Paulus ging nach Cäsarea, dem ersten Zentrum der Gläubigen aus den Nationen, deren Apostel er war.